feindliche Weihnachten naht. -- Wäre es nicht so dunstig und ma sante si chancelante, so besuchte ich Sie diesen Mor- gen. Ich habe Fanny noch nicht gesehen. --
An die Fürstin von Pückler-Muskau.
Sonnabend, den 8. December 1832.
Als ich gestern vor dem Hause Ihrer Durchlaucht war, um meinen stäten ergebenen Willen zu zeigen, mußte ich einen schönen Schreck einnehmen! -- Ich bin sehr über Fürst Caro- laths ernsteres Unwohlsein betreten! und bitte, mich wissen zu lassen, wie es ihm heute geht. -- Ich -- habe, ohne einen Fehler begangen zu haben, eine Höllennacht durchlebt. -- Als ich gestern Mittag zu Hause kam, fand ich die gütigen Zei- len von Ihnen, liebe Fürstin; warum geht's uns denn so! Varnh. liegt auch krank zu Bette. Aber wir sind verdammt -- wir besonders, die wir nicht darin geboren waren -- in einer Nebelwolke zu leben: und dazu sind wirklich unsre Or- gane nicht eingerichtet. Ich will doch ausfahren: meine Ne[-] ven bedürfen es: ich könnte überhaupt komplette Fabeln vo[n] meinen Zuständen erzählen. Fahren Sie auch aus, liebe Für- stin! und so bald es geht, zu mir. Abends sind doch jedes- mal bei mir einige anzuhörende Menschen zu finden. Vor- gestern sogar Mad. Milder sehr schön! Fein organisirte Menschen müssen Zerstreuung haben; andre Occupation als sich selbst, für ihre Nerven. -- Ich bin nicht mehr allein. -- Gott schütze Sie! --
feindliche Weihnachten naht. — Wäre es nicht ſo dunſtig und ma santé si chancelante, ſo beſuchte ich Sie dieſen Mor- gen. Ich habe Fanny noch nicht geſehen. —
An die Fürſtin von Pückler-Muskau.
Sonnabend, den 8. December 1832.
Als ich geſtern vor dem Hauſe Ihrer Durchlaucht war, um meinen ſtäten ergebenen Willen zu zeigen, mußte ich einen ſchönen Schreck einnehmen! — Ich bin ſehr über Fürſt Caro- laths ernſteres Unwohlſein betreten! und bitte, mich wiſſen zu laſſen, wie es ihm heute geht. — Ich — habe, ohne einen Fehler begangen zu haben, eine Höllennacht durchlebt. — Als ich geſtern Mittag zu Hauſe kam, fand ich die gütigen Zei- len von Ihnen, liebe Fürſtin; warum geht’s uns denn ſo! Varnh. liegt auch krank zu Bette. Aber wir ſind verdammt — wir beſonders, die wir nicht darin geboren waren — in einer Nebelwolke zu leben: und dazu ſind wirklich unſre Or- gane nicht eingerichtet. Ich will doch ausfahren: meine Ne[-] ven bedürfen es: ich könnte überhaupt komplette Fabeln vo[n] meinen Zuſtänden erzählen. Fahren Sie auch aus, liebe Für- ſtin! und ſo bald es geht, zu mir. Abends ſind doch jedes- mal bei mir einige anzuhörende Menſchen zu finden. Vor- geſtern ſogar Mad. Milder ſehr ſchön! Fein organiſirte Menſchen müſſen Zerſtreuung haben; andre Occupation als ſich ſelbſt, für ihre Nerven. — Ich bin nicht mehr allein. — Gott ſchütze Sie! —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0596"n="588"/>
feindliche Weihnachten naht. — Wäre es nicht ſo dunſtig<lb/>
und <hirendition="#aq">ma santé si chancelante,</hi>ſo beſuchte ich Sie dieſen Mor-<lb/>
gen. Ich habe Fanny <hirendition="#g">noch</hi> nicht geſehen. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An die Fürſtin von Pückler-Muskau.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Sonnabend, den 8. December 1832.</hi></dateline><lb/><p>Als ich geſtern vor dem Hauſe Ihrer Durchlaucht war,<lb/>
um meinen ſtäten ergebenen Willen zu zeigen, mußte ich einen<lb/>ſchönen Schreck einnehmen! — Ich bin ſehr über Fürſt Caro-<lb/>
laths ernſteres Unwohlſein betreten! und bitte, mich wiſſen<lb/>
zu laſſen, wie es ihm heute geht. —<hirendition="#g">Ich</hi>— habe, ohne einen<lb/>
Fehler begangen zu haben, eine Höllennacht durchlebt. — Als<lb/>
ich geſtern Mittag zu Hauſe kam, fand ich die gütigen Zei-<lb/>
len von Ihnen, liebe Fürſtin; warum geht’s uns denn ſo!<lb/>
Varnh. liegt auch krank zu Bette. Aber wir ſind verdammt<lb/>— wir beſonders, die wir nicht darin <hirendition="#g">geboren</hi> waren — in<lb/>
einer Nebelwolke zu leben: und dazu ſind wirklich unſre Or-<lb/>
gane nicht eingerichtet. Ich will doch ausfahren: meine Ne<supplied>-</supplied><lb/>
ven bedürfen es: ich könnte überhaupt komplette Fabeln vo<supplied>n</supplied><lb/>
meinen Zuſtänden erzählen. Fahren Sie auch aus, liebe Für-<lb/>ſtin! und ſo bald es geht, zu mir. Abends ſind doch jedes-<lb/>
mal bei mir einige anzuhörende Menſchen zu finden. Vor-<lb/>
geſtern ſogar Mad. Milder ſehr ſchön! Fein organiſirte<lb/>
Menſchen müſſen Zerſtreuung haben; andre Occupation als<lb/>ſich ſelbſt, für ihre Nerven. — Ich bin nicht mehr allein. —<lb/>
Gott ſchütze Sie! —</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[588/0596]
feindliche Weihnachten naht. — Wäre es nicht ſo dunſtig
und ma santé si chancelante, ſo beſuchte ich Sie dieſen Mor-
gen. Ich habe Fanny noch nicht geſehen. —
An die Fürſtin von Pückler-Muskau.
Sonnabend, den 8. December 1832.
Als ich geſtern vor dem Hauſe Ihrer Durchlaucht war,
um meinen ſtäten ergebenen Willen zu zeigen, mußte ich einen
ſchönen Schreck einnehmen! — Ich bin ſehr über Fürſt Caro-
laths ernſteres Unwohlſein betreten! und bitte, mich wiſſen
zu laſſen, wie es ihm heute geht. — Ich — habe, ohne einen
Fehler begangen zu haben, eine Höllennacht durchlebt. — Als
ich geſtern Mittag zu Hauſe kam, fand ich die gütigen Zei-
len von Ihnen, liebe Fürſtin; warum geht’s uns denn ſo!
Varnh. liegt auch krank zu Bette. Aber wir ſind verdammt
— wir beſonders, die wir nicht darin geboren waren — in
einer Nebelwolke zu leben: und dazu ſind wirklich unſre Or-
gane nicht eingerichtet. Ich will doch ausfahren: meine Ne-
ven bedürfen es: ich könnte überhaupt komplette Fabeln von
meinen Zuſtänden erzählen. Fahren Sie auch aus, liebe Für-
ſtin! und ſo bald es geht, zu mir. Abends ſind doch jedes-
mal bei mir einige anzuhörende Menſchen zu finden. Vor-
geſtern ſogar Mad. Milder ſehr ſchön! Fein organiſirte
Menſchen müſſen Zerſtreuung haben; andre Occupation als
ſich ſelbſt, für ihre Nerven. — Ich bin nicht mehr allein. —
Gott ſchütze Sie! —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/596>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.