war darin recht wach; so haben Sie mir die Mutine -- so soll sie heißen -- und die Mutter überaus treffend geschildert. Ich sage Ihnen frei heraus, ich war doch überrascht von ihr. Sie war so verdrießlich und stellte sich so roh dar, daß es mich auch in der Klasse, worin sie gehört, und ich sie ver- muthen konnte, frappirte! Wie ich Ihnen schon schrieb, sie war ängstlich, und bei ihr wurde dies zum höchsten Maulen, so daß sie nicht einmal hübsch war, was mich am meisten wunderte. Mein Reden, mein Zureden, meine Aufnahme, das artige Haus, in das sie kommen soll, die anständige Wirthin, brachten sie zu sich selbst; und es kamen Sonnenscheine von Jugend und Hübschheit über sie. -- Doch über den gestrigen Abend, und über die Person mündlich. -- Viel etwas Wichti- geres! Das Mädchen ist einmal fertig auf der Welt wie sie da ist. Was sich mit ihr zugetragen, ist geschehen; und dar- um ganz gut. Jedes Ereigniß ist roh, und nur das, was wir daraus bilden; dies im menschlichsten Vereine, des Geistes, der Einsicht, und des besten Willens zu thun, sei unser Werk! Ich bin der Meinung, daß die neun dunklen Monate, die ein Kind mit seiner Mutter zuzubringen hat, vom größten Ein- fluß auf sein ganzes Werden sind; da das Kind meines wer- den soll, und Sie versprochen haben ihm Versorger zu sein, so habe ich sehr darauf bestanden, daß es, auch noch blind, schon in edlen, freundlichen, für die Mutter gewiß erhebenden Umgebungen umhergetragen werde; und daß bessere Sitte, und Laune, ihm mit Gewalt, durch und in das Blut einge- flößt werden! und aus dieser großen Rücksicht eine Mehraus- gabe nicht gescheut. Nun haben Sie noch zu thun; denn
war darin recht wach; ſo haben Sie mir die Mutine — ſo ſoll ſie heißen — und die Mutter überaus treffend geſchildert. Ich ſage Ihnen frei heraus, ich war doch überraſcht von ihr. Sie war ſo verdrießlich und ſtellte ſich ſo roh dar, daß es mich auch in der Klaſſe, worin ſie gehört, und ich ſie ver- muthen konnte, frappirte! Wie ich Ihnen ſchon ſchrieb, ſie war ängſtlich, und bei ihr wurde dies zum höchſten Maulen, ſo daß ſie nicht einmal hübſch war, was mich am meiſten wunderte. Mein Reden, mein Zureden, meine Aufnahme, das artige Haus, in das ſie kommen ſoll, die anſtändige Wirthin, brachten ſie zu ſich ſelbſt; und es kamen Sonnenſcheine von Jugend und Hübſchheit über ſie. — Doch über den geſtrigen Abend, und über die Perſon mündlich. — Viel etwas Wichti- geres! Das Mädchen iſt einmal fertig auf der Welt wie ſie da iſt. Was ſich mit ihr zugetragen, iſt geſchehen; und dar- um ganz gut. Jedes Ereigniß iſt roh, und nur das, was wir daraus bilden; dies im menſchlichſten Vereine, des Geiſtes, der Einſicht, und des beſten Willens zu thun, ſei unſer Werk! Ich bin der Meinung, daß die neun dunklen Monate, die ein Kind mit ſeiner Mutter zuzubringen hat, vom größten Ein- fluß auf ſein ganzes Werden ſind; da das Kind meines wer- den ſoll, und Sie verſprochen haben ihm Verſorger zu ſein, ſo habe ich ſehr darauf beſtanden, daß es, auch noch blind, ſchon in edlen, freundlichen, für die Mutter gewiß erhebenden Umgebungen umhergetragen werde; und daß beſſere Sitte, und Laune, ihm mit Gewalt, durch und in das Blut einge- flößt werden! und aus dieſer großen Rückſicht eine Mehraus- gabe nicht geſcheut. Nun haben Sie noch zu thun; denn
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war darin recht wach; ſo haben Sie mir die Mutine — ſo
ſoll ſie heißen — und die Mutter überaus treffend geſchildert.
Ich ſage Ihnen frei heraus, ich war doch überraſcht von ihr.
Sie war ſo verdrießlich und ſtellte ſich ſo roh dar, daß es
mich auch in der Klaſſe, worin ſie gehört, und ich ſie ver-
muthen konnte, frappirte! Wie ich Ihnen ſchon ſchrieb, ſie
war ängſtlich, und bei ihr wurde dies zum höchſten Maulen,
ſo daß ſie nicht einmal hübſch war, was mich am meiſten
wunderte. Mein Reden, mein Zureden, meine Aufnahme, das
artige Haus, in das ſie kommen ſoll, die anſtändige Wirthin,
brachten ſie zu ſich ſelbſt; und es kamen Sonnenſcheine von
Jugend und Hübſchheit über ſie. — Doch über den geſtrigen
Abend, und über die Perſon mündlich. — Viel etwas Wichti-
geres! Das Mädchen iſt einmal fertig auf der Welt wie ſie
da iſt. Was ſich mit ihr zugetragen, iſt geſchehen; und dar-
um ganz gut. Jedes Ereigniß iſt roh, und nur das, was
wir daraus bilden; dies im menſchlichſten Vereine, des Geiſtes,
der Einſicht, und des beſten Willens zu thun, ſei unſer Werk!
Ich bin der Meinung, daß die neun dunklen Monate, die ein
Kind mit ſeiner Mutter zuzubringen hat, vom größten Ein-
fluß auf ſein ganzes Werden ſind; da das Kind meines wer-
den ſoll, und Sie verſprochen haben ihm Verſorger zu ſein,
ſo habe ich ſehr darauf beſtanden, daß es, auch noch blind,
ſchon in edlen, freundlichen, für die Mutter gewiß erhebenden
Umgebungen umhergetragen werde; und daß beſſere Sitte,
und Laune, ihm mit Gewalt, durch und in das Blut einge-
flößt werden! und aus dieſer großen Rückſicht eine Mehraus-
gabe nicht geſcheut. Nun haben Sie noch zu thun; denn
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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