Wittwer, der Schütz, der den Lacrimas, und jetzt einen Karl den Kühnen geschrieben hat, und Politisches. Ein sanfter ge- bildeter Mensch, Friedrich Schlegels Freund, um dessentwillen er nach Wien gehen will, und dort war. Mündlich könnt' ich anders von ihm sprechen. Ferner Pitt Arnim, Achims Bruder -- der Sie gesehen hat --, Varnhagen, und ich: der Abend war belebt, lachend, sehr gut; aber mir doch zu lang, ich halte nichts mehr ausgedehnt aus. Heute Abend ich, bei der Hofräthin Herz -- mit? Fräulein von Imhoff, -- der Schwester von Lesbos --, und Mehrern. Sind das nicht Geister? Noch ein Wunder! Diese Generalin Helvig kenne ich noch nicht. Nämlich, vor vielen Jahren war ich einmal mit ihr und ihren beiden Schwestern bei Mad. Sander -- die ich noch sehe --, wo sie mich wollte kennen lernen; ich hatte aber damals schon den Namen Robert, und so meinte sie, ich sei's nicht; ich, die dies nicht wußte, trat nicht vor, und mußte den ganzen Abend nur! mit Heinrich Kleist und Adam Müller sprechen; weil Achim Arnim und Clemens Bren- tano in schwarzen Theekleidern und Bestrumpfung aus Re- spekt vor der interessanten vornehmen Dame rempart spielten, und niemand in der Hitze heran ließen. Kleist, mit straßenbe- schädigten Stieflen, und ich, lachten heimlich in einem Winkel und amüsirten uns mit uns selbst. Ich erfuhr erst nachher die bevue, und die verfehlte Bekanntschaft: Frau von Helvig konnte es gar nicht vergessen mit den Namen! Sie wußte nur von hoch-, ich aber von falschgeboren. Nun soll heute die Einrenkung als Frau von Varnhagen geschehen: ich erbot mich zu der Operation. Weil ich Mad. de Ron, eine sehr liebe
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Wittwer, der Schütz, der den Lacrimas, und jetzt einen Karl den Kühnen geſchrieben hat, und Politiſches. Ein ſanfter ge- bildeter Menſch, Friedrich Schlegels Freund, um deſſentwillen er nach Wien gehen will, und dort war. Mündlich könnt’ ich anders von ihm ſprechen. Ferner Pitt Arnim, Achims Bruder — der Sie geſehen hat —, Varnhagen, und ich: der Abend war belebt, lachend, ſehr gut; aber mir doch zu lang, ich halte nichts mehr ausgedehnt aus. Heute Abend ich, bei der Hofräthin Herz — mit? Fräulein von Imhoff, — der Schweſter von Lesbos —, und Mehrern. Sind das nicht Geiſter? Noch ein Wunder! Dieſe Generalin Helvig kenne ich noch nicht. Nämlich, vor vielen Jahren war ich einmal mit ihr und ihren beiden Schweſtern bei Mad. Sander — die ich noch ſehe —, wo ſie mich wollte kennen lernen; ich hatte aber damals ſchon den Namen Robert, und ſo meinte ſie, ich ſei’s nicht; ich, die dies nicht wußte, trat nicht vor, und mußte den ganzen Abend nur! mit Heinrich Kleiſt und Adam Müller ſprechen; weil Achim Arnim und Clemens Bren- tano in ſchwarzen Theekleidern und Beſtrumpfung aus Re- ſpekt vor der intereſſanten vornehmen Dame rempart ſpielten, und niemand in der Hitze heran ließen. Kleiſt, mit ſtraßenbe- ſchädigten Stieflen, und ich, lachten heimlich in einem Winkel und amüſirten uns mit uns ſelbſt. Ich erfuhr erſt nachher die bévue, und die verfehlte Bekanntſchaft: Frau von Helvig konnte es gar nicht vergeſſen mit den Namen! Sie wußte nur von hoch-, ich aber von falſchgeboren. Nun ſoll heute die Einrenkung als Frau von Varnhagen geſchehen: ich erbot mich zu der Operation. Weil ich Mad. de Ron, eine ſehr liebe
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Wittwer, der Schütz, der den Lacrimas, und jetzt einen Karl
den Kühnen geſchrieben hat, und Politiſches. Ein ſanfter ge-
bildeter Menſch, Friedrich Schlegels Freund, um deſſentwillen
er nach Wien gehen will, und dort war. Mündlich könnt’
ich anders von ihm ſprechen. Ferner Pitt Arnim, Achims
Bruder — der Sie geſehen hat —, Varnhagen, und ich: der
Abend war belebt, lachend, ſehr gut; aber mir doch zu lang,
ich halte nichts mehr ausgedehnt aus. Heute Abend ich, bei
der Hofräthin Herz — mit? Fräulein von Imhoff, — der
Schweſter von Lesbos —, und Mehrern. Sind das nicht
Geiſter? Noch ein Wunder! Dieſe Generalin Helvig kenne
ich noch nicht. Nämlich, vor vielen Jahren war ich einmal
mit ihr und ihren beiden Schweſtern bei Mad. Sander —
die ich noch ſehe —, wo ſie mich wollte kennen lernen; ich
hatte aber damals ſchon den Namen Robert, und ſo meinte
ſie, ich ſei’s nicht; ich, die dies nicht wußte, trat nicht vor,
und mußte den ganzen Abend nur! mit Heinrich Kleiſt und
Adam Müller ſprechen; weil Achim Arnim und Clemens Bren-
tano in ſchwarzen Theekleidern und Beſtrumpfung aus Re-
ſpekt vor der intereſſanten vornehmen Dame rempart ſpielten,
und niemand in der Hitze heran ließen. Kleiſt, mit ſtraßenbe-
ſchädigten Stieflen, und ich, lachten heimlich in einem Winkel
und amüſirten uns mit uns ſelbſt. Ich erfuhr erſt nachher
die bévue, und die verfehlte Bekanntſchaft: Frau von Helvig
konnte es gar nicht vergeſſen mit den Namen! Sie wußte
nur von hoch-, ich aber von falſchgeboren. Nun ſoll heute
die Einrenkung als Frau von Varnhagen geſchehen: ich erbot
mich zu der Operation. Weil ich Mad. de Ron, eine ſehr liebe
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/619>, abgerufen am 27.11.2024.
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