da, meine Gedanken an dich, mein Verlassen auf dich, alles, aber anstatt deiner, Entfernung, mit allen ihren Ungewißheiten. Wisse aber, um dich persönlich, und auch um niemand, äng- stige ich mich nicht. Aber den Himmel bestürme ich mit Ge- bet und Thränen, nämlich es werden immer Thränen, für uns Alle. Nicht, daß ich patriotischer als persönlich wäre: du weißt, ich verstehe nur den Gedanken: Alle, durch den: jeden; aber da jeder geht, und es jeden trifft, fasse ich nichts Cinzelnes mehr: und auch hauptsächlich! für Einen, für dich, für mich, kann ich mir ein Glück, ein Entkommen denken; für ein Gan- zes aber nur, weise Führung: oder, biblischen, unmittelbaren Gottesschutz. --
Frau von Fouque ist noch hier, hat mir aber nichts sa- gen lassen: ich ihr wieder nichts. Marwitz ist ganz entzückt, daß ich stolz bin, wie er's nennt: mir ist es ganz egal! So explizirt' ich's ihm; und so verstand er's auch. Heute schickte mir ein General mit einer Botenfrau aus Köpenick einen dicken durchstochenen Brief: die Frau sagte, es sei ein französischer General, und ich war sehr betreten. Der Brief war von Barnekow aus Jaroslaw vom 14. Oktober, der Ge- neral ein preußischer mit einem französischen Namen, worauf sich die Frau nicht besinnen konnte. Der Brief ist ganz aus seinem liebenswürdigen Herzen geströmt, und eben so ange- nehm, und zum Lachen. Das Schreiben tödtet mich; ich will ihm doch morgen schreiben. Hr. von Canitz, den ich nur einen Augenblick gesehen habe, scheint sehr artig zu sein; ich konnt' ihm gar nichts dergleichen erzeigen, weil er morgen früh ab- reist und seine Zeit gewiß besser braucht. Bestelle ihm dies
da, meine Gedanken an dich, mein Verlaſſen auf dich, alles, aber anſtatt deiner, Entfernung, mit allen ihren Ungewißheiten. Wiſſe aber, um dich perſönlich, und auch um niemand, äng- ſtige ich mich nicht. Aber den Himmel beſtürme ich mit Ge- bet und Thränen, nämlich es werden immer Thränen, für uns Alle. Nicht, daß ich patriotiſcher als perſönlich wäre: du weißt, ich verſtehe nur den Gedanken: Alle, durch den: jeden; aber da jeder geht, und es jeden trifft, faſſe ich nichts Cinzelnes mehr: und auch hauptſächlich! für Einen, für dich, für mich, kann ich mir ein Glück, ein Entkommen denken; für ein Gan- zes aber nur, weiſe Führung: oder, bibliſchen, unmittelbaren Gottesſchutz. —
Frau von Fouqué iſt noch hier, hat mir aber nichts ſa- gen laſſen: ich ihr wieder nichts. Marwitz iſt ganz entzückt, daß ich ſtolz bin, wie er’s nennt: mir iſt es ganz egal! So explizirt’ ich’s ihm; und ſo verſtand er’s auch. Heute ſchickte mir ein General mit einer Botenfrau aus Köpenick einen dicken durchſtochenen Brief: die Frau ſagte, es ſei ein franzöſiſcher General, und ich war ſehr betreten. Der Brief war von Barnekow aus Jaroslaw vom 14. Oktober, der Ge- neral ein preußiſcher mit einem franzöſiſchen Namen, worauf ſich die Frau nicht beſinnen konnte. Der Brief iſt ganz aus ſeinem liebenswürdigen Herzen geſtrömt, und eben ſo ange- nehm, und zum Lachen. Das Schreiben tödtet mich; ich will ihm doch morgen ſchreiben. Hr. von Canitz, den ich nur einen Augenblick geſehen habe, ſcheint ſehr artig zu ſein; ich konnt’ ihm gar nichts dergleichen erzeigen, weil er morgen früh ab- reiſt und ſeine Zeit gewiß beſſer braucht. Beſtelle ihm dies
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0092"n="84"/>
da, meine Gedanken an dich, mein Verlaſſen auf dich, alles,<lb/>
aber anſtatt deiner, Entfernung, mit allen ihren Ungewißheiten.<lb/>
Wiſſe aber, um dich perſönlich, und auch um niemand, äng-<lb/>ſtige ich mich nicht. Aber den Himmel <hirendition="#g">beſtürme</hi> ich mit Ge-<lb/>
bet und Thränen, nämlich es werden immer Thränen, für uns<lb/>
Alle. Nicht, daß ich patriotiſcher als perſönlich wäre: du weißt,<lb/>
ich verſtehe nur den Gedanken: Alle, durch den: jeden; aber<lb/>
da jeder geht, und es jeden trifft, faſſe ich nichts Cinzelnes<lb/>
mehr: und auch hauptſächlich! für <hirendition="#g">Einen</hi>, für <hirendition="#g">dich</hi>, für mich,<lb/>
kann ich mir ein Glück, ein Entkommen denken; für ein Gan-<lb/>
zes aber nur, weiſe Führung: oder, bibliſchen, unmittelbaren<lb/>
Gottesſchutz. —</p><lb/><p>Frau von Fouqu<hirendition="#aq">é</hi> iſt noch hier, hat mir aber nichts ſa-<lb/>
gen laſſen: ich ihr wieder nichts. Marwitz iſt ganz entzückt,<lb/>
daß ich ſtolz bin, wie er’s nennt: mir iſt es <hirendition="#g">ganz egal</hi>!<lb/>
So explizirt’ ich’s ihm; und ſo verſtand er’s auch. Heute<lb/>ſchickte mir ein General mit einer Botenfrau aus Köpenick<lb/>
einen dicken durchſtochenen Brief: die Frau ſagte, es ſei ein<lb/>
franzöſiſcher General, und ich war ſehr betreten. Der Brief<lb/>
war von Barnekow aus Jaroslaw vom 14. Oktober, der Ge-<lb/>
neral ein preußiſcher mit einem franzöſiſchen Namen, worauf<lb/>ſich die Frau nicht beſinnen konnte. Der Brief iſt ganz aus<lb/>ſeinem liebenswürdigen Herzen geſtrömt, und eben ſo ange-<lb/>
nehm, und zum Lachen. Das Schreiben tödtet mich; ich will<lb/>
ihm doch morgen ſchreiben. Hr. von Canitz, den ich nur einen<lb/>
Augenblick geſehen habe, ſcheint ſehr artig zu ſein; ich konnt’<lb/>
ihm gar nichts dergleichen erzeigen, weil er morgen früh ab-<lb/>
reiſt und ſeine Zeit gewiß beſſer braucht. Beſtelle ihm dies<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0092]
da, meine Gedanken an dich, mein Verlaſſen auf dich, alles,
aber anſtatt deiner, Entfernung, mit allen ihren Ungewißheiten.
Wiſſe aber, um dich perſönlich, und auch um niemand, äng-
ſtige ich mich nicht. Aber den Himmel beſtürme ich mit Ge-
bet und Thränen, nämlich es werden immer Thränen, für uns
Alle. Nicht, daß ich patriotiſcher als perſönlich wäre: du weißt,
ich verſtehe nur den Gedanken: Alle, durch den: jeden; aber
da jeder geht, und es jeden trifft, faſſe ich nichts Cinzelnes
mehr: und auch hauptſächlich! für Einen, für dich, für mich,
kann ich mir ein Glück, ein Entkommen denken; für ein Gan-
zes aber nur, weiſe Führung: oder, bibliſchen, unmittelbaren
Gottesſchutz. —
Frau von Fouqué iſt noch hier, hat mir aber nichts ſa-
gen laſſen: ich ihr wieder nichts. Marwitz iſt ganz entzückt,
daß ich ſtolz bin, wie er’s nennt: mir iſt es ganz egal!
So explizirt’ ich’s ihm; und ſo verſtand er’s auch. Heute
ſchickte mir ein General mit einer Botenfrau aus Köpenick
einen dicken durchſtochenen Brief: die Frau ſagte, es ſei ein
franzöſiſcher General, und ich war ſehr betreten. Der Brief
war von Barnekow aus Jaroslaw vom 14. Oktober, der Ge-
neral ein preußiſcher mit einem franzöſiſchen Namen, worauf
ſich die Frau nicht beſinnen konnte. Der Brief iſt ganz aus
ſeinem liebenswürdigen Herzen geſtrömt, und eben ſo ange-
nehm, und zum Lachen. Das Schreiben tödtet mich; ich will
ihm doch morgen ſchreiben. Hr. von Canitz, den ich nur einen
Augenblick geſehen habe, ſcheint ſehr artig zu ſein; ich konnt’
ihm gar nichts dergleichen erzeigen, weil er morgen früh ab-
reiſt und ſeine Zeit gewiß beſſer braucht. Beſtelle ihm dies
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/92>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.