Nur tief wahr: den kürzesten Ausdruck gewählt; und der An- schein entsteht, als habe Einer nur witzig sein wollen, wenn auch nur scherzhaft sein können. "Beim dritten Testament wird der Mensch zugleich Christ und Heide sein, Früchte und Blüthen tragen;" und noch wunderschön! Wie viele Gedan- ken und Betrachtungen setzt solcher kurzer Ausspruch voraus! Welch unpartheiisches Schauen. Das ist Sinn für Geschichte! Wie schön spricht er weiterhin vom Schreiben derselben. Wie kurz und hinlänglich. Man kann beinah in einem so klei- nen Aufsatz nicht mehr sagen! hervorgegangen aus ernster, wohlmeinender, etwas verletzt- und geheilter Seele, und ehr- lichstem Untersuchen. Keine schwerfälligen Stiefel angeschnallt, zur schweren Reise: jeder kleine Gang wird mit demselben Ernst, in derselben Gesinnung unternommen, und gewährt auch reiche Ausbeute! Aus welchen guten, fast neu gewordenen Gründen empfiehlt er Lehrern für Schüler das Lesen der Al- ten! Wie ganz anders die Aufgeregten beschwichtigend, als durch dumme Lügen; -- dumm, da das Lügen der Klügsten auch den Dümmsten nie verborgen bleibt. Schön sagt er: "Weil wir den Umlauf der Menschheit nicht kennen, ver- wechslen wir die Witterung mit den Jahreszeiten," und wei- ter ausgeführt. Von den Alten redend, zeigt er uns unsere Zeit wie sie ist: und Einsicht in das Nothwendige versöhnt einzig. Im Vorbeigehen karakterisirt er mit einem Federstrich Jahrhunderte, und ihre Rädelsführer. So Richelieu, Alberoni: und empfiehlt Großartigere; und empfiehlt Autoren. Der Unterschied des deutschen und französischen Wissens, und der verschiedene Gebrauch, den die Nationen davon machen, ist
Nur tief wahr: den kürzeſten Ausdruck gewählt; und der An- ſchein entſteht, als habe Einer nur witzig ſein wollen, wenn auch nur ſcherzhaft ſein können. „Beim dritten Teſtament wird der Menſch zugleich Chriſt und Heide ſein, Früchte und Blüthen tragen;“ und noch wunderſchön! Wie viele Gedan- ken und Betrachtungen ſetzt ſolcher kurzer Ausſpruch voraus! Welch unpartheiiſches Schauen. Das iſt Sinn für Geſchichte! Wie ſchön ſpricht er weiterhin vom Schreiben derſelben. Wie kurz und hinlänglich. Man kann beinah in einem ſo klei- nen Aufſatz nicht mehr ſagen! hervorgegangen aus ernſter, wohlmeinender, etwas verletzt- und geheilter Seele, und ehr- lichſtem Unterſuchen. Keine ſchwerfälligen Stiefel angeſchnallt, zur ſchweren Reiſe: jeder kleine Gang wird mit demſelben Ernſt, in derſelben Geſinnung unternommen, und gewährt auch reiche Ausbeute! Aus welchen guten, faſt neu gewordenen Gründen empfiehlt er Lehrern für Schüler das Leſen der Al- ten! Wie ganz anders die Aufgeregten beſchwichtigend, als durch dumme Lügen; — dumm, da das Lügen der Klügſten auch den Dümmſten nie verborgen bleibt. Schön ſagt er: „Weil wir den Umlauf der Menſchheit nicht kennen, ver- wechslen wir die Witterung mit den Jahreszeiten,“ und wei- ter ausgeführt. Von den Alten redend, zeigt er uns unſere Zeit wie ſie iſt: und Einſicht in das Nothwendige verſöhnt einzig. Im Vorbeigehen karakteriſirt er mit einem Federſtrich Jahrhunderte, und ihre Rädelsführer. So Richelieu, Alberoni: und empfiehlt Großartigere; und empfiehlt Autoren. Der Unterſchied des deutſchen und franzöſiſchen Wiſſens, und der verſchiedene Gebrauch, den die Nationen davon machen, iſt
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Nur tief wahr: den kürzeſten Ausdruck gewählt; und der An-
ſchein entſteht, als habe Einer nur witzig ſein wollen, wenn
auch nur ſcherzhaft ſein können. „Beim dritten Teſtament
wird der Menſch zugleich Chriſt und Heide ſein, Früchte und
Blüthen tragen;“ und noch wunderſchön! Wie viele Gedan-
ken und Betrachtungen ſetzt ſolcher kurzer Ausſpruch voraus!
Welch unpartheiiſches Schauen. Das iſt Sinn für Geſchichte!
Wie ſchön ſpricht er weiterhin vom Schreiben derſelben. Wie
kurz und hinlänglich. Man kann beinah in einem ſo klei-
nen Aufſatz nicht mehr ſagen! hervorgegangen aus ernſter,
wohlmeinender, etwas verletzt- und geheilter Seele, und ehr-
lichſtem Unterſuchen. Keine ſchwerfälligen Stiefel angeſchnallt,
zur ſchweren Reiſe: jeder kleine Gang wird mit demſelben
Ernſt, in derſelben Geſinnung unternommen, und gewährt auch
reiche Ausbeute! Aus welchen guten, faſt neu gewordenen
Gründen empfiehlt er Lehrern für Schüler das Leſen der Al-
ten! Wie ganz anders die Aufgeregten beſchwichtigend, als
durch dumme Lügen; — dumm, da das Lügen der Klügſten
auch den Dümmſten nie verborgen bleibt. Schön ſagt er:
„Weil wir den Umlauf der Menſchheit nicht kennen, ver-
wechslen wir die Witterung mit den Jahreszeiten,“ und wei-
ter ausgeführt. Von den Alten redend, zeigt er uns unſere
Zeit wie ſie iſt: und Einſicht in das Nothwendige verſöhnt
einzig. Im Vorbeigehen karakteriſirt er mit einem Federſtrich
Jahrhunderte, und ihre Rädelsführer. So Richelieu, Alberoni:
und empfiehlt Großartigere; und empfiehlt Autoren. Der
Unterſchied des deutſchen und franzöſiſchen Wiſſens, und der
verſchiedene Gebrauch, den die Nationen davon machen, iſt
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/161>, abgerufen am 26.11.2024.
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