Mögen euch die Plagen erspart sein! die mich jetzt es von neuem, und tiefer lehrten: ja ihr möget sogar eine Alte be- lächlen, ihr grollen, wenn ihr nur verschont bleibt!!!
Jetzt nun lauter Diätreglen! Die Oder ward von ihr übersprungen, und die große Krankheit senkte sich auf unsre Spreestadt. Mache sich also jeder gefaßt! Obgleich ich das Konversationshaus in Baden für göttlich halte, und zwan- zigmal Tags Gott danke, mich einzig freue, daß ihr weg seid. Diät ist die Hauptsache. Nur, daß man nicht hungert, essen -- du lobst dies immer so -- nur Fleisch. Suppe, stärkeren Kaffee, Ingwer eingemachten, und rohen gerieben an Brühe. Kein Obst. Da es nur in Luftschichten liegt: -- sich Luft präparirt! Sonne in's Zimmer scheinen lassen; dann zu! Wenn sie Abends noch ganz verführerisch scheint, die Fenstern zu! Will man später noch Luft, Sternenluft: -- die mit Bernsteinrauch gemildert! Behutsam beim An- und Auszie- hen, keine Sorte Schweiß unterdrückt: sich verhalten, als wäre man krank: möglichst für seine Leute eben so sorgen, ihnen Essen zumessen; sich bei Gott alles von ihnen schwören lassen; ihnen Flanell auf den ganzen Vorderleib, Löschpapier auf Rücken und Fußsohlen geben. Ich allen Armen, die ich erreichen kann. Haben sie nichts anders, Schnäpse Wein mit gestoßenem Ingwer, eine Stunde nach dem Kaffee: nicht in Abend- und Morgenthau nüchtern ausgehen lassen. Tuch mit Essig vor Nase und Mund. Abends nur Suppe, sei sie von Brot, und etwas Ingwer. Kein frisches noch grobes Brot. Sauer Bier, Essig, Säuren -- der Tod. Nicht Schäuern er- lauben; ein Mädchen starb eine Stunde drauf. Nicht früh
Mögen euch die Plagen erſpart ſein! die mich jetzt es von neuem, und tiefer lehrten: ja ihr möget ſogar eine Alte be- lächlen, ihr grollen, wenn ihr nur verſchont bleibt!!!
Jetzt nun lauter Diätreglen! Die Oder ward von ihr überſprungen, und die große Krankheit ſenkte ſich auf unſre Spreeſtadt. Mache ſich alſo jeder gefaßt! Obgleich ich das Konverſationshaus in Baden für göttlich halte, und zwan- zigmal Tags Gott danke, mich einzig freue, daß ihr weg ſeid. Diät iſt die Hauptſache. Nur, daß man nicht hungert, eſſen — du lobſt dies immer ſo — nur Fleiſch. Suppe, ſtärkeren Kaffee, Ingwer eingemachten, und rohen gerieben an Brühe. Kein Obſt. Da es nur in Luftſchichten liegt: — ſich Luft präparirt! Sonne in’s Zimmer ſcheinen laſſen; dann zu! Wenn ſie Abends noch ganz verführeriſch ſcheint, die Fenſtern zu! Will man ſpäter noch Luft, Sternenluft: — die mit Bernſteinrauch gemildert! Behutſam beim An- und Auszie- hen, keine Sorte Schweiß unterdrückt: ſich verhalten, als wäre man krank: möglichſt für ſeine Leute eben ſo ſorgen, ihnen Eſſen zumeſſen; ſich bei Gott alles von ihnen ſchwören laſſen; ihnen Flanell auf den ganzen Vorderleib, Löſchpapier auf Rücken und Fußſohlen geben. Ich allen Armen, die ich erreichen kann. Haben ſie nichts anders, Schnäpſe Wein mit geſtoßenem Ingwer, eine Stunde nach dem Kaffee: nicht in Abend- und Morgenthau nüchtern ausgehen laſſen. Tuch mit Eſſig vor Naſe und Mund. Abends nur Suppe, ſei ſie von Brot, und etwas Ingwer. Kein friſches noch grobes Brot. Sauer Bier, Eſſig, Säuren — der Tod. Nicht Schäuern er- lauben; ein Mädchen ſtarb eine Stunde drauf. Nicht früh
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Mögen euch die Plagen erſpart ſein! die mich jetzt es von
neuem, und tiefer lehrten: ja ihr möget ſogar eine Alte be-
lächlen, ihr grollen, wenn ihr nur verſchont bleibt!!!
Jetzt nun lauter Diätreglen! Die Oder ward von ihr
überſprungen, und die große Krankheit ſenkte ſich auf unſre
Spreeſtadt. Mache ſich alſo jeder gefaßt! Obgleich ich das
Konverſationshaus in Baden für göttlich halte, und zwan-
zigmal Tags Gott danke, mich einzig freue, daß ihr weg ſeid.
Diät iſt die Hauptſache. Nur, daß man nicht hungert, eſſen
— du lobſt dies immer ſo — nur Fleiſch. Suppe, ſtärkeren
Kaffee, Ingwer eingemachten, und rohen gerieben an Brühe.
Kein Obſt. Da es nur in Luftſchichten liegt: — ſich Luft
präparirt! Sonne in’s Zimmer ſcheinen laſſen; dann zu!
Wenn ſie Abends noch ganz verführeriſch ſcheint, die Fenſtern
zu! Will man ſpäter noch Luft, Sternenluft: — die mit
Bernſteinrauch gemildert! Behutſam beim An- und Auszie-
hen, keine Sorte Schweiß unterdrückt: ſich verhalten, als
wäre man krank: möglichſt für ſeine Leute eben ſo ſorgen,
ihnen Eſſen zumeſſen; ſich bei Gott alles von ihnen ſchwören
laſſen; ihnen Flanell auf den ganzen Vorderleib, Löſchpapier
auf Rücken und Fußſohlen geben. Ich allen Armen, die ich
erreichen kann. Haben ſie nichts anders, Schnäpſe Wein mit
geſtoßenem Ingwer, eine Stunde nach dem Kaffee: nicht in
Abend- und Morgenthau nüchtern ausgehen laſſen. Tuch mit
Eſſig vor Naſe und Mund. Abends nur Suppe, ſei ſie von
Brot, und etwas Ingwer. Kein friſches noch grobes Brot.
Sauer Bier, Eſſig, Säuren — der Tod. Nicht Schäuern er-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/528>, abgerufen am 25.11.2024.
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