Einen Fehler haben Sie, und hatten Sie von je, liebste Freundin: Ihre zu große Bescheidenheit, die Ihnen nicht alle Selbstthätigkeit erlaubt, deren Sie durchaus fähig sind. Aber Ihnen schadet das weniger bei Ihren hohen Tugenden, denen Sie mit dem größten Talente Folge leisten. Haben Sie die Gnade, sich die Blätter von unsrer Lotte geben zu lassen. Dann kommen sie mir ohnehin näher. -- Verwahren Sie diese Karakteristik.
An Ludwig Robert, in Berlin.
Sonntag, den 16. Mai 1830.
Geht denn das kindische und nun bereits auch schon ganz veraltete Vorurtheil, oder vielmehr Irrurtheil über die Rich- tigkeit der Theaterkostüme immer noch seinen verdumpften Gang; ohne auch der neuen Direktion hier aufzufallen, ohne auch nur Eine laute Stimme im Publikum zu finden, die für die gesündere Einsicht zu ihr spräche, es sei direkt oder ver- mittelst eines gedruckten Blattes! Kannst auch du nichts an die Direktion gelangen lassen, was nicht eine banale Billi- gung, Beschönigung, Beschmeichlung -- um Freibillets oder sonst eine Belohnung -- wäre! Kann sich eine gescheidte
An Frau Hofräthin Herz.
Den 13. Mai 1830.
Einen Fehler haben Sie, und hatten Sie von je, liebſte Freundin: Ihre zu große Beſcheidenheit, die Ihnen nicht alle Selbſtthätigkeit erlaubt, deren Sie durchaus fähig ſind. Aber Ihnen ſchadet das weniger bei Ihren hohen Tugenden, denen Sie mit dem größten Talente Folge leiſten. Haben Sie die Gnade, ſich die Blätter von unſrer Lotte geben zu laſſen. Dann kommen ſie mir ohnehin näher. — Verwahren Sie dieſe Karakteriſtik.
An Ludwig Robert, in Berlin.
Sonntag, den 16. Mai 1830.
Geht denn das kindiſche und nun bereits auch ſchon ganz veraltete Vorurtheil, oder vielmehr Irrurtheil über die Rich- tigkeit der Theaterkoſtüme immer noch ſeinen verdumpften Gang; ohne auch der neuen Direktion hier aufzufallen, ohne auch nur Eine laute Stimme im Publikum zu finden, die für die geſündere Einſicht zu ihr ſpräche, es ſei direkt oder ver- mittelſt eines gedruckten Blattes! Kannſt auch du nichts an die Direktion gelangen laſſen, was nicht eine banale Billi- gung, Beſchönigung, Beſchmeichlung — um Freibillets oder ſonſt eine Belohnung — wäre! Kann ſich eine geſcheidte
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An Frau Hofräthin Herz.
Den 13. Mai 1830.
Einen Fehler haben Sie, und hatten Sie von je, liebſte
Freundin: Ihre zu große Beſcheidenheit, die Ihnen nicht alle
Selbſtthätigkeit erlaubt, deren Sie durchaus fähig ſind. Aber
Ihnen ſchadet das weniger bei Ihren hohen Tugenden, denen
Sie mit dem größten Talente Folge leiſten. Haben Sie die
Gnade, ſich die Blätter von unſrer Lotte geben zu laſſen.
Dann kommen ſie mir ohnehin näher. — Verwahren Sie
dieſe Karakteriſtik.
An Ludwig Robert, in Berlin.
Sonntag, den 16. Mai 1830.
Geht denn das kindiſche und nun bereits auch ſchon ganz
veraltete Vorurtheil, oder vielmehr Irrurtheil über die Rich-
tigkeit der Theaterkoſtüme immer noch ſeinen verdumpften
Gang; ohne auch der neuen Direktion hier aufzufallen, ohne
auch nur Eine laute Stimme im Publikum zu finden, die für
die geſündere Einſicht zu ihr ſpräche, es ſei direkt oder ver-
mittelſt eines gedruckten Blattes! Kannſt auch du nichts an
die Direktion gelangen laſſen, was nicht eine banale Billi-
gung, Beſchönigung, Beſchmeichlung — um Freibillets oder
ſonſt eine Belohnung — wäre! Kann ſich eine geſcheidte
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/444>, abgerufen am 22.12.2024.
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