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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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Rahmen; den ich von keinem Andern besorgen ließ. Eher das
Bild unter Fach war, wollte ich nicht dafür danken; und
dann war es vierzehn Tage schon im Rahmen, und ich dankte
doch noch nicht! Die Tageswogen; viele sehr leidende Stun-
den auch in meinen besten Tagen: aufgehäufte Lektüren, Rech-
nungen, Geldgeschäfte, Geselligkeitspflichten, die Kinder: meine
Nervenreizung beim Schreiben -- und doch Briefe in Ge-
schäften -- Anderer --, und Tagesbillette, und Besuche, und
Anforderungen ohne Zahl, und ohne allen Zusammenhang:
denn zu welcher Klasse gehöre ich nicht? wenigstens so lange
sie etwas von mir wollen
. Und wer giebt sich, mit der
hellsten Einsicht darüber, mehr dafür her, als eben ich: und
in der Schwäche der Konvaleszenz nur noch unwiderstreben-
der. Wie müßte mein Bild aussehen, wo alles dies ausge-
drückt wäre! --

Theure Fürstin! Sie zweifelten nicht an mir?! Nein.
Nein. Alle Tage suchte ich in den Zeitungen nach der Auf-
führung der Oder: immer Carolaths wegen: heute wieder,
und da finde ich das Elend von Muskau. Eine Betrübniß
für mich und Varnh. als träf es uns selbst. Und noch an-
ders! Der Verdruß der theuren Freunde: die Zerstörung des
menschengeschaffenen Paradieses; die Armen dort. Ihr An-
theil, noch zu dem Leid von Ihren Besitzungen! Die Hülf-
unfähigkeit wird zur Angst. Auch dies ein Grund, der mich
oft hinderte, einen Brief anzufangen. Was ich nur irgend
missen konnte, war weggegeben. -- Ich hatte keinen Winter-
hut; noch Mantel: alles weggegeben, was ich gebraucht hätte;
Noth von allen Seiten. Alte Ammen meiner Familie; Stu-

Rahmen; den ich von keinem Andern beſorgen ließ. Eher das
Bild unter Fach war, wollte ich nicht dafür danken; und
dann war es vierzehn Tage ſchon im Rahmen, und ich dankte
doch noch nicht! Die Tageswogen; viele ſehr leidende Stun-
den auch in meinen beſten Tagen: aufgehäufte Lektüren, Rech-
nungen, Geldgeſchäfte, Geſelligkeitspflichten, die Kinder: meine
Nervenreizung beim Schreiben — und doch Briefe in Ge-
ſchäften — Anderer —, und Tagesbillette, und Beſuche, und
Anforderungen ohne Zahl, und ohne allen Zuſammenhang:
denn zu welcher Klaſſe gehöre ich nicht? wenigſtens ſo lange
ſie etwas von mir wollen
. Und wer giebt ſich, mit der
hellſten Einſicht darüber, mehr dafür her, als eben ich: und
in der Schwäche der Konvaleszenz nur noch unwiderſtreben-
der. Wie müßte mein Bild ausſehen, wo alles dies ausge-
drückt wäre! —

Theure Fürſtin! Sie zweifelten nicht an mir?! Nein.
Nein. Alle Tage ſuchte ich in den Zeitungen nach der Auf-
führung der Oder: immer Carolaths wegen: heute wieder,
und da finde ich das Elend von Muskau. Eine Betrübniß
für mich und Varnh. als träf es uns ſelbſt. Und noch an-
ders! Der Verdruß der theuren Freunde: die Zerſtörung des
menſchengeſchaffenen Paradieſes; die Armen dort. Ihr An-
theil, noch zu dem Leid von Ihren Beſitzungen! Die Hülf-
unfähigkeit wird zur Angſt. Auch dies ein Grund, der mich
oft hinderte, einen Brief anzufangen. Was ich nur irgend
miſſen konnte, war weggegeben. — Ich hatte keinen Winter-
hut; noch Mantel: alles weggegeben, was ich gebraucht hätte;
Noth von allen Seiten. Alte Ammen meiner Familie; Stu-

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[427/0435] Rahmen; den ich von keinem Andern beſorgen ließ. Eher das Bild unter Fach war, wollte ich nicht dafür danken; und dann war es vierzehn Tage ſchon im Rahmen, und ich dankte doch noch nicht! Die Tageswogen; viele ſehr leidende Stun- den auch in meinen beſten Tagen: aufgehäufte Lektüren, Rech- nungen, Geldgeſchäfte, Geſelligkeitspflichten, die Kinder: meine Nervenreizung beim Schreiben — und doch Briefe in Ge- ſchäften — Anderer —, und Tagesbillette, und Beſuche, und Anforderungen ohne Zahl, und ohne allen Zuſammenhang: denn zu welcher Klaſſe gehöre ich nicht? wenigſtens ſo lange ſie etwas von mir wollen. Und wer giebt ſich, mit der hellſten Einſicht darüber, mehr dafür her, als eben ich: und in der Schwäche der Konvaleszenz nur noch unwiderſtreben- der. Wie müßte mein Bild ausſehen, wo alles dies ausge- drückt wäre! — Theure Fürſtin! Sie zweifelten nicht an mir?! Nein. Nein. Alle Tage ſuchte ich in den Zeitungen nach der Auf- führung der Oder: immer Carolaths wegen: heute wieder, und da finde ich das Elend von Muskau. Eine Betrübniß für mich und Varnh. als träf es uns ſelbſt. Und noch an- ders! Der Verdruß der theuren Freunde: die Zerſtörung des menſchengeſchaffenen Paradieſes; die Armen dort. Ihr An- theil, noch zu dem Leid von Ihren Beſitzungen! Die Hülf- unfähigkeit wird zur Angſt. Auch dies ein Grund, der mich oft hinderte, einen Brief anzufangen. Was ich nur irgend miſſen konnte, war weggegeben. — Ich hatte keinen Winter- hut; noch Mantel: alles weggegeben, was ich gebraucht hätte; Noth von allen Seiten. Alte Ammen meiner Familie; Stu-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/435>, abgerufen am 28.11.2024.