nem Schaden aufhören eines zu sein. Warnung!!! -- nur so viel Anderes, daß das Erste nicht zu behaupten wäre: aber so vortrefflich, so rein vornehm geschrieben, wie alles von ihm. Und als ich jetzt wieder Ihren Brief durchsah, und den reinen gebildet fließenden Stil fand, dacht ich: daß Sie eine würdige Schülerin Rankens sind. Gelernt können Sie das von ihm nicht haben: aber dies Talent hängt mit den andern Gaben zusammen, wegen derer Sie seine applaudirte Schü- lerin werden konnten: und es auch schon wollten. Ich denke an das, was Sie mir sagten daß Sie unternehmen müssen, um unordentliche -- dies Wort ganz verstanden wie Sie es sagten: kein andres kann's ersetzen, darum gebrauch' auch ich es -- Thränen, Gedanken, Empfindsamkeiten, Wünsche gleich- weg zu tödten. Sein Sie also nicht bescheiden, lassen Sie sich einsehen wo Sie zu loben sind: ich finde vielleicht ande- res zu tadeln, wenngleich nicht das, was Sie nannten. Adieu, liebe neue Freundin! Eine ganz alte sitzt und wartet, die ich seit dem fünften Jahre kenne. Lächerlich! "Es soll anders werden!" Sag' ich wie Lilli's Bär. Aber es soll doch. Ihre ergebene F. V. Darf ich Frau von Redtel hier freundlichst grüßen? und Fräulein Anna.
Es ist schon wieder der 21. geworden. Abends 7 Uhr. Aber morgen soll dieser unförmliche Brief, an Leib und Seele, auf die Post. Was er für eine Facon hat! Es regnet, und riecht etwas nach Mai. Ich bin disgustirt: ich wollte ins Königsstädter gehen und eine Freundin -- schöne Freundin! -- lies mich sitzen. Ein Freund muß mit seiner Mutter Boston spielen; Varnh. ist in einer Donnerstagsgesellschaft, die heute
nem Schaden aufhören eines zu ſein. Warnung!!! — nur ſo viel Anderes, daß das Erſte nicht zu behaupten wäre: aber ſo vortrefflich, ſo rein vornehm geſchrieben, wie alles von ihm. Und als ich jetzt wieder Ihren Brief durchſah, und den reinen gebildet fließenden Stil fand, dacht ich: daß Sie eine würdige Schülerin Rankens ſind. Gelernt können Sie das von ihm nicht haben: aber dies Talent hängt mit den andern Gaben zuſammen, wegen derer Sie ſeine applaudirte Schü- lerin werden konnten: und es auch ſchon wollten. Ich denke an das, was Sie mir ſagten daß Sie unternehmen müſſen, um unordentliche — dies Wort ganz verſtanden wie Sie es ſagten: kein andres kann’s erſetzen, darum gebrauch’ auch ich es — Thränen, Gedanken, Empfindſamkeiten, Wünſche gleich- weg zu tödten. Sein Sie alſo nicht beſcheiden, laſſen Sie ſich einſehen wo Sie zu loben ſind: ich finde vielleicht ande- res zu tadeln, wenngleich nicht das, was Sie nannten. Adieu, liebe neue Freundin! Eine ganz alte ſitzt und wartet, die ich ſeit dem fünften Jahre kenne. Lächerlich! „Es ſoll anders werden!“ Sag’ ich wie Lilli’s Bär. Aber es ſoll doch. Ihre ergebene F. V. Darf ich Frau von Redtel hier freundlichſt grüßen? und Fräulein Anna.
Es iſt ſchon wieder der 21. geworden. Abends 7 Uhr. Aber morgen ſoll dieſer unförmliche Brief, an Leib und Seele, auf die Poſt. Was er für eine Façon hat! Es regnet, und riecht etwas nach Mai. Ich bin disguſtirt: ich wollte ins Königsſtädter gehen und eine Freundin — ſchöne Freundin! — lies mich ſitzen. Ein Freund muß mit ſeiner Mutter Boſton ſpielen; Varnh. iſt in einer Donnerstagsgeſellſchaft, die heute
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[283[328]/0336]
nem Schaden aufhören eines zu ſein. Warnung!!! — nur
ſo viel Anderes, daß das Erſte nicht zu behaupten wäre:
aber ſo vortrefflich, ſo rein vornehm geſchrieben, wie alles von
ihm. Und als ich jetzt wieder Ihren Brief durchſah, und den
reinen gebildet fließenden Stil fand, dacht ich: daß Sie eine
würdige Schülerin Rankens ſind. Gelernt können Sie das
von ihm nicht haben: aber dies Talent hängt mit den andern
Gaben zuſammen, wegen derer Sie ſeine applaudirte Schü-
lerin werden konnten: und es auch ſchon wollten. Ich denke
an das, was Sie mir ſagten daß Sie unternehmen müſſen,
um unordentliche — dies Wort ganz verſtanden wie Sie es
ſagten: kein andres kann’s erſetzen, darum gebrauch’ auch ich
es — Thränen, Gedanken, Empfindſamkeiten, Wünſche gleich-
weg zu tödten. Sein Sie alſo nicht beſcheiden, laſſen Sie
ſich einſehen wo Sie zu loben ſind: ich finde vielleicht ande-
res zu tadeln, wenngleich nicht das, was Sie nannten. Adieu,
liebe neue Freundin! Eine ganz alte ſitzt und wartet, die ich
ſeit dem fünften Jahre kenne. Lächerlich! „Es ſoll anders
werden!“ Sag’ ich wie Lilli’s Bär. Aber es ſoll doch. Ihre
ergebene F. V. Darf ich Frau von Redtel hier freundlichſt
grüßen? und Fräulein Anna.
Es iſt ſchon wieder der 21. geworden. Abends 7 Uhr.
Aber morgen ſoll dieſer unförmliche Brief, an Leib und Seele,
auf die Poſt. Was er für eine Façon hat! Es regnet, und
riecht etwas nach Mai. Ich bin disguſtirt: ich wollte ins
Königsſtädter gehen und eine Freundin — ſchöne Freundin! —
lies mich ſitzen. Ein Freund muß mit ſeiner Mutter Boſton
ſpielen; Varnh. iſt in einer Donnerstagsgeſellſchaft, die heute
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 283[328]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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