können unsern technischen, künstlerischen, geselligen, und gesetz- lichen Zustand gleich überschauen: und gleich besser, als nach und nach; und frisch aus dem altrevolutionirten England besser, als lange von demselben weg. Aber Ihre Freunde, und Deutschlands Gutes, werden Sie in sieben Wochen nicht finden; dies muß man suchen: kann es auch finden, auch häu- fig, aber in keiner bestimmten kurzen Zeit, noch einer solchen Richtung. Kommen Sie nicht umsonst über's Meer! Nehmen Sie nicht nur den ersten schlechten Eindruck mit zurück! Brin- gen Sie Lord Byron und Sir Walter Scott bessere Nachrich- ten von uns mit. Ich sehe alle unsere Fehler ein, ich mache sie ja mit, aber ich möchte doch gerne mit Wahrheiten gegen Lady Morgan und die beiden Herrn prahlen. Lassen Sie keine deutsche Stael umsonst zu uns herüber kommen! denn ich sehe ja Ihr Werk über Deutschland schon! Was sagen Sie dazu, daß ich mich zum Publikum schlage? da alles sich adelt? daß ich fest Volk bleibe; immer nur Leser, und nie schreibe? An Verstand fehlt es mir nicht: aber der sieht ein, daß ich kein Talent habe, wofür ihn doch alle meine Freunde in Ehren halten sollten; denn die armen Leute sind es doch, denen man die Manuskripte vorliest: Gedrucktes warnt vor sich selbst. Was wollen Sie aber mit einem solchen Brief anfangen; Sie lesen ihn aus, wie man ihn anfängt: aus zehn, bis zwanzig Geduld-Eigenschaften; Freundschaft ge- nannt, damit wir sie auf eine honette Weise in Anspruch nehmen können. Diese Missive soll Ihnen aber nur kurz den Vorschlag machen: bleiben Sie etwas länger in Deutschland! Reisen Sie wenigstens nicht noch nach Schlesien: sondern las-
können unſern techniſchen, künſtleriſchen, geſelligen, und geſetz- lichen Zuſtand gleich überſchauen: und gleich beſſer, als nach und nach; und friſch aus dem altrevolutionirten England beſſer, als lange von demſelben weg. Aber Ihre Freunde, und Deutſchlands Gutes, werden Sie in ſieben Wochen nicht finden; dies muß man ſuchen: kann es auch finden, auch häu- fig, aber in keiner beſtimmten kurzen Zeit, noch einer ſolchen Richtung. Kommen Sie nicht umſonſt über’s Meer! Nehmen Sie nicht nur den erſten ſchlechten Eindruck mit zurück! Brin- gen Sie Lord Byron und Sir Walter Scott beſſere Nachrich- ten von uns mit. Ich ſehe alle unſere Fehler ein, ich mache ſie ja mit, aber ich möchte doch gerne mit Wahrheiten gegen Lady Morgan und die beiden Herrn prahlen. Laſſen Sie keine deutſche Staël umſonſt zu uns herüber kommen! denn ich ſehe ja Ihr Werk über Deutſchland ſchon! Was ſagen Sie dazu, daß ich mich zum Publikum ſchlage? da alles ſich adelt? daß ich feſt Volk bleibe; immer nur Leſer, und nie ſchreibe? An Verſtand fehlt es mir nicht: aber der ſieht ein, daß ich kein Talent habe, wofür ihn doch alle meine Freunde in Ehren halten ſollten; denn die armen Leute ſind es doch, denen man die Manuſkripte vorlieſt: Gedrucktes warnt vor ſich ſelbſt. Was wollen Sie aber mit einem ſolchen Brief anfangen; Sie leſen ihn aus, wie man ihn anfängt: aus zehn, bis zwanzig Geduld-Eigenſchaften; Freundſchaft ge- nannt, damit wir ſie auf eine honette Weiſe in Anſpruch nehmen können. Dieſe Miſſive ſoll Ihnen aber nur kurz den Vorſchlag machen: bleiben Sie etwas länger in Deutſchland! Reiſen Sie wenigſtens nicht noch nach Schleſien: ſondern laſ-
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können unſern techniſchen, künſtleriſchen, geſelligen, und geſetz-
lichen Zuſtand gleich überſchauen: und gleich beſſer, als nach
und nach; und friſch aus dem altrevolutionirten England
beſſer, als lange von demſelben weg. Aber Ihre Freunde,
und Deutſchlands Gutes, werden Sie in ſieben Wochen nicht
finden; dies muß man ſuchen: kann es auch finden, auch häu-
fig, aber in keiner beſtimmten kurzen Zeit, noch einer ſolchen
Richtung. Kommen Sie nicht umſonſt über’s Meer! Nehmen
Sie nicht nur den erſten ſchlechten Eindruck mit zurück! Brin-
gen Sie Lord Byron und Sir Walter Scott beſſere Nachrich-
ten von uns mit. Ich ſehe alle unſere Fehler ein, ich mache
ſie ja mit, aber ich möchte doch gerne mit Wahrheiten gegen
Lady Morgan und die beiden Herrn prahlen. Laſſen Sie
keine deutſche Staël umſonſt zu uns herüber kommen! denn
ich ſehe ja Ihr Werk über Deutſchland ſchon! Was ſagen
Sie dazu, daß ich mich zum Publikum ſchlage? da alles ſich
adelt? daß ich feſt Volk bleibe; immer nur Leſer, und nie
ſchreibe? An Verſtand fehlt es mir nicht: aber der ſieht ein,
daß ich kein Talent habe, wofür ihn doch alle meine Freunde
in Ehren halten ſollten; denn die armen Leute ſind es doch,
denen man die Manuſkripte vorlieſt: Gedrucktes warnt vor
ſich ſelbſt. Was wollen Sie aber mit einem ſolchen Brief
anfangen; Sie leſen ihn aus, wie man ihn anfängt: aus
zehn, bis zwanzig Geduld-Eigenſchaften; Freundſchaft ge-
nannt, damit wir ſie auf eine honette Weiſe in Anſpruch
nehmen können. Dieſe Miſſive ſoll Ihnen aber nur kurz den
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/45>, abgerufen am 28.11.2024.
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