Zeit sey, mir die Erziehung meiner künfti- gen Bestimmung zu geben, und mich in die nothwendige Lebensart einzuführen. Meine Mutter bat ihn aber, ihr die Gesellschaft ihrer Kinder noch nicht zu nehmen, sie wür- de alles versäumte wieder nachholen. Ohne daß ich den Sinn dieser Worte verstand, ängstigten sie mich mit trauriger Ahndung, die auch sehr bald erfüllt ward. Meine Mut- ter ward immer ernster und trüber, und bald auch strenger gegen uns. Anstatt unsrer ge- wöhnlichen zierlichen leichten Kleidung gab man uns häßliche Kleider von grobem Zeuge, mit klösterlichem Schnitt, und das während derselben Tage, da ich die Freude hatte, daß man die schwarzen Vorhänge aus dem Zimmer meiner Mutter nahm. Die hellen Teppiche kamen nun zum Vorschein, die prächtig vergoldeten Zierrathen glänzten mir entgegen, ich war voller Freude über diese Herrlichkeiten; und nun mußte ich diese Klei- dung anlegen, die mir schon an den Mön- chen, die ich gesehen hatte, so widerlich war.
Zeit ſey, mir die Erziehung meiner kuͤnfti- gen Beſtimmung zu geben, und mich in die nothwendige Lebensart einzufuͤhren. Meine Mutter bat ihn aber, ihr die Geſellſchaft ihrer Kinder noch nicht zu nehmen, ſie wuͤr- de alles verſaͤumte wieder nachholen. Ohne daß ich den Sinn dieſer Worte verſtand, aͤngſtigten ſie mich mit trauriger Ahndung, die auch ſehr bald erfuͤllt ward. Meine Mut- ter ward immer ernſter und truͤber, und bald auch ſtrenger gegen uns. Anſtatt unſrer ge- woͤhnlichen zierlichen leichten Kleidung gab man uns haͤßliche Kleider von grobem Zeuge, mit kloͤſterlichem Schnitt, und das waͤhrend derſelben Tage, da ich die Freude hatte, daß man die ſchwarzen Vorhaͤnge aus dem Zimmer meiner Mutter nahm. Die hellen Teppiche kamen nun zum Vorſchein, die praͤchtig vergoldeten Zierrathen glaͤnzten mir entgegen, ich war voller Freude uͤber dieſe Herrlichkeiten; und nun mußte ich dieſe Klei- dung anlegen, die mir ſchon an den Moͤn- chen, die ich geſehen hatte, ſo widerlich war.
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Zeit ſey, mir die Erziehung meiner kuͤnfti-
gen Beſtimmung zu geben, und mich in die
nothwendige Lebensart einzufuͤhren. Meine
Mutter bat ihn aber, ihr die Geſellſchaft
ihrer Kinder noch nicht zu nehmen, ſie wuͤr-
de alles verſaͤumte wieder nachholen. Ohne
daß ich den Sinn dieſer Worte verſtand,
aͤngſtigten ſie mich mit trauriger Ahndung,
die auch ſehr bald erfuͤllt ward. Meine Mut-
ter ward immer ernſter und truͤber, und bald
auch ſtrenger gegen uns. Anſtatt unſrer ge-
woͤhnlichen zierlichen leichten Kleidung gab
man uns haͤßliche Kleider von grobem Zeuge,
mit kloͤſterlichem Schnitt, und das waͤhrend
derſelben Tage, da ich die Freude hatte,
daß man die ſchwarzen Vorhaͤnge aus dem
Zimmer meiner Mutter nahm. Die hellen
Teppiche kamen nun zum Vorſchein, die
praͤchtig vergoldeten Zierrathen glaͤnzten mir
entgegen, ich war voller Freude uͤber dieſe
Herrlichkeiten; und nun mußte ich dieſe Klei-
dung anlegen, die mir ſchon an den Moͤn-
chen, die ich geſehen hatte, ſo widerlich war.
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/102>, abgerufen am 24.11.2024.
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