ren Jahren fahre ich nur nach Schöneberg spaziren: und je- desmal begrüße ich laut Ihr Haus. Meine Klein-Nichtchen kennen es schon. "Frau von Ephraim ihr Haus" sage ich, vielleicht zum Erstaunen der Andern. Es ist ein Gruß, ein Segen, ein Andenken! Nie sehe ich einen ausgezeichneten Baum allein; immer laut mit Ihnen. Welcher Verlust, von seinen eigenschaftsvollen Freunden getrennt zu sein! Wo ist Dienstfertigkeit, Kinderbescheidenheit, Einsicht, ewige sonnen- blickende, alles belebende, ermunternde Laune, die keines Witzes bedürfte, und ihn nur ewig bei Ihnen von sich zu werfen hat; wo ist Feinheit, altadlige Artigkeit, Betragen zu und für alle Menschengattungen, Wirthlichkeit in größter Eleganz? Wo ist eine Ephraim, seit Sie weg sind? und tausend Ge- spräche, die ich nur mit Ihnen haben konnte: dieser Blick- und Wortwechsel! Ach mit jedem entfernten Freund geht ein Stück Leben von uns selbst weg! Ich habe zu viele, zu herrliche, durch Tod und Trennung verloren! Fast stehe ich, rauhem, fremdem Wind ausgesetzt, entblättert da. Gott soll aber meine Klagen nicht heimsuchen; und mir den Rest lassen!!!! Ich hörte genau von Marianen, wie schön es in Wien bei Ihnen ist: und dies versüßte mir mein Leben hier. Es ist ein Glück, mit einer vortrefflichen Tochter als Mann und Frau zu leben! Mögen Sie's Beide allseitig erwägen, und schätzen! Dabei, daß Sie es tief und glücklichst empfinden. Aber wie machen wir's, daß wir uns sehn? ein Stück zu- sammenleben? Haben die witzigen Dämonen nicht nun die Cholera erfunden; als Contrecoup gegen Chaussee, Dampf und Eisenbahn? Konnte man vorigen Sommer weg, kann
ren Jahren fahre ich nur nach Schöneberg ſpaziren: und je- desmal begrüße ich laut Ihr Haus. Meine Klein-Nichtchen kennen es ſchon. „Frau von Ephraim ihr Haus“ ſage ich, vielleicht zum Erſtaunen der Andern. Es iſt ein Gruß, ein Segen, ein Andenken! Nie ſehe ich einen ausgezeichneten Baum allein; immer laut mit Ihnen. Welcher Verluſt, von ſeinen eigenſchaftsvollen Freunden getrennt zu ſein! Wo iſt Dienſtfertigkeit, Kinderbeſcheidenheit, Einſicht, ewige ſonnen- blickende, alles belebende, ermunternde Laune, die keines Witzes bedürfte, und ihn nur ewig bei Ihnen von ſich zu werfen hat; wo iſt Feinheit, altadlige Artigkeit, Betragen zu und für alle Menſchengattungen, Wirthlichkeit in größter Eleganz? Wo iſt eine Ephraim, ſeit Sie weg ſind? und tauſend Ge- ſpräche, die ich nur mit Ihnen haben konnte: dieſer Blick- und Wortwechſel! Ach mit jedem entfernten Freund geht ein Stück Leben von uns ſelbſt weg! Ich habe zu viele, zu herrliche, durch Tod und Trennung verloren! Faſt ſtehe ich, rauhem, fremdem Wind ausgeſetzt, entblättert da. Gott ſoll aber meine Klagen nicht heimſuchen; und mir den Reſt laſſen!!!! Ich hörte genau von Marianen, wie ſchön es in Wien bei Ihnen iſt: und dies verſüßte mir mein Leben hier. Es iſt ein Glück, mit einer vortrefflichen Tochter als Mann und Frau zu leben! Mögen Sie’s Beide allſeitig erwägen, und ſchätzen! Dabei, daß Sie es tief und glücklichſt empfinden. Aber wie machen wir’s, daß wir uns ſehn? ein Stück zu- ſammenleben? Haben die witzigen Dämonen nicht nun die Cholera erfunden; als Contrecoup gegen Chauſſee, Dampf und Eiſenbahn? Konnte man vorigen Sommer weg, kann
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ren Jahren fahre ich nur nach Schöneberg ſpaziren: und je-
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vielleicht zum Erſtaunen der Andern. Es iſt ein Gruß, ein
Segen, ein Andenken! Nie ſehe ich einen ausgezeichneten
Baum allein; immer laut mit Ihnen. Welcher Verluſt, von
ſeinen eigenſchaftsvollen Freunden getrennt zu ſein! Wo iſt
Dienſtfertigkeit, Kinderbeſcheidenheit, Einſicht, ewige ſonnen-
blickende, alles belebende, ermunternde Laune, die keines Witzes
bedürfte, und ihn nur ewig bei Ihnen von ſich zu werfen
hat; wo iſt Feinheit, altadlige Artigkeit, Betragen zu und
für alle Menſchengattungen, Wirthlichkeit in größter Eleganz?
Wo iſt eine Ephraim, ſeit Sie weg ſind? und tauſend Ge-
ſpräche, die ich nur mit Ihnen haben konnte: dieſer Blick-
und Wortwechſel! Ach mit jedem entfernten Freund geht ein
Stück Leben von uns ſelbſt weg! Ich habe zu viele, zu
herrliche, durch Tod und Trennung verloren! Faſt ſtehe ich,
rauhem, fremdem Wind ausgeſetzt, entblättert da. Gott ſoll
aber meine Klagen nicht heimſuchen; und mir den Reſt laſſen!!!!
Ich hörte genau von Marianen, wie ſchön es in Wien bei
Ihnen iſt: und dies verſüßte mir mein Leben hier. Es iſt
ein Glück, mit einer vortrefflichen Tochter als Mann und
Frau zu leben! Mögen Sie’s Beide allſeitig erwägen, und
ſchätzen! Dabei, daß Sie es tief und glücklichſt empfinden.
Aber wie machen wir’s, daß wir uns ſehn? ein Stück zu-
ſammenleben? Haben die witzigen Dämonen nicht nun die
Cholera erfunden; als Contrecoup gegen Chauſſee, Dampf
und Eiſenbahn? Konnte man vorigen Sommer weg, kann
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/579>, abgerufen am 25.11.2024.
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