Das wäre ein sehr schönes und erbauliches Schauspiel, auch freute man sich schon, die hei- ligen Reden des vortrefflichen Priors zu hö ren und seinen Segen zu erhalten. Sie nannte den wohlbekannten Namen des Priors, und mein ganzer Eifer entbrannte aufs neue. Man- fredi eilte, seine Austräge zu besorgen, ich in die Kirche des Klosters.
Es war noch sehr früh, das Volk versammelte sich allmählich, mir ward die Zeit lang. Jch ging wieder hinaus, um mir den nächsten Gang nach dem Garten, und durch denselben nach der Mauer, recht zu merken. Jn der Thür begegnete mir meine alte Wärterin; ich wandte mich von ihr, um mich zu verbergen, sie hatte mich aber schon erkannt und guckte mich scharf an. "Mein Jesus! sind Sie wahrhaftig hier; kommen Sie nur gleich mit mir zum Fräulein, sie er- wartet Sie schon, folgen Sie mir nur. Ei, ei, Sie sind wirklich gekommen!" Jhre Anrede befremdete mich, ich suchte sie so vorsichtig als möglich auszuforschen, sie wußte aber nichts weiter, konnte mir auf keine Frage antworten,
Das waͤre ein ſehr ſchoͤnes und erbauliches Schauſpiel, auch freute man ſich ſchon, die hei- ligen Reden des vortrefflichen Priors zu hoͤ ren und ſeinen Segen zu erhalten. Sie nannte den wohlbekannten Namen des Priors, und mein ganzer Eifer entbrannte aufs neue. Man- fredi eilte, ſeine Auſtraͤge zu beſorgen, ich in die Kirche des Kloſters.
Es war noch ſehr fruͤh, das Volk verſammelte ſich allmaͤhlich, mir ward die Zeit lang. Jch ging wieder hinaus, um mir den naͤchſten Gang nach dem Garten, und durch denſelben nach der Mauer, recht zu merken. Jn der Thuͤr begegnete mir meine alte Waͤrterin; ich wandte mich von ihr, um mich zu verbergen, ſie hatte mich aber ſchon erkannt und guckte mich ſcharf an. „Mein Jeſus! ſind Sie wahrhaftig hier; kommen Sie nur gleich mit mir zum Fraͤulein, ſie er- wartet Sie ſchon, folgen Sie mir nur. Ei, ei, Sie ſind wirklich gekommen!‟ Jhre Anrede befremdete mich, ich ſuchte ſie ſo vorſichtig als moͤglich auszuforſchen, ſie wußte aber nichts weiter, konnte mir auf keine Frage antworten,
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Das waͤre ein ſehr ſchoͤnes und erbauliches
Schauſpiel, auch freute man ſich ſchon, die hei-
ligen Reden des vortrefflichen Priors zu hoͤ
ren und ſeinen Segen zu erhalten. Sie nannte
den wohlbekannten Namen des Priors, und
mein ganzer Eifer entbrannte aufs neue. Man-
fredi eilte, ſeine Auſtraͤge zu beſorgen, ich in
die Kirche des Kloſters.
Es war noch ſehr fruͤh, das Volk verſammelte
ſich allmaͤhlich, mir ward die Zeit lang. Jch ging
wieder hinaus, um mir den naͤchſten Gang nach
dem Garten, und durch denſelben nach der Mauer,
recht zu merken. Jn der Thuͤr begegnete mir meine
alte Waͤrterin; ich wandte mich von ihr, um
mich zu verbergen, ſie hatte mich aber ſchon
erkannt und guckte mich ſcharf an. „Mein
Jeſus! ſind Sie wahrhaftig hier; kommen
Sie nur gleich mit mir zum Fraͤulein, ſie er-
wartet Sie ſchon, folgen Sie mir nur. Ei, ei,
Sie ſind wirklich gekommen!‟ Jhre Anrede
befremdete mich, ich ſuchte ſie ſo vorſichtig als
moͤglich auszuforſchen, ſie wußte aber nichts
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/149>, abgerufen am 29.11.2024.
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