Resultat aller Ueberlegungen und Unterredun- gen war, daß ich nach einer nicht sehr entfern- ten großen Stadt, in die adeliche Militair- Schule daselbst geschickt ward, um mich dort in den nöthigen Uebungen geschickt zu machen, eh ich in Dienste treten konnte. Mein Hof- meister, auf den nicht der geringste Verdacht fiel, bekam die Versorgung nun noch früher, als er gehofft hatte, er tröstete sich also für meinen Verlust, und mir war es auch nichts geringes, ihn so auf gute Art los zu werden. Der Ab- schied ward mir leicht; meine arme Schwester grämte sich aber recht herzlich, daß ich mich von ihr trennen mußte. Das arme Kind war nun ganz den Menschen überlassen, die sich der Schwäche ihres Characters bedienten, um sie nach ihrer Willkühr zu lenken. Sie fühlte ihre Abhängigkeit, aber diese drückte sie nicht so wie mich; doch ich konnte es mir gar nicht denken, daß sie nicht eben so unzufrieden seyn müßte. Beym Abschied steckte ich ihr einen Zettel zu, ich rieth ihr darin mir zu schreiben, wenn ich ihr helfen sollte, ihre Hofmersterin
Reſultat aller Ueberlegungen und Unterredun- gen war, daß ich nach einer nicht ſehr entfern- ten großen Stadt, in die adeliche Militair- Schule daſelbſt geſchickt ward, um mich dort in den noͤthigen Uebungen geſchickt zu machen, eh ich in Dienſte treten konnte. Mein Hof- meiſter, auf den nicht der geringſte Verdacht fiel, bekam die Verſorgung nun noch fruͤher, als er gehofft hatte, er troͤſtete ſich alſo fuͤr meinen Verluſt, und mir war es auch nichts geringes, ihn ſo auf gute Art los zu werden. Der Ab- ſchied ward mir leicht; meine arme Schweſter graͤmte ſich aber recht herzlich, daß ich mich von ihr trennen mußte. Das arme Kind war nun ganz den Menſchen uͤberlaſſen, die ſich der Schwaͤche ihres Characters bedienten, um ſie nach ihrer Willkuͤhr zu lenken. Sie fuͤhlte ihre Abhaͤngigkeit, aber dieſe druͤckte ſie nicht ſo wie mich; doch ich konnte es mir gar nicht denken, daß ſie nicht eben ſo unzufrieden ſeyn muͤßte. Beym Abſchied ſteckte ich ihr einen Zettel zu, ich rieth ihr darin mir zu ſchreiben, wenn ich ihr helfen ſollte, ihre Hofmerſterin
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Reſultat aller Ueberlegungen und Unterredun-
gen war, daß ich nach einer nicht ſehr entfern-
ten großen Stadt, in die adeliche Militair-
Schule daſelbſt geſchickt ward, um mich dort
in den noͤthigen Uebungen geſchickt zu machen,
eh ich in Dienſte treten konnte. Mein Hof-
meiſter, auf den nicht der geringſte Verdacht
fiel, bekam die Verſorgung nun noch fruͤher, als
er gehofft hatte, er troͤſtete ſich alſo fuͤr meinen
Verluſt, und mir war es auch nichts geringes,
ihn ſo auf gute Art los zu werden. Der Ab-
ſchied ward mir leicht; meine arme Schweſter
graͤmte ſich aber recht herzlich, daß ich mich
von ihr trennen mußte. Das arme Kind war
nun ganz den Menſchen uͤberlaſſen, die ſich
der Schwaͤche ihres Characters bedienten, um
ſie nach ihrer Willkuͤhr zu lenken. Sie fuͤhlte
ihre Abhaͤngigkeit, aber dieſe druͤckte ſie nicht
ſo wie mich; doch ich konnte es mir gar nicht
denken, daß ſie nicht eben ſo unzufrieden ſeyn
muͤßte. Beym Abſchied ſteckte ich ihr einen
Zettel zu, ich rieth ihr darin mir zu ſchreiben,
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/135>, abgerufen am 27.11.2024.
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