Mit der größten Strenge hielt er mich an, mir Sachen einzuprägen, die ich, Gott sey Dank, in kürzerer Zeit vergaß, als ich zu ihrer Erlernung gebraucht hatte; zur Erho- lung wurde mir verstattet in den Legenden die Geschichte der Heiligen und Märtyrer zu lesen, deren Gemahlde an den Wanden hien- gen. Auch versuchte ich es oft, mit der Fe- der die Umrisse dieser Bilder nachzuahmen, welches mir immer gut gelang; mit einiger Anleitung hätte ich vielleicht ein Künstler werden können. Gewiß ist es aber, daß Kinder von lebhaftem Geiste gegen die Din- ge, wozu man ihnen durch frühe Gewöh- nung eine Neigung zu geben sucht, grade dadurch einen Widerwillen bekommen; nur auf schwache, furchtsame Gemüther vermag die Gewohnheit etwas. Der Abscheu gegen mein Leben und meine Bestimmung nahm mit jedem Tage zu, da alles, was mich umgab, mich bis zur Ermüdung darauf hinwieß. Freywillig und lebensmüde hätte ich sie viel- leicht einst selbst gewählt.
Mit der groͤßten Strenge hielt er mich an, mir Sachen einzupraͤgen, die ich, Gott ſey Dank, in kuͤrzerer Zeit vergaß, als ich zu ihrer Erlernung gebraucht hatte; zur Erho- lung wurde mir verſtattet in den Legenden die Geſchichte der Heiligen und Maͤrtyrer zu leſen, deren Gemahlde an den Wanden hien- gen. Auch verſuchte ich es oft, mit der Fe- der die Umriſſe dieſer Bilder nachzuahmen, welches mir immer gut gelang; mit einiger Anleitung haͤtte ich vielleicht ein Kuͤnſtler werden koͤnnen. Gewiß iſt es aber, daß Kinder von lebhaftem Geiſte gegen die Din- ge, wozu man ihnen durch fruͤhe Gewoͤh- nung eine Neigung zu geben ſucht, grade dadurch einen Widerwillen bekommen; nur auf ſchwache, furchtſame Gemuͤther vermag die Gewohnheit etwas. Der Abſcheu gegen mein Leben und meine Beſtimmung nahm mit jedem Tage zu, da alles, was mich umgab, mich bis zur Ermuͤdung darauf hinwieß. Freywillig und lebensmuͤde haͤtte ich ſie viel- leicht einſt ſelbſt gewaͤhlt.
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Mit der groͤßten Strenge hielt er mich an,
mir Sachen einzupraͤgen, die ich, Gott ſey
Dank, in kuͤrzerer Zeit vergaß, als ich zu
ihrer Erlernung gebraucht hatte; zur Erho-
lung wurde mir verſtattet in den Legenden
die Geſchichte der Heiligen und Maͤrtyrer zu
leſen, deren Gemahlde an den Wanden hien-
gen. Auch verſuchte ich es oft, mit der Fe-
der die Umriſſe dieſer Bilder nachzuahmen,
welches mir immer gut gelang; mit einiger
Anleitung haͤtte ich vielleicht ein Kuͤnſtler
werden koͤnnen. Gewiß iſt es aber, daß
Kinder von lebhaftem Geiſte gegen die Din-
ge, wozu man ihnen durch fruͤhe Gewoͤh-
nung eine Neigung zu geben ſucht, grade
dadurch einen Widerwillen bekommen; nur
auf ſchwache, furchtſame Gemuͤther vermag die
Gewohnheit etwas. Der Abſcheu gegen mein
Leben und meine Beſtimmung nahm mit
jedem Tage zu, da alles, was mich umgab,
mich bis zur Ermuͤdung darauf hinwieß.
Freywillig und lebensmuͤde haͤtte ich ſie viel-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/112>, abgerufen am 25.11.2024.
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