zwei- drei- viermal nach ihnen sehen -- Abends, mit, für, und nur durch sie. Ich machte ihnen Fleisch durch Pflege; und ließ ihre Seelen wachsen; ihren Geist sich heben und regen. Den ganzen Tag hatten die Drei, wovon Sie meine älteste. Elise, gewiß kennen, Prätensionen an mich; den halben war ich mit ihnen in Wald, und Feld, und Gärten. Nun ist's aus. Alles aus; und ich in Eifersucht allein; daß Andre ha- ben, was ich besitzen sollte; -- und daß kein Despot, keine Armee, kein Gericht existirt, welches mir dies Gut zuspräche: und der liebe Gott wohl weiß was mir gebührt; und ich leide. Sehr gut. Und ich soll wieder elend warten, bis ich denken muß: er hatte Recht; sonst wär' es ärger gekommen. Es hilft mir nichts, aus der Zeit der verliebten Liebe zu sein; ich leide doch. Und Sie mit; denn ich mag nicht -- so sehr kann ich nicht -- schweigen; und Ihnen will ich grade heute schreiben. Auch scheint es mir verstockt, ein Ver- rath und freundlos Benehmen, einen schweren, schwarzen Klum- pen Leid im Herzen zu tragen, es in Schmerzen überschwemmt zu fühlen, und dies -- schriftlich -- zu verheimlichen, ganz zu übergehn; und vom Tag, oder anderm Ernst und Scherz zu sprechen. Wissen Sie, daß ich einen Todschreck von den Schneidergesellen -- wegen falscher Berichte eines erschrockenen Domestiken, der während des Tumults, wie Roller vom Galgen, zu mir stürzte, um mir die Stadt als saccagirt vorzu stottern -- hatte, einen Tag, wo ich wegen Nervenaffekt und Rheuma ein Schwefelbad mit all den Üblen in dem Körper hatte; und nur aus ungefähr nicht davon todt blieb; gleich nachher be- kam ich den Brief, der mir die Ankunft, durch die ich die
zwei- drei- viermal nach ihnen ſehen — Abends, mit, für, und nur durch ſie. Ich machte ihnen Fleiſch durch Pflege; und ließ ihre Seelen wachſen; ihren Geiſt ſich heben und regen. Den ganzen Tag hatten die Drei, wovon Sie meine älteſte. Eliſe, gewiß kennen, Prätenſionen an mich; den halben war ich mit ihnen in Wald, und Feld, und Gärten. Nun iſt’s aus. Alles aus; und ich in Eiferſucht allein; daß Andre ha- ben, was ich beſitzen ſollte; — und daß kein Deſpot, keine Armee, kein Gericht exiſtirt, welches mir dies Gut zuſpräche: und der liebe Gott wohl weiß was mir gebührt; und ich leide. Sehr gut. Und ich ſoll wieder elend warten, bis ich denken muß: er hatte Recht; ſonſt wär’ es ärger gekommen. Es hilft mir nichts, aus der Zeit der verliebten Liebe zu ſein; ich leide doch. Und Sie mit; denn ich mag nicht — ſo ſehr kann ich nicht — ſchweigen; und Ihnen will ich grade heute ſchreiben. Auch ſcheint es mir verſtockt, ein Ver- rath und freundlos Benehmen, einen ſchweren, ſchwarzen Klum- pen Leid im Herzen zu tragen, es in Schmerzen überſchwemmt zu fühlen, und dies — ſchriftlich — zu verheimlichen, ganz zu übergehn; und vom Tag, oder anderm Ernſt und Scherz zu ſprechen. Wiſſen Sie, daß ich einen Todſchreck von den Schneidergeſellen — wegen falſcher Berichte eines erſchrockenen Domeſtiken, der während des Tumults, wie Roller vom Galgen, zu mir ſtürzte, um mir die Stadt als ſaccagirt vorzu ſtottern — hatte, einen Tag, wo ich wegen Nervenaffekt und Rheuma ein Schwefelbad mit all den Üblen in dem Körper hatte; und nur aus ungefähr nicht davon todt blieb; gleich nachher be- kam ich den Brief, der mir die Ankunft, durch die ich die
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zwei- drei- viermal nach ihnen ſehen — Abends, mit, für, und
nur durch ſie. Ich machte ihnen Fleiſch durch Pflege; und
ließ ihre Seelen wachſen; ihren Geiſt ſich heben und regen.
Den ganzen Tag hatten die Drei, wovon Sie meine älteſte.
Eliſe, gewiß kennen, Prätenſionen an mich; den halben war
ich mit ihnen in Wald, und Feld, und Gärten. Nun iſt’s
aus. Alles aus; und ich in Eiferſucht allein; daß Andre ha-
ben, was ich beſitzen ſollte; — und daß kein Deſpot, keine
Armee, kein Gericht exiſtirt, welches mir dies Gut zuſpräche:
und der liebe Gott wohl weiß was mir gebührt; und ich
leide. Sehr gut. Und ich ſoll wieder elend warten, bis ich
denken muß: er hatte Recht; ſonſt wär’ es ärger gekommen.
Es hilft mir nichts, aus der Zeit der verliebten Liebe zu
ſein; ich leide doch. Und Sie mit; denn ich mag nicht —
ſo ſehr kann ich nicht — ſchweigen; und Ihnen will ich
grade heute ſchreiben. Auch ſcheint es mir verſtockt, ein Ver-
rath und freundlos Benehmen, einen ſchweren, ſchwarzen Klum-
pen Leid im Herzen zu tragen, es in Schmerzen überſchwemmt
zu fühlen, und dies — ſchriftlich — zu verheimlichen, ganz
zu übergehn; und vom Tag, oder anderm Ernſt und Scherz
zu ſprechen. Wiſſen Sie, daß ich einen Todſchreck von den
Schneidergeſellen — wegen falſcher Berichte eines erſchrockenen
Domeſtiken, der während des Tumults, wie Roller vom Galgen,
zu mir ſtürzte, um mir die Stadt als ſaccagirt vorzu ſtottern
— hatte, einen Tag, wo ich wegen Nervenaffekt und Rheuma
ein Schwefelbad mit all den Üblen in dem Körper hatte; und
nur aus ungefähr nicht davon todt blieb; gleich nachher be-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/452>, abgerufen am 27.11.2024.
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