die scheel von mir denken, weil ich sie nicht mit Besuchen ab- warten kann, andere, denen ich das doch leistete. Und ich -- todtkrank an Nerven; an du rhumatisme delaye sur les nerfs. Ein leidender Barometer! Sonnabend eine Migraine, nach der ich bis heute nicht schreiben konnte. Dies die nur zu nennenden Hindernisse! Mit diesen allen hinter mir, wage ich um Vergebung zu bitten! Aber auch zugleich darum, daß mir Ihro Durchlaucht nun nicht -- aus dem bescheidenen Ge- müthe, wie ich es gesehen habe -- sagen: ich soll künftig nicht schreiben, mich nicht geniren. Ich bitte im Gegentheil, schrei- ben zu dürfen: auch Einmal zur Unzeit; wenn ich etwas für Sie weiß, was ich gelesen, gesehn, gedacht habe; und dieser Bitte schließt sich die an, daß Sie mir das grobe Papier, worauf ich zu schreiben gezwungen bin, einer Nervenverstim- mung wegen zu Gnaden halten mögen; die kein feineres mir erlaubt.
Gewiß kann ein solches Zusammentreffen, wie dies in Muskau diesen Sommer; ein solcher Blick in solches Gemüth, wie Sie mich eines erschauen ließen, nicht ohne fruchtreiche Fol- gen bleiben, und hätten Sie mich nie, mit keinem Worte be- ehrt. Aber Ihro Durchlaucht haben Recht; solch schöner Fund muß auch willentlich zum Fortleben unterhalten werden; und in Folge dieses belebenden Willens erlauben Sie mir auch wohl, hier meinen wohlgefühlten Dank für Ihre wohlthätige Aufnahme in Muskau keck auszusprechen. Nicht ein Wort, nicht ein Blick, keine Nüance ist zerstäubt davon; alle liegen, als Samen in meinem Herzen aufgefangen! Das sag' ich in höchster Wahrheit, also mit etwas Dreistigkeit. Sie haben
die ſcheel von mir denken, weil ich ſie nicht mit Beſuchen ab- warten kann, andere, denen ich das doch leiſtete. Und ich — todtkrank an Nerven; an du rhumatisme délayé sur les nerfs. Ein leidender Barometer! Sonnabend eine Migraine, nach der ich bis heute nicht ſchreiben konnte. Dies die nur zu nennenden Hinderniſſe! Mit dieſen allen hinter mir, wage ich um Vergebung zu bitten! Aber auch zugleich darum, daß mir Ihro Durchlaucht nun nicht — aus dem beſcheidenen Ge- müthe, wie ich es geſehen habe — ſagen: ich ſoll künftig nicht ſchreiben, mich nicht geniren. Ich bitte im Gegentheil, ſchrei- ben zu dürfen: auch Einmal zur Unzeit; wenn ich etwas für Sie weiß, was ich geleſen, geſehn, gedacht habe; und dieſer Bitte ſchließt ſich die an, daß Sie mir das grobe Papier, worauf ich zu ſchreiben gezwungen bin, einer Nervenverſtim- mung wegen zu Gnaden halten mögen; die kein feineres mir erlaubt.
Gewiß kann ein ſolches Zuſammentreffen, wie dies in Muskau dieſen Sommer; ein ſolcher Blick in ſolches Gemüth, wie Sie mich eines erſchauen ließen, nicht ohne fruchtreiche Fol- gen bleiben, und hätten Sie mich nie, mit keinem Worte be- ehrt. Aber Ihro Durchlaucht haben Recht; ſolch ſchöner Fund muß auch willentlich zum Fortleben unterhalten werden; und in Folge dieſes belebenden Willens erlauben Sie mir auch wohl, hier meinen wohlgefühlten Dank für Ihre wohlthätige Aufnahme in Muskau keck auszuſprechen. Nicht ein Wort, nicht ein Blick, keine Nüance iſt zerſtäubt davon; alle liegen, als Samen in meinem Herzen aufgefangen! Das ſag’ ich in höchſter Wahrheit, alſo mit etwas Dreiſtigkeit. Sie haben
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die ſcheel von mir denken, weil ich ſie nicht mit Beſuchen ab-
warten kann, andere, denen ich das doch leiſtete. Und ich —
todtkrank an Nerven; an du rhumatisme délayé sur les nerfs.
Ein leidender Barometer! Sonnabend eine Migraine, nach
der ich bis heute nicht ſchreiben konnte. Dies die nur zu
nennenden Hinderniſſe! Mit dieſen allen hinter mir, wage
ich um Vergebung zu bitten! Aber auch zugleich darum, daß
mir Ihro Durchlaucht nun nicht — aus dem beſcheidenen Ge-
müthe, wie ich es geſehen habe — ſagen: ich ſoll künftig nicht
ſchreiben, mich nicht geniren. Ich bitte im Gegentheil, ſchrei-
ben zu dürfen: auch Einmal zur Unzeit; wenn ich etwas für
Sie weiß, was ich geleſen, geſehn, gedacht habe; und dieſer
Bitte ſchließt ſich die an, daß Sie mir das grobe Papier,
worauf ich zu ſchreiben gezwungen bin, einer Nervenverſtim-
mung wegen zu Gnaden halten mögen; die kein feineres mir
erlaubt.
Gewiß kann ein ſolches Zuſammentreffen, wie dies in
Muskau dieſen Sommer; ein ſolcher Blick in ſolches Gemüth,
wie Sie mich eines erſchauen ließen, nicht ohne fruchtreiche Fol-
gen bleiben, und hätten Sie mich nie, mit keinem Worte be-
ehrt. Aber Ihro Durchlaucht haben Recht; ſolch ſchöner Fund
muß auch willentlich zum Fortleben unterhalten werden; und
in Folge dieſes belebenden Willens erlauben Sie mir auch
wohl, hier meinen wohlgefühlten Dank für Ihre wohlthätige
Aufnahme in Muskau keck auszuſprechen. Nicht ein Wort,
nicht ein Blick, keine Nüance iſt zerſtäubt davon; alle liegen,
als Samen in meinem Herzen aufgefangen! Das ſag’ ich in
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/357>, abgerufen am 22.12.2024.
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