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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Kinder wieder missen sollte, zum surlendemain ankündigte! --
gemelkt fühlt' ich mein Herz. Unfähig meinen Körper. Seit-
dem hab' ich gelacht, geredet, gedacht, die Honneurs der Tage
gemacht, wie immer. Und bin durch nichts in meinen Ansich-
ten und Meinungen gestört. Hepp ist mir so wenig unver-
muthet, als alle andre Unducht. Kein großer Trumeau, kein
"Jungfernkranz," kein Elephant über Theaterbrücken; keine
Wohlthätigkeitsliste, kein Vivat, keine Herablassung; keine
gemischte Gesellschaft, kein neues Gesangbuch, kein bürgerlicher
Stern, nichts, nichts konnte mich je beschwichtigen. Die Pok-
kenmaterie muß raus; Schminke hilft nichts; und wäre sie
mit Hausanstreichpinseln aufgeklext! Nur Despoten können
uns helfen; die Einsicht haben: oder -- so gesagt, so ge-
schehn! Unversehens hab' ich Sie hier gegrüßt, mit allem was
ich jetzt, über jetzt zu sagen weiß. Sie werden dies herrlich,
elegisch, fantastisch, einschneidend, äußerst scherzhaft, immer ge-
sangvoll, anreizend, oft hinreißend sagen; nächstens sagen.
Aber der Text aus meinem alten beleidigten Herzen wird doch
dabei der Ihrige bleiben müssen. Und auch hier wiederhole
ich: Gott weiß das alles; sieht was uns fehlt; und schickt ge-
wiß den trefflichen Despoten mit Bedacht aus weisem Grunde
nicht. Dieser Grund ist Geschichte; und das mindeste bischen
Einsicht davon schon genug zu Geschichtserzählung. Unsre
Krankengeschichte ist allein unsre Geschichte. Alle haben wir
mit gefressen; und das muß wieder heraus. Kommen Sie
bald; schreiben Sie noch früher! Ich leide schrecklich an Un-
gewaschenem, was jetzt auch sonst Gescheidtere und Gewasch-

Kinder wieder miſſen ſollte, zum surlendemain ankündigte! —
gemelkt fühlt’ ich mein Herz. Unfähig meinen Körper. Seit-
dem hab’ ich gelacht, geredet, gedacht, die Honneurs der Tage
gemacht, wie immer. Und bin durch nichts in meinen Anſich-
ten und Meinungen geſtört. Hepp iſt mir ſo wenig unver-
muthet, als alle andre Unducht. Kein großer Trumeau, kein
„Jungfernkranz,“ kein Elephant über Theaterbrücken; keine
Wohlthätigkeitsliſte, kein Vivat, keine Herablaſſung; keine
gemiſchte Geſellſchaft, kein neues Geſangbuch, kein bürgerlicher
Stern, nichts, nichts konnte mich je beſchwichtigen. Die Pok-
kenmaterie muß raus; Schminke hilft nichts; und wäre ſie
mit Hausanſtreichpinſeln aufgeklext! Nur Deſpoten können
uns helfen; die Einſicht haben: oder — ſo geſagt, ſo ge-
ſchehn! Unverſehens hab’ ich Sie hier gegrüßt, mit allem was
ich jetzt, über jetzt zu ſagen weiß. Sie werden dies herrlich,
elegiſch, fantaſtiſch, einſchneidend, äußerſt ſcherzhaft, immer ge-
ſangvoll, anreizend, oft hinreißend ſagen; nächſtens ſagen.
Aber der Text aus meinem alten beleidigten Herzen wird doch
dabei der Ihrige bleiben müſſen. Und auch hier wiederhole
ich: Gott weiß das alles; ſieht was uns fehlt; und ſchickt ge-
wiß den trefflichen Deſpoten mit Bedacht aus weiſem Grunde
nicht. Dieſer Grund iſt Geſchichte; und das mindeſte bischen
Einſicht davon ſchon genug zu Geſchichtserzählung. Unſre
Krankengeſchichte iſt allein unſre Geſchichte. Alle haben wir
mit gefreſſen; und das muß wieder heraus. Kommen Sie
bald; ſchreiben Sie noch früher! Ich leide ſchrecklich an Un-
gewaſchenem, was jetzt auch ſonſt Geſcheidtere und Gewaſch-

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[445/0453] Kinder wieder miſſen ſollte, zum surlendemain ankündigte! — gemelkt fühlt’ ich mein Herz. Unfähig meinen Körper. Seit- dem hab’ ich gelacht, geredet, gedacht, die Honneurs der Tage gemacht, wie immer. Und bin durch nichts in meinen Anſich- ten und Meinungen geſtört. Hepp iſt mir ſo wenig unver- muthet, als alle andre Unducht. Kein großer Trumeau, kein „Jungfernkranz,“ kein Elephant über Theaterbrücken; keine Wohlthätigkeitsliſte, kein Vivat, keine Herablaſſung; keine gemiſchte Geſellſchaft, kein neues Geſangbuch, kein bürgerlicher Stern, nichts, nichts konnte mich je beſchwichtigen. Die Pok- kenmaterie muß raus; Schminke hilft nichts; und wäre ſie mit Hausanſtreichpinſeln aufgeklext! Nur Deſpoten können uns helfen; die Einſicht haben: oder — ſo geſagt, ſo ge- ſchehn! Unverſehens hab’ ich Sie hier gegrüßt, mit allem was ich jetzt, über jetzt zu ſagen weiß. Sie werden dies herrlich, elegiſch, fantaſtiſch, einſchneidend, äußerſt ſcherzhaft, immer ge- ſangvoll, anreizend, oft hinreißend ſagen; nächſtens ſagen. Aber der Text aus meinem alten beleidigten Herzen wird doch dabei der Ihrige bleiben müſſen. Und auch hier wiederhole ich: Gott weiß das alles; ſieht was uns fehlt; und ſchickt ge- wiß den trefflichen Deſpoten mit Bedacht aus weiſem Grunde nicht. Dieſer Grund iſt Geſchichte; und das mindeſte bischen Einſicht davon ſchon genug zu Geſchichtserzählung. Unſre Krankengeſchichte iſt allein unſre Geſchichte. Alle haben wir mit gefreſſen; und das muß wieder heraus. Kommen Sie bald; ſchreiben Sie noch früher! Ich leide ſchrecklich an Un- gewaſchenem, was jetzt auch ſonſt Geſcheidtere und Gewaſch-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/453>, abgerufen am 27.11.2024.