die willkürlichste, die mir weder Ort, noch Menschen, noch Lage zeigt; diese armen Phantasmagoren gehen in eben sol- chen Gegenden spaziren, und reden mich wahrlich todt. Der einzige Trost ist, wenn man nach ihren allseitigen langen Be- hauptungen, von denen Tieck selbst nicht weiß, ob sie Scherz oder Ernst sein sollen, und wem er Recht giebt, Athem schöpft und sich gratulirt, nicht auch solche geschwätzige Tage mit den Herren und Damen verleben zu müssen! Ich müßte toll wer- den in den Sälen, Gärten, bei den Wasserfällen und Brun- nen; bei den leblosen Scherzen! Hübsch ist, was der Kranke von seinen Lektüren erzählt! Jetzt sind sie auf dem Gute, und wollen sich einander vorlesen. Tieck muß phantasiren in seiner eigenen Person, und komisch und ernst sein dürfen. Ein Stück Leben darf er nicht in ein Buch fassen wie Goethe, wo das noch mit hinein geht, von welchem er nicht spricht! Adieu. Schreiben Sie mir nicht mehr "Ihre ergebene," Karoline sans phrase ist besser. Ihre R. R. Über Tieck könnte ich noch lange sprechen, aber die Feder ist müde. Tausend Grüße den Kindern Mariens Knäuel liegt noch bei mir. Hrn. von Fou- que hab' ich nur als Geist vorbeischweben sehen. Vielleicht kommt auch mit dem Frieden Muße für uns Beide!
An Varnhagen, in Hamburg.
Berlin, Sonnabend den 27. März 1813.
Vor zwei Stunden, jetzt ist 1 Uhr, trat der Hr. von Ca- nitz bei mir herein, und überreichte mir deinen lieben Brief.
die willkürlichſte, die mir weder Ort, noch Menſchen, noch Lage zeigt; dieſe armen Phantasmagoren gehen in eben ſol- chen Gegenden ſpaziren, und reden mich wahrlich todt. Der einzige Troſt iſt, wenn man nach ihren allſeitigen langen Be- hauptungen, von denen Tieck ſelbſt nicht weiß, ob ſie Scherz oder Ernſt ſein ſollen, und wem er Recht giebt, Athem ſchöpft und ſich gratulirt, nicht auch ſolche geſchwätzige Tage mit den Herren und Damen verleben zu müſſen! Ich müßte toll wer- den in den Sälen, Gärten, bei den Waſſerfällen und Brun- nen; bei den lebloſen Scherzen! Hübſch iſt, was der Kranke von ſeinen Lektüren erzählt! Jetzt ſind ſie auf dem Gute, und wollen ſich einander vorleſen. Tieck muß phantaſiren in ſeiner eigenen Perſon, und komiſch und ernſt ſein dürfen. Ein Stück Leben darf er nicht in ein Buch faſſen wie Goethe, wo das noch mit hinein geht, von welchem er nicht ſpricht! Adieu. Schreiben Sie mir nicht mehr „Ihre ergebene,“ Karoline sans phrase iſt beſſer. Ihre R. R. Über Tieck könnte ich noch lange ſprechen, aber die Feder iſt müde. Tauſend Grüße den Kindern Mariens Knäuel liegt noch bei mir. Hrn. von Fou- qué hab’ ich nur als Geiſt vorbeiſchweben ſehen. Vielleicht kommt auch mit dem Frieden Muße für uns Beide!
An Varnhagen, in Hamburg.
Berlin, Sonnabend den 27. März 1813.
Vor zwei Stunden, jetzt iſt 1 Uhr, trat der Hr. von Ca- nitz bei mir herein, und überreichte mir deinen lieben Brief.
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die willkürlichſte, die mir weder Ort, noch Menſchen, noch
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einzige Troſt iſt, wenn man nach ihren allſeitigen langen Be-
hauptungen, von denen Tieck ſelbſt nicht weiß, ob ſie Scherz
oder Ernſt ſein ſollen, und wem er Recht giebt, Athem ſchöpft
und ſich gratulirt, nicht auch ſolche geſchwätzige Tage mit den
Herren und Damen verleben zu müſſen! Ich müßte toll wer-
den in den Sälen, Gärten, bei den Waſſerfällen und Brun-
nen; bei den lebloſen Scherzen! Hübſch iſt, was der Kranke
von ſeinen Lektüren erzählt! Jetzt ſind ſie auf dem Gute,
und wollen ſich einander vorleſen. Tieck muß phantaſiren in
ſeiner eigenen Perſon, und komiſch und ernſt ſein dürfen. Ein
Stück Leben darf er nicht in ein Buch faſſen wie Goethe, wo
das noch mit hinein geht, von welchem er nicht ſpricht! Adieu.
Schreiben Sie mir nicht mehr „Ihre ergebene,“ Karoline sans
phrase iſt beſſer. Ihre R. R. Über Tieck könnte ich noch
lange ſprechen, aber die Feder iſt müde. Tauſend Grüße den
Kindern Mariens Knäuel liegt noch bei mir. Hrn. von Fou-
qué hab’ ich nur als Geiſt vorbeiſchweben ſehen. Vielleicht
kommt auch mit dem Frieden Muße für uns Beide!
An Varnhagen, in Hamburg.
Berlin, Sonnabend den 27. März 1813.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/90>, abgerufen am 22.12.2024.
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