denn fressen? Das wäre noch schöner!" Ein Anwesender erinnerte zustimmend an den alten Spruch: felix culpa!
Den 28. Januar 1826.
Anfangs März 1826.
Der Unterschied von Religion und positiver Religion be- steht darin, daß die letztere ihr Prinzip in einer bestimmten Geschichte hat, und sich auf diese bezieht; und daß die erstere ihr Prinzip und ihre Beziehung aus aller Geschichte, und al- lem, was für Menschen von Geschehenem zur Erkenntniß kommt, findet. Die erste begränzt sich sogar in aller Zukunft.
März, 1826.
Komisch war er mir neulich in Mad. de Genlis Memoi- ren zu lesen, daß sie die Griechen tadelt, ihr Paradies bestände nur in einer abgeschmackten Promenade in Elysium. Sie könn- ten ihr schön antworten! noch außerdem, daß eine Promenade so gut, als jedes, alle Seligkeit enthalten kann.
Charfreitag, 1826.
Jede Wissenschaft ist ein abgerissener Strahl von der Sonne alles Wissens und Seins: ein Behelf, bis zu ihr zu gelangen, und unhinlänglich, nach seinem Ende zur Sonne, und nach seinem Ende zur Welt, wo Wissenschaft sich mit Wissenschaft verwirrt; und gearbeitet wird: wie denn wissen- schaftliches Arbeiten auf Ruhe abzielt, zu seiner Sonne, wo- hin wir auch nicht gelangen. Dies ist alles nicht zu läugnen. Alle Wissenschaften sind Eine, und durch jeder gründlichste
denn freſſen? Das wäre noch ſchöner!“ Ein Anweſender erinnerte zuſtimmend an den alten Spruch: felix culpa!
Den 28. Januar 1826.
Anfangs März 1826.
Der Unterſchied von Religion und poſitiver Religion be- ſteht darin, daß die letztere ihr Prinzip in einer beſtimmten Geſchichte hat, und ſich auf dieſe bezieht; und daß die erſtere ihr Prinzip und ihre Beziehung aus aller Geſchichte, und al- lem, was für Menſchen von Geſchehenem zur Erkenntniß kommt, findet. Die erſte begränzt ſich ſogar in aller Zukunft.
März, 1826.
Komiſch war er mir neulich in Mad. de Genlis Memoi- ren zu leſen, daß ſie die Griechen tadelt, ihr Paradies beſtände nur in einer abgeſchmackten Promenade in Elyſium. Sie könn- ten ihr ſchön antworten! noch außerdem, daß eine Promenade ſo gut, als jedes, alle Seligkeit enthalten kann.
Charfreitag, 1826.
Jede Wiſſenſchaft iſt ein abgeriſſener Strahl von der Sonne alles Wiſſens und Seins: ein Behelf, bis zu ihr zu gelangen, und unhinlänglich, nach ſeinem Ende zur Sonne, und nach ſeinem Ende zur Welt, wo Wiſſenſchaft ſich mit Wiſſenſchaft verwirrt; und gearbeitet wird: wie denn wiſſen- ſchaftliches Arbeiten auf Ruhe abzielt, zu ſeiner Sonne, wo- hin wir auch nicht gelangen. Dies iſt alles nicht zu läugnen. Alle Wiſſenſchaften ſind Eine, und durch jeder gründlichſte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0246"n="238"/><hirendition="#g">denn</hi> freſſen? Das wäre <hirendition="#g">noch</hi>ſchöner!“ Ein Anweſender<lb/>
erinnerte zuſtimmend an den alten Spruch: <hirendition="#aq">felix culpa!</hi></p><lb/><dateline><hirendition="#et">Den 28. Januar 1826.</hi></dateline></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Anfangs März 1826.</hi></dateline><lb/><p>Der Unterſchied von Religion und poſitiver Religion be-<lb/>ſteht darin, daß die letztere ihr Prinzip in einer beſtimmten<lb/>
Geſchichte hat, und ſich auf dieſe bezieht; und daß die erſtere<lb/>
ihr Prinzip und ihre Beziehung aus aller Geſchichte, und al-<lb/>
lem, was für Menſchen von Geſchehenem zur Erkenntniß<lb/>
kommt, findet. Die erſte begränzt ſich ſogar in aller Zukunft.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">März, 1826.</hi></dateline><lb/><p>Komiſch war er mir neulich in Mad. de Genlis Memoi-<lb/>
ren zu leſen, daß ſie die Griechen tadelt, ihr Paradies beſtände<lb/>
nur in einer abgeſchmackten Promenade in Elyſium. Sie könn-<lb/>
ten ihr ſchön antworten! noch außerdem, daß eine Promenade<lb/>ſo gut, als jedes, alle Seligkeit enthalten kann.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Charfreitag, 1826.</hi></dateline><lb/><p>Jede Wiſſenſchaft iſt ein abgeriſſener Strahl von der<lb/>
Sonne alles Wiſſens und Seins: ein Behelf, bis zu ihr zu<lb/>
gelangen, und unhinlänglich, nach ſeinem Ende zur Sonne,<lb/>
und nach ſeinem Ende zur Welt, wo Wiſſenſchaft ſich mit<lb/>
Wiſſenſchaft verwirrt; und gearbeitet wird: wie denn wiſſen-<lb/>ſchaftliches Arbeiten auf Ruhe abzielt, zu ſeiner Sonne, wo-<lb/>
hin wir auch nicht gelangen. Dies iſt alles nicht zu läugnen.<lb/>
Alle Wiſſenſchaften ſind Eine, und durch jeder gründlichſte<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[238/0246]
denn freſſen? Das wäre noch ſchöner!“ Ein Anweſender
erinnerte zuſtimmend an den alten Spruch: felix culpa!
Den 28. Januar 1826.
Anfangs März 1826.
Der Unterſchied von Religion und poſitiver Religion be-
ſteht darin, daß die letztere ihr Prinzip in einer beſtimmten
Geſchichte hat, und ſich auf dieſe bezieht; und daß die erſtere
ihr Prinzip und ihre Beziehung aus aller Geſchichte, und al-
lem, was für Menſchen von Geſchehenem zur Erkenntniß
kommt, findet. Die erſte begränzt ſich ſogar in aller Zukunft.
März, 1826.
Komiſch war er mir neulich in Mad. de Genlis Memoi-
ren zu leſen, daß ſie die Griechen tadelt, ihr Paradies beſtände
nur in einer abgeſchmackten Promenade in Elyſium. Sie könn-
ten ihr ſchön antworten! noch außerdem, daß eine Promenade
ſo gut, als jedes, alle Seligkeit enthalten kann.
Charfreitag, 1826.
Jede Wiſſenſchaft iſt ein abgeriſſener Strahl von der
Sonne alles Wiſſens und Seins: ein Behelf, bis zu ihr zu
gelangen, und unhinlänglich, nach ſeinem Ende zur Sonne,
und nach ſeinem Ende zur Welt, wo Wiſſenſchaft ſich mit
Wiſſenſchaft verwirrt; und gearbeitet wird: wie denn wiſſen-
ſchaftliches Arbeiten auf Ruhe abzielt, zu ſeiner Sonne, wo-
hin wir auch nicht gelangen. Dies iſt alles nicht zu läugnen.
Alle Wiſſenſchaften ſind Eine, und durch jeder gründlichſte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/246>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.