alles: anstatt daß es nur der massenhafte Hintergrund sein darf, auf dem wir die wirklich Handlenden sehen müssen, und von Zeit zu Zeit einige Figuren, die sich von dem dunklen und oft unreinen Grunde ablösen. Soviel über Herrn Hugo.
Ich bin entzückt, daß Sie die Reise gemacht haben, um Ihre alte Bonne zu sehen. Wenn man nicht Venus in Person sieht, das heißt eine Frau, die man liebt, und von der man wiedergeliebt ist, so kann man nichts sehn, was grö- ßere Befriedigung gäbe! und es scheint fast, daß ein so häß- liches Dorf zu einer solchen Liebeshandlung erforderlich ist. Auch bin ich auf dem Punkt angelangt, mir solche Vergnü- gungen zu machen, und zu den andern nur mitfortgezogen zu werden. Doch sehe ich genug Leute und Fremde; bei mir meistens. Mlle. Sontag habe ich dreimal gehört: und ich finde sie sehr Pasta und sehr gut in Othello; und freue mich, sie morgen in einer geputzten Gesellschaft, auf einem Ball zu sehen. Sie ist hier sehr fetirt, bei Hof, von den Diplomaten, und von der Stadt; sie hat alle Damen für sich; sie verdient es wegen ihrer Gutmüthigkeit und Bescheidenheit, die ihrem großen und geschmeidigen Talent noch erhöhten Glanz geben.
"Detestable Paris" sagen Sie. Richtig. Jede ville-monstre ist es. Berlin schon. (Ganz Berlin ist bedeckt mit den schönsten Blumen; Fenster, Straßen, Plätze, die Keller; alles ist voll damit besetzt. V. giebt mir eben ein ungeheures Bou- quet von einem neuen Blumenmarkt: alles grünt; durch die ganze Stadt hin giebt es hier Grünes; Überbleibsel der preis- würdigen Barbarei, von kleiner Stadt her!)
Aber ich vergöttre Sie! aus Entzücken darüber, daß Sie
alles: anſtatt daß es nur der maſſenhafte Hintergrund ſein darf, auf dem wir die wirklich Handlenden ſehen müſſen, und von Zeit zu Zeit einige Figuren, die ſich von dem dunklen und oft unreinen Grunde ablöſen. Soviel über Herrn Hugo.
Ich bin entzückt, daß Sie die Reiſe gemacht haben, um Ihre alte Bonne zu ſehen. Wenn man nicht Venus in Perſon ſieht, das heißt eine Frau, die man liebt, und von der man wiedergeliebt iſt, ſo kann man nichts ſehn, was grö- ßere Befriedigung gäbe! und es ſcheint faſt, daß ein ſo häß- liches Dorf zu einer ſolchen Liebeshandlung erforderlich iſt. Auch bin ich auf dem Punkt angelangt, mir ſolche Vergnü- gungen zu machen, und zu den andern nur mitfortgezogen zu werden. Doch ſehe ich genug Leute und Fremde; bei mir meiſtens. Mlle. Sontag habe ich dreimal gehört: und ich finde ſie ſehr Paſta und ſehr gut in Othello; und freue mich, ſie morgen in einer geputzten Geſellſchaft, auf einem Ball zu ſehen. Sie iſt hier ſehr fêtirt, bei Hof, von den Diplomaten, und von der Stadt; ſie hat alle Damen für ſich; ſie verdient es wegen ihrer Gutmüthigkeit und Beſcheidenheit, die ihrem großen und geſchmeidigen Talent noch erhöhten Glanz geben.
„Détestable Paris“ ſagen Sie. Richtig. Jede ville-monstre iſt es. Berlin ſchon. (Ganz Berlin iſt bedeckt mit den ſchönſten Blumen; Fenſter, Straßen, Plätze, die Keller; alles iſt voll damit beſetzt. V. giebt mir eben ein ungeheures Bou- quet von einem neuen Blumenmarkt: alles grünt; durch die ganze Stadt hin giebt es hier Grünes; Überbleibſel der preis- würdigen Barbarei, von kleiner Stadt her!)
Aber ich vergöttre Sie! aus Entzücken darüber, daß Sie
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alles: anſtatt daß es nur der maſſenhafte Hintergrund ſein
darf, auf dem wir die wirklich Handlenden ſehen müſſen, und
von Zeit zu Zeit einige Figuren, die ſich von dem dunklen
und oft unreinen Grunde ablöſen. Soviel über Herrn Hugo.
Ich bin entzückt, daß Sie die Reiſe gemacht haben,
um Ihre alte Bonne zu ſehen. Wenn man nicht Venus in
Perſon ſieht, das heißt eine Frau, die man liebt, und von
der man wiedergeliebt iſt, ſo kann man nichts ſehn, was grö-
ßere Befriedigung gäbe! und es ſcheint faſt, daß ein ſo häß-
liches Dorf zu einer ſolchen Liebeshandlung erforderlich iſt.
Auch bin ich auf dem Punkt angelangt, mir ſolche Vergnü-
gungen zu machen, und zu den andern nur mitfortgezogen
zu werden. Doch ſehe ich genug Leute und Fremde; bei mir
meiſtens. Mlle. Sontag habe ich dreimal gehört: und ich
finde ſie ſehr Paſta und ſehr gut in Othello; und freue mich,
ſie morgen in einer geputzten Geſellſchaft, auf einem Ball zu
ſehen. Sie iſt hier ſehr fêtirt, bei Hof, von den Diplomaten,
und von der Stadt; ſie hat alle Damen für ſich; ſie verdient
es wegen ihrer Gutmüthigkeit und Beſcheidenheit, die ihrem
großen und geſchmeidigen Talent noch erhöhten Glanz geben.
„Détestable Paris“ ſagen Sie. Richtig. Jede ville-monstre
iſt es. Berlin ſchon. (Ganz Berlin iſt bedeckt mit den
ſchönſten Blumen; Fenſter, Straßen, Plätze, die Keller; alles
iſt voll damit beſetzt. V. giebt mir eben ein ungeheures Bou-
quet von einem neuen Blumenmarkt: alles grünt; durch die
ganze Stadt hin giebt es hier Grünes; Überbleibſel der preis-
würdigen Barbarei, von kleiner Stadt her!)
Aber ich vergöttre Sie! aus Entzücken darüber, daß Sie
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/439>, abgerufen am 28.11.2024.
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