stand still, legte seine beyden Hände an den Kopf des Pferdes und blickte es ernsthaft an. -- "Laß dich umarmen Schimmel, sag- te er, du bist ein königliches Thier! ein Thier für Könige! Was fehlt uns beyden, um in der Geschichte verewigt zu werden, du als ein Muster der Treue und Unterwür- figkeit, ich als ein Beyspiel von menscheu- freundlicher Herablassung, als daß ich einen Thron besäße, und du wärest mein Unter- than? Gewiß bist du ganz verwundert und froh, und ohne Zweifel fühlst du dich über- aus glücklich, gerade von mir und von nie- mand anders bis aus Ende deines treuen Le- bens geritten zu werden! Ahndest du etwa, daß ich deine Last bloß deswegen etwas leich- ter machte, damit du mir nicht völlig un- terlägst, und darüber zu Grunde gingest, ehe ich dich missen kann? Jch weiß es frey- lich, aber du sollst es nie erfahren, denn du sollst glücklich seyn; du sollst, verlaß dich auf meine Wachsamkeit, gewiß nie in dem klugen Glauben gestört werden, daß
ſtand ſtill, legte ſeine beyden Haͤnde an den Kopf des Pferdes und blickte es ernſthaft an. — „Laß dich umarmen Schimmel, ſag- te er, du biſt ein koͤnigliches Thier! ein Thier fuͤr Koͤnige! Was fehlt uns beyden, um in der Geſchichte verewigt zu werden, du als ein Muſter der Treue und Unterwuͤr- figkeit, ich als ein Beyſpiel von menſcheu- freundlicher Herablaſſung, als daß ich einen Thron beſaͤße, und du waͤreſt mein Unter- than? Gewiß biſt du ganz verwundert und froh, und ohne Zweifel fuͤhlſt du dich uͤber- aus gluͤcklich, gerade von mir und von nie- mand anders bis aus Ende deines treuen Le- bens geritten zu werden! Ahndeſt du etwa, daß ich deine Laſt bloß deswegen etwas leich- ter machte, damit du mir nicht voͤllig un- terlaͤgſt, und daruͤber zu Grunde gingeſt, ehe ich dich miſſen kann? Jch weiß es frey- lich, aber du ſollſt es nie erfahren, denn du ſollſt gluͤcklich ſeyn; du ſollſt, verlaß dich auf meine Wachſamkeit, gewiß nie in dem klugen Glauben geſtoͤrt werden, daß
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ſtand ſtill, legte ſeine beyden Haͤnde an den
Kopf des Pferdes und blickte es ernſthaft
an. — „Laß dich umarmen Schimmel, ſag-
te er, du biſt ein koͤnigliches Thier! ein
Thier fuͤr Koͤnige! Was fehlt uns beyden,
um in der Geſchichte verewigt zu werden,
du als ein Muſter der Treue und Unterwuͤr-
figkeit, ich als ein Beyſpiel von menſcheu-
freundlicher Herablaſſung, als daß ich einen
Thron beſaͤße, und du waͤreſt mein Unter-
than? Gewiß biſt du ganz verwundert und
froh, und ohne Zweifel fuͤhlſt du dich uͤber-
aus gluͤcklich, gerade von mir und von nie-
mand anders bis aus Ende deines treuen Le-
bens geritten zu werden! Ahndeſt du etwa,
daß ich deine Laſt bloß deswegen etwas leich-
ter machte, damit du mir nicht voͤllig un-
terlaͤgſt, und daruͤber zu Grunde gingeſt,
ehe ich dich miſſen kann? Jch weiß es frey-
lich, aber du ſollſt es nie erfahren, denn
du ſollſt gluͤcklich ſeyn; du ſollſt, verlaß
dich auf meine Wachſamkeit, gewiß nie in
dem klugen Glauben geſtoͤrt werden, daß
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/14>, abgerufen am 23.11.2024.
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