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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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ist nicht ein Talent, wie es soll, welches an alle Kunst erin-
nert und heran führt, die höchsten menschlichen Zustände of-
fenbart und betrachten lehrt, uns wieder vor das Gemüth
führt, was uns nur je in Naturerscheinung anregend und ver-
ständlich werden konnte, uns über elende Bedingungen und
noch elendere Prahlsucht und Eitelkeiten hinwegführt, uns er-
innert an Dinge, die wir nie sahen und hörten, und von de-
nen wir doch Erinnerungen in uns tragen, mit Einem Wort:
uns zu dem Unaussprechlichen versetzen; worunter alles Hohe,
alles was Ehrfurcht gebietet und Freude schafft, verstanden
werden kann. Ein Komponist, der nur aus Eitelkeit und
Imitationstrieb arbeitet, beleidigt noch vollständiger und dauer-
hafter, wirkt noch verderblicher, da seine abgedruckten Mach-
werke alle unkundigen Nachredner und Nachahmende leicht
und schnell als Verderbnißförderndes immer weiter ab von
aller wahrhaft belebenden Kunstausübung und Beurtheilung
führen. Ein abscheuliches, prahlerisches, dünkelvolles Schein-
treiben setzt sich in die Stelle der ächten Kunstübung und
Liebe; welches, wie wirkliches Unkraut, den reichen genußspen-
denden Pflanzen Ort, Kraft und Leben raubt; es ist erst ein
Krieg zu führen gegen diese Geschlechter; ein Beweis, daß sie
ausgerottet werden müssen, so gesetzlich und alles Schutzes sich
erfreuend, wie in einem Gehege, stehen sie da; so wußte ein
Kunstjargon sie Fürsten, Regierungen, Vornehmen, Eleganten
und Geldbesitzern unermüdlich vorzuschreien! Das beste Bild
für diesen Zustand, der in den Künsten jetzt herrscht, möchte
gar eine Galerie von den Werken der neuern Mahler liefern.

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iſt nicht ein Talent, wie es ſoll, welches an alle Kunſt erin-
nert und heran führt, die höchſten menſchlichen Zuſtände of-
fenbart und betrachten lehrt, uns wieder vor das Gemüth
führt, was uns nur je in Naturerſcheinung anregend und ver-
ſtändlich werden konnte, uns über elende Bedingungen und
noch elendere Prahlſucht und Eitelkeiten hinwegführt, uns er-
innert an Dinge, die wir nie ſahen und hörten, und von de-
nen wir doch Erinnerungen in uns tragen, mit Einem Wort:
uns zu dem Unausſprechlichen verſetzen; worunter alles Hohe,
alles was Ehrfurcht gebietet und Freude ſchafft, verſtanden
werden kann. Ein Komponiſt, der nur aus Eitelkeit und
Imitationstrieb arbeitet, beleidigt noch vollſtändiger und dauer-
hafter, wirkt noch verderblicher, da ſeine abgedruckten Mach-
werke alle unkundigen Nachredner und Nachahmende leicht
und ſchnell als Verderbnißförderndes immer weiter ab von
aller wahrhaft belebenden Kunſtausübung und Beurtheilung
führen. Ein abſcheuliches, prahleriſches, dünkelvolles Schein-
treiben ſetzt ſich in die Stelle der ächten Kunſtübung und
Liebe; welches, wie wirkliches Unkraut, den reichen genußſpen-
denden Pflanzen Ort, Kraft und Leben raubt; es iſt erſt ein
Krieg zu führen gegen dieſe Geſchlechter; ein Beweis, daß ſie
ausgerottet werden müſſen, ſo geſetzlich und alles Schutzes ſich
erfreuend, wie in einem Gehege, ſtehen ſie da; ſo wußte ein
Kunſtjargon ſie Fürſten, Regierungen, Vornehmen, Eleganten
und Geldbeſitzern unermüdlich vorzuſchreien! Das beſte Bild
für dieſen Zuſtand, der in den Künſten jetzt herrſcht, möchte
gar eine Galerie von den Werken der neuern Mahler liefern.

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[163/0171] iſt nicht ein Talent, wie es ſoll, welches an alle Kunſt erin- nert und heran führt, die höchſten menſchlichen Zuſtände of- fenbart und betrachten lehrt, uns wieder vor das Gemüth führt, was uns nur je in Naturerſcheinung anregend und ver- ſtändlich werden konnte, uns über elende Bedingungen und noch elendere Prahlſucht und Eitelkeiten hinwegführt, uns er- innert an Dinge, die wir nie ſahen und hörten, und von de- nen wir doch Erinnerungen in uns tragen, mit Einem Wort: uns zu dem Unausſprechlichen verſetzen; worunter alles Hohe, alles was Ehrfurcht gebietet und Freude ſchafft, verſtanden werden kann. Ein Komponiſt, der nur aus Eitelkeit und Imitationstrieb arbeitet, beleidigt noch vollſtändiger und dauer- hafter, wirkt noch verderblicher, da ſeine abgedruckten Mach- werke alle unkundigen Nachredner und Nachahmende leicht und ſchnell als Verderbnißförderndes immer weiter ab von aller wahrhaft belebenden Kunſtausübung und Beurtheilung führen. Ein abſcheuliches, prahleriſches, dünkelvolles Schein- treiben ſetzt ſich in die Stelle der ächten Kunſtübung und Liebe; welches, wie wirkliches Unkraut, den reichen genußſpen- denden Pflanzen Ort, Kraft und Leben raubt; es iſt erſt ein Krieg zu führen gegen dieſe Geſchlechter; ein Beweis, daß ſie ausgerottet werden müſſen, ſo geſetzlich und alles Schutzes ſich erfreuend, wie in einem Gehege, ſtehen ſie da; ſo wußte ein Kunſtjargon ſie Fürſten, Regierungen, Vornehmen, Eleganten und Geldbeſitzern unermüdlich vorzuſchreien! Das beſte Bild für dieſen Zuſtand, der in den Künſten jetzt herrſcht, möchte gar eine Galerie von den Werken der neuern Mahler liefern. 11 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/171>, abgerufen am 25.11.2024.