Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

das meine Mutter mit einer Protektions-
miene zu ihm sprach, so furchtsam und un-
geschickt. Mir entging nichts von dem allen,
meinen Widerwillen wußte ich aber erst spä-
ter zu erklären. Er ward mir als mein Hof-
meister bekannt gemacht, und zu gleicher
Zeit sagte meine Mutter zu meiner guten
Wärterin, sie wäre von nun an die Hof-
meisterin meiner Schwester, die unter ihrer
unmittelbaren Aufsicht stehen sollte. Jch be-
neidete meine Schwester, ich wäre so gern
bey meiner Wärterin geblieben. Es erfolgte
jetzt ein förmliches Abschiednehmen; meine
Mutter küßte mich, und führte mich zum
Prior, der mir seinen Segen gab, meine
Schwester ward weinend von mir getrennt,
der Hofmeister empfing mich aus den Hän-
den des Priors, der ihm Wachsamkeit und
Fleiß empfahl. Er führte mich fort, ich
folgte ihm halb todt vor Entsetzen und ban-
gem Erwarten. Es war der Anfang einer
unglücklichen Reihe von Jahren, der ich
entgegenging.

das meine Mutter mit einer Protektions-
miene zu ihm ſprach, ſo furchtſam und un-
geſchickt. Mir entging nichts von dem allen,
meinen Widerwillen wußte ich aber erſt ſpaͤ-
ter zu erklaͤren. Er ward mir als mein Hof-
meiſter bekannt gemacht, und zu gleicher
Zeit ſagte meine Mutter zu meiner guten
Waͤrterin, ſie waͤre von nun an die Hof-
meiſterin meiner Schweſter, die unter ihrer
unmittelbaren Aufſicht ſtehen ſollte. Jch be-
neidete meine Schweſter, ich waͤre ſo gern
bey meiner Waͤrterin geblieben. Es erfolgte
jetzt ein foͤrmliches Abſchiednehmen; meine
Mutter kuͤßte mich, und fuͤhrte mich zum
Prior, der mir ſeinen Segen gab, meine
Schweſter ward weinend von mir getrennt,
der Hofmeiſter empfing mich aus den Haͤn-
den des Priors, der ihm Wachſamkeit und
Fleiß empfahl. Er fuͤhrte mich fort, ich
folgte ihm halb todt vor Entſetzen und ban-
gem Erwarten. Es war der Anfang einer
ungluͤcklichen Reihe von Jahren, der ich
entgegenging.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0104" n="96"/>
das meine Mutter mit einer Protektions-<lb/>
miene zu ihm &#x017F;prach, &#x017F;o furcht&#x017F;am und un-<lb/>
ge&#x017F;chickt. Mir entging nichts von dem allen,<lb/>
meinen Widerwillen wußte ich aber er&#x017F;t &#x017F;pa&#x0364;-<lb/>
ter zu erkla&#x0364;ren. Er ward mir als mein Hof-<lb/>
mei&#x017F;ter bekannt gemacht, und zu gleicher<lb/>
Zeit &#x017F;agte meine Mutter zu meiner guten<lb/>
Wa&#x0364;rterin, &#x017F;ie wa&#x0364;re von nun an die Hof-<lb/>
mei&#x017F;terin meiner Schwe&#x017F;ter, die unter ihrer<lb/>
unmittelbaren Auf&#x017F;icht &#x017F;tehen &#x017F;ollte. Jch be-<lb/>
neidete meine Schwe&#x017F;ter, ich wa&#x0364;re &#x017F;o gern<lb/>
bey meiner Wa&#x0364;rterin geblieben. Es erfolgte<lb/>
jetzt ein fo&#x0364;rmliches Ab&#x017F;chiednehmen; meine<lb/>
Mutter ku&#x0364;ßte mich, und fu&#x0364;hrte mich zum<lb/>
Prior, der mir &#x017F;einen Segen gab, meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter ward weinend von mir getrennt,<lb/>
der Hofmei&#x017F;ter empfing mich aus den Ha&#x0364;n-<lb/>
den des Priors, der ihm Wach&#x017F;amkeit und<lb/>
Fleiß empfahl. Er fu&#x0364;hrte mich fort, ich<lb/>
folgte ihm halb todt vor Ent&#x017F;etzen und ban-<lb/>
gem Erwarten. Es war der Anfang einer<lb/>
unglu&#x0364;cklichen Reihe von Jahren, der ich<lb/>
entgegenging.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0104] das meine Mutter mit einer Protektions- miene zu ihm ſprach, ſo furchtſam und un- geſchickt. Mir entging nichts von dem allen, meinen Widerwillen wußte ich aber erſt ſpaͤ- ter zu erklaͤren. Er ward mir als mein Hof- meiſter bekannt gemacht, und zu gleicher Zeit ſagte meine Mutter zu meiner guten Waͤrterin, ſie waͤre von nun an die Hof- meiſterin meiner Schweſter, die unter ihrer unmittelbaren Aufſicht ſtehen ſollte. Jch be- neidete meine Schweſter, ich waͤre ſo gern bey meiner Waͤrterin geblieben. Es erfolgte jetzt ein foͤrmliches Abſchiednehmen; meine Mutter kuͤßte mich, und fuͤhrte mich zum Prior, der mir ſeinen Segen gab, meine Schweſter ward weinend von mir getrennt, der Hofmeiſter empfing mich aus den Haͤn- den des Priors, der ihm Wachſamkeit und Fleiß empfahl. Er fuͤhrte mich fort, ich folgte ihm halb todt vor Entſetzen und ban- gem Erwarten. Es war der Anfang einer ungluͤcklichen Reihe von Jahren, der ich entgegenging.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/104
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/104>, abgerufen am 25.11.2024.