Sie wohl, Prinzeß, daß man hier nicht mit langen Ärmeln herkommen kann? Die junge Fürstin fußt sich aber, und sagt gleich: Ich thue alles nach den Befehlen meiner Großmutter, und so hab' ich auch angezogen, was sie mir befohlen. -- Ich sehe meine Schwester noch, -- fuhr die Herzogin erzäh- lend fort, -- sie hatte ein blauseiden Kleid mit spitzen Är- meln an, wie man sie damals nannte" -- (Ich wußte dieses auch, und bejahte es mit einem Blick) -- "mit schwar- zen Perlen, wahrscheinlich Schmelz -- gestickt. Aber es machte doch einen Eindruck auf meine Schwester, so jung sie war! Sie ist auch nicht wieder dort gewesen." Frau Goethe ver- nahm den Vorfall mit großem Unmuth, und sprach lebhaft für ihr Prinzeßchen. Frau von Guttenhofen war auch gar nicht Oberhofmeisterin, sie fühlte sich nur als solche. Ich habe eine Dame, die am Hofe des Königs von Westphalen eben so geschaltet hatte, aber schon längst aus diesen Verhält- nissen geschieden war, an ganz fremdem Orte sich ähnliches herausnehmen sehen, und der obige Zug befremdete mich da- her weniger, als ihn die Herzogin erzählte. Späterhin, so fuhr die Erzählung fort, war unsre Königin mit der Herzogin zusammen in Wilhelmsbad, wohin auch Frau Rath Goethe aus Frankfurt eingeladen wurde; die dann mit der Königin in den Brunnensaal hinabging, und dort neben ihr saß, wäh- rend aller Welt Menschen sich einfanden, und ihre Huldigun- gen darbrachten. Frau Goethe hörte nicht auf, nach den ihr unbekannten Personen zu fragen: "Wer ist die? Wer ist das?" und wie sie wieder nach dem Namen einer Dame fragt,
Sie wohl, Prinzeß, daß man hier nicht mit langen Ärmeln herkommen kann? Die junge Fürſtin fußt ſich aber, und ſagt gleich: Ich thue alles nach den Befehlen meiner Großmutter, und ſo hab’ ich auch angezogen, was ſie mir befohlen. — Ich ſehe meine Schweſter noch, — fuhr die Herzogin erzäh- lend fort, — ſie hatte ein blauſeiden Kleid mit ſpitzen Är- meln an, wie man ſie damals nannte“ — (Ich wußte dieſes auch, und bejahte es mit einem Blick) — „mit ſchwar- zen Perlen, wahrſcheinlich Schmelz — geſtickt. Aber es machte doch einen Eindruck auf meine Schweſter, ſo jung ſie war! Sie iſt auch nicht wieder dort geweſen.“ Frau Goethe ver- nahm den Vorfall mit großem Unmuth, und ſprach lebhaft für ihr Prinzeßchen. Frau von Guttenhofen war auch gar nicht Oberhofmeiſterin, ſie fühlte ſich nur als ſolche. Ich habe eine Dame, die am Hofe des Königs von Weſtphalen eben ſo geſchaltet hatte, aber ſchon längſt aus dieſen Verhält- niſſen geſchieden war, an ganz fremdem Orte ſich ähnliches herausnehmen ſehen, und der obige Zug befremdete mich da- her weniger, als ihn die Herzogin erzählte. Späterhin, ſo fuhr die Erzählung fort, war unſre Königin mit der Herzogin zuſammen in Wilhelmsbad, wohin auch Frau Rath Goethe aus Frankfurt eingeladen wurde; die dann mit der Königin in den Brunnenſaal hinabging, und dort neben ihr ſaß, wäh- rend aller Welt Menſchen ſich einfanden, und ihre Huldigun- gen darbrachten. Frau Goethe hörte nicht auf, nach den ihr unbekannten Perſonen zu fragen: „Wer iſt die? Wer iſt das?“ und wie ſie wieder nach dem Namen einer Dame fragt,
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Sie wohl, Prinzeß, daß man hier nicht mit langen Ärmeln
herkommen kann? Die junge Fürſtin fußt ſich aber, und ſagt
gleich: Ich thue alles nach den Befehlen meiner Großmutter,
und ſo hab’ ich auch angezogen, was ſie mir befohlen. —
Ich ſehe meine Schweſter noch, — fuhr die Herzogin erzäh-
lend fort, — ſie hatte ein blauſeiden Kleid mit ſpitzen Är-
meln an, wie man ſie damals nannte“ — (Ich wußte
dieſes auch, und bejahte es mit einem Blick) — „mit ſchwar-
zen Perlen, wahrſcheinlich Schmelz — geſtickt. Aber es machte
doch einen Eindruck auf meine Schweſter, ſo jung ſie war!
Sie iſt auch nicht wieder dort geweſen.“ Frau Goethe ver-
nahm den Vorfall mit großem Unmuth, und ſprach lebhaft
für ihr Prinzeßchen. Frau von Guttenhofen war auch gar
nicht Oberhofmeiſterin, ſie fühlte ſich nur als ſolche. Ich
habe eine Dame, die am Hofe des Königs von Weſtphalen
eben ſo geſchaltet hatte, aber ſchon längſt aus dieſen Verhält-
niſſen geſchieden war, an ganz fremdem Orte ſich ähnliches
herausnehmen ſehen, und der obige Zug befremdete mich da-
her weniger, als ihn die Herzogin erzählte. Späterhin, ſo
fuhr die Erzählung fort, war unſre Königin mit der Herzogin
zuſammen in Wilhelmsbad, wohin auch Frau Rath Goethe
aus Frankfurt eingeladen wurde; die dann mit der Königin
in den Brunnenſaal hinabging, und dort neben ihr ſaß, wäh-
rend aller Welt Menſchen ſich einfanden, und ihre Huldigun-
gen darbrachten. Frau Goethe hörte nicht auf, nach den ihr
unbekannten Perſonen zu fragen: „Wer iſt die? Wer iſt
das?“ und wie ſie wieder nach dem Namen einer Dame fragt,
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/79>, abgerufen am 25.11.2024.
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