Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

die Deutschen aus. Unter ihnen fand ich je-
derzeit den hellsten Sinn, das treulichste Be-
streben, und am meisten innere Freyheit.
Mein angestrengtester Fleiß brachte mich in
kurzem so weit, daß ich mit meinen Gefähr-
ten wetteifern konnte. Sobald meine Ge-
mählde verkäuflich waren, legte ich das Ge-
werbe eines Cicerone völlig nieder, zeichnete
und mahlte ununterbrochen. Um den Verkauf
meiner Bilder, meistens Landschaften, beküm-
merte ich mich eben so wenig, als um die An-
wendung des gelösten Geldes. Das erste be-
forgten meine Freunde, und die Summen, die
zu meiner wenig kostbaren Lebensart vollkom-
men ausreichten, händigten sie meiner Frau
ein. -- Jhrer Frau? rief Juliane erstaunt;
doch wahrscheinlich bloß Jhrer Haushälterin?
-- Nein, meiner Frau! -- Wie? Sie sind
verheirathet? -- Wirklich getraut? fragte
Eduard. -- Wahrscheinlich traute sie mir,
und ich habe ihr nur zu viel getraut. Es
war ein sehr schönes Mädchen, eine Römerin,
die uns lange zum Modell gesessen hatte. Sie

die Deutſchen aus. Unter ihnen fand ich je-
derzeit den hellſten Sinn, das treulichſte Be-
ſtreben, und am meiſten innere Freyheit.
Mein angeſtrengteſter Fleiß brachte mich in
kurzem ſo weit, daß ich mit meinen Gefaͤhr-
ten wetteifern konnte. Sobald meine Ge-
maͤhlde verkaͤuflich waren, legte ich das Ge-
werbe eines Cicerone voͤllig nieder, zeichnete
und mahlte ununterbrochen. Um den Verkauf
meiner Bilder, meiſtens Landſchaften, bekuͤm-
merte ich mich eben ſo wenig, als um die An-
wendung des geloͤſten Geldes. Das erſte be-
forgten meine Freunde, und die Summen, die
zu meiner wenig koſtbaren Lebensart vollkom-
men ausreichten, haͤndigten ſie meiner Frau
ein. — Jhrer Frau? rief Juliane erſtaunt;
doch wahrſcheinlich bloß Jhrer Haushaͤlterin?
— Nein, meiner Frau! — Wie? Sie ſind
verheirathet? — Wirklich getraut? fragte
Eduard. — Wahrſcheinlich traute ſie mir,
und ich habe ihr nur zu viel getraut. Es
war ein ſehr ſchoͤnes Maͤdchen, eine Roͤmerin,
die uns lange zum Modell geſeſſen hatte. Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="171"/>
die Deut&#x017F;chen aus. Unter ihnen fand ich je-<lb/>
derzeit den hell&#x017F;ten Sinn, das treulich&#x017F;te Be-<lb/>
&#x017F;treben, und am mei&#x017F;ten innere Freyheit.<lb/>
Mein ange&#x017F;trengte&#x017F;ter Fleiß brachte mich in<lb/>
kurzem &#x017F;o weit, daß ich mit meinen Gefa&#x0364;hr-<lb/>
ten wetteifern konnte. Sobald meine Ge-<lb/>
ma&#x0364;hlde verka&#x0364;uflich waren, legte ich das Ge-<lb/>
werbe eines Cicerone vo&#x0364;llig nieder, zeichnete<lb/>
und mahlte ununterbrochen. Um den Verkauf<lb/>
meiner Bilder, mei&#x017F;tens Land&#x017F;chaften, beku&#x0364;m-<lb/>
merte ich mich eben &#x017F;o wenig, als um die An-<lb/>
wendung des gelo&#x0364;&#x017F;ten Geldes. Das er&#x017F;te be-<lb/>
forgten meine Freunde, und die Summen, die<lb/>
zu meiner wenig ko&#x017F;tbaren Lebensart vollkom-<lb/>
men ausreichten, ha&#x0364;ndigten &#x017F;ie meiner Frau<lb/>
ein. &#x2014; Jhrer Frau? rief Juliane er&#x017F;taunt;<lb/>
doch wahr&#x017F;cheinlich bloß Jhrer Hausha&#x0364;lterin?<lb/>
&#x2014; Nein, meiner Frau! &#x2014; Wie? Sie &#x017F;ind<lb/>
verheirathet? &#x2014; Wirklich getraut? fragte<lb/>
Eduard. &#x2014; Wahr&#x017F;cheinlich traute &#x017F;ie mir,<lb/>
und ich habe ihr nur zu viel getraut. Es<lb/>
war ein &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;nes Ma&#x0364;dchen, eine Ro&#x0364;merin,<lb/>
die uns lange zum Modell ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hatte. Sie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] die Deutſchen aus. Unter ihnen fand ich je- derzeit den hellſten Sinn, das treulichſte Be- ſtreben, und am meiſten innere Freyheit. Mein angeſtrengteſter Fleiß brachte mich in kurzem ſo weit, daß ich mit meinen Gefaͤhr- ten wetteifern konnte. Sobald meine Ge- maͤhlde verkaͤuflich waren, legte ich das Ge- werbe eines Cicerone voͤllig nieder, zeichnete und mahlte ununterbrochen. Um den Verkauf meiner Bilder, meiſtens Landſchaften, bekuͤm- merte ich mich eben ſo wenig, als um die An- wendung des geloͤſten Geldes. Das erſte be- forgten meine Freunde, und die Summen, die zu meiner wenig koſtbaren Lebensart vollkom- men ausreichten, haͤndigten ſie meiner Frau ein. — Jhrer Frau? rief Juliane erſtaunt; doch wahrſcheinlich bloß Jhrer Haushaͤlterin? — Nein, meiner Frau! — Wie? Sie ſind verheirathet? — Wirklich getraut? fragte Eduard. — Wahrſcheinlich traute ſie mir, und ich habe ihr nur zu viel getraut. Es war ein ſehr ſchoͤnes Maͤdchen, eine Roͤmerin, die uns lange zum Modell geſeſſen hatte. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/179
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/179>, abgerufen am 25.11.2024.