Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

von daher fließend ansehn: und nicht ich allein; Sie
haben noch andre Freunde; wenn auch jeder das Schöne nach
seiner Herzensweise sieht. Ich gebe meiner den Vorzug, weil
ich sie eben fühle; das thun die Andern wohl auch. Sehn
Sie, theure Fürstin, diese gewichtigen, süßen Worte als mein
Angebinde an! Sie enthalten Frühlingsblumen; und Früchte
-- durch innigste, entschiedene Wahrhaftigkeit. --

Geben Sie sich in dem gewühl- und gefühlvollen Tag
keine Mühe mir zu antworten! Wenn es angeht, komme ich
noch einen Moment: sehe Ihnen in die guten Augen; und
küsse Ihnen, wie ich Kindern thue, die Hand.



An Frau Generalin von Zielinski, in Frankfurt an
der Oder.

Graues, Südwestwindwetter, seuchtlich, und doch nach
dem Frühling hinneigend, ohne für Wetterempfind-
liche zum Spazirengehn zu sein. Tauben fliegen,
blaue Fenster brechen in den Himmel, und lassen hie
und da, wie jetzt, Helle durch.

Sie werden nicht bei mir wohnen wollen.

Das hab' ich mir zugezogen mit der Pause ehe ich Ihnen
antwortete. "Wird der Kluge klug genug sein, nicht klug zu
sein," sagt Oranien (Alba) -- glaub ich -- in Egmont. Wer-
den Sie wissen, daß alle meine Äußerungen gegen Sie wahr,
und dauernd waren, trotz des unpassenden Schweigens? Ja:
und das dacht' ich alle Tage heimlich, wenn ich immer ant-
worten wollte, und doch nicht antwortete; denn das Schreck-

von daher fließend anſehn: und nicht ich allein; Sie
haben noch andre Freunde; wenn auch jeder das Schöne nach
ſeiner Herzensweiſe ſieht. Ich gebe meiner den Vorzug, weil
ich ſie eben fühle; das thun die Andern wohl auch. Sehn
Sie, theure Fürſtin, dieſe gewichtigen, ſüßen Worte als mein
Angebinde an! Sie enthalten Frühlingsblumen; und Früchte
— durch innigſte, entſchiedene Wahrhaftigkeit. —

Geben Sie ſich in dem gewühl- und gefühlvollen Tag
keine Mühe mir zu antworten! Wenn es angeht, komme ich
noch einen Moment: ſehe Ihnen in die guten Augen; und
küſſe Ihnen, wie ich Kindern thue, die Hand.



An Frau Generalin von Zielinski, in Frankfurt an
der Oder.

Graues, Südweſtwindwetter, ſeuchtlich, und doch nach
dem Frühling hinneigend, ohne für Wetterempfind-
liche zum Spazirengehn zu ſein. Tauben fliegen,
blaue Fenſter brechen in den Himmel, und laſſen hie
und da, wie jetzt, Helle durch.

Sie werden nicht bei mir wohnen wollen.

Das hab’ ich mir zugezogen mit der Pauſe ehe ich Ihnen
antwortete. „Wird der Kluge klug genug ſein, nicht klug zu
ſein,“ ſagt Oranien (Alba) — glaub ich — in Egmont. Wer-
den Sie wiſſen, daß alle meine Äußerungen gegen Sie wahr,
und dauernd waren, trotz des unpaſſenden Schweigens? Ja:
und das dacht’ ich alle Tage heimlich, wenn ich immer ant-
worten wollte, und doch nicht antwortete; denn das Schreck-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="325"/>
von daher fließend an&#x017F;ehn: <hi rendition="#g">und nicht ich allein</hi>; Sie<lb/>
haben noch andre Freunde; wenn auch jeder das Schöne nach<lb/>
&#x017F;einer Herzenswei&#x017F;e &#x017F;ieht. Ich gebe meiner den Vorzug, weil<lb/>
ich &#x017F;ie eben fühle; das thun die Andern wohl auch. Sehn<lb/>
Sie, theure Für&#x017F;tin, die&#x017F;e gewichtigen, &#x017F;üßen Worte als mein<lb/>
Angebinde an! Sie enthalten Frühlingsblumen; und Früchte<lb/>
&#x2014; durch innig&#x017F;te, ent&#x017F;chiedene Wahrhaftigkeit. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Geben Sie &#x017F;ich in dem gewühl- und gefühlvollen Tag<lb/>
keine Mühe mir zu antworten! Wenn es angeht, komme ich<lb/>
noch einen Moment: &#x017F;ehe Ihnen in die guten Augen; und<lb/>&#x017F;&#x017F;e Ihnen, wie ich Kindern thue, die Hand.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Frau Generalin von Zielinski, in Frankfurt an<lb/>
der Oder.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Freitag, den 14. März 1828.</hi> </dateline><lb/>
            <p> <hi rendition="#et">Graues, Südwe&#x017F;twindwetter, &#x017F;euchtlich, und doch nach<lb/>
dem Frühling hinneigend, ohne für Wetterempfind-<lb/>
liche zum Spazirengehn zu &#x017F;ein. Tauben fliegen,<lb/>
blaue Fen&#x017F;ter brechen in den Himmel, und la&#x017F;&#x017F;en hie<lb/>
und da, wie jetzt, Helle durch.</hi> </p><lb/>
            <p>Sie werden nicht bei mir wohnen wollen.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Das</hi> hab&#x2019; ich mir zugezogen mit der Pau&#x017F;e ehe ich Ihnen<lb/>
antwortete. &#x201E;Wird der Kluge klug genug &#x017F;ein, nicht klug zu<lb/>
&#x017F;ein,&#x201C; &#x017F;agt Oranien (Alba) &#x2014; glaub ich &#x2014; in Egmont. Wer-<lb/>
den Sie wi&#x017F;&#x017F;en, daß alle meine Äußerungen gegen Sie wahr,<lb/>
und dauernd waren, trotz des unpa&#x017F;&#x017F;enden Schweigens? Ja:<lb/>
und das dacht&#x2019; ich alle Tage heimlich, wenn ich immer ant-<lb/>
worten wollte, und doch nicht antwortete; denn <hi rendition="#g">das</hi> Schreck-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0333] von daher fließend anſehn: und nicht ich allein; Sie haben noch andre Freunde; wenn auch jeder das Schöne nach ſeiner Herzensweiſe ſieht. Ich gebe meiner den Vorzug, weil ich ſie eben fühle; das thun die Andern wohl auch. Sehn Sie, theure Fürſtin, dieſe gewichtigen, ſüßen Worte als mein Angebinde an! Sie enthalten Frühlingsblumen; und Früchte — durch innigſte, entſchiedene Wahrhaftigkeit. — Geben Sie ſich in dem gewühl- und gefühlvollen Tag keine Mühe mir zu antworten! Wenn es angeht, komme ich noch einen Moment: ſehe Ihnen in die guten Augen; und küſſe Ihnen, wie ich Kindern thue, die Hand. An Frau Generalin von Zielinski, in Frankfurt an der Oder. Freitag, den 14. März 1828. Graues, Südweſtwindwetter, ſeuchtlich, und doch nach dem Frühling hinneigend, ohne für Wetterempfind- liche zum Spazirengehn zu ſein. Tauben fliegen, blaue Fenſter brechen in den Himmel, und laſſen hie und da, wie jetzt, Helle durch. Sie werden nicht bei mir wohnen wollen. Das hab’ ich mir zugezogen mit der Pauſe ehe ich Ihnen antwortete. „Wird der Kluge klug genug ſein, nicht klug zu ſein,“ ſagt Oranien (Alba) — glaub ich — in Egmont. Wer- den Sie wiſſen, daß alle meine Äußerungen gegen Sie wahr, und dauernd waren, trotz des unpaſſenden Schweigens? Ja: und das dacht’ ich alle Tage heimlich, wenn ich immer ant- worten wollte, und doch nicht antwortete; denn das Schreck-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/333
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/333>, abgerufen am 22.12.2024.