mir schon auf das Konversationshaus mitgenommen. Wir tranken noch Thee, zu Hause. Recht ruhig, an dich nur den- kend! -- Ist es nicht einzig, daß ich dir so große Briefe von hier schreiben kann? Und dabei noch nicht, wie ich dich liebe, dich misse, dich wünsche! Lieber August! Sei geduldig, ich bin's auch; bald bist du hier! Morgen ist der 22ste; willst du wohl dem Wirth - - Gulden schicken? Ich gebe sie dir wieder, theurer Sohn! Lieber! Potemkin hat auch schon gegen Robert die Karlsruher Stände gelobt: und findet sie wunder mäßig und anständig in Vergleich der Pariser, die er kennt. Das ist hübsch!
Es regnet noch, wird aber ein wenig heller. Adieu, mein Liebster!
An Varnhagen, in Karlsruhe.
Baden, Donnerstag Mittag halb 2. den 22. Juli 1819.
Helle schwüle Sonne auf nassem Boden.
Ich machte mir das graue Wetter zu Nutze, und ging zu den Damen, die ich besuchen mußte. Dann ging ich einen Augenblick zur Mutter Müllinen, um zu sehen, was die Arme macht, die ganz beglückt ist, wenn man nach ihr sieht: sie kann sich nicht regen, und leidet nun noch an den Augen, so daß sie nicht lesen kann. -- Gestern strömte es den ganzen Tag. Um 7 fuhr ich zur Gräfin Müllinon, bis gegen 9. Ich las ihr etwas von Sappho und etwas zerstreute Sachen von Goethe. Dann ging ich noch zu Lady Caledon, die mich par billet eingeladen hatte, mich immerweg besucht, und wo ich
mir ſchon auf das Konverſationshaus mitgenommen. Wir tranken noch Thee, zu Hauſe. Recht ruhig, an dich nur den- kend! — Iſt es nicht einzig, daß ich dir ſo große Briefe von hier ſchreiben kann? Und dabei noch nicht, wie ich dich liebe, dich miſſe, dich wünſche! Lieber Auguſt! Sei geduldig, ich bin’s auch; bald biſt du hier! Morgen iſt der 22ſte; willſt du wohl dem Wirth ‒ ‒ Gulden ſchicken? Ich gebe ſie dir wieder, theurer Sohn! Lieber! Potemkin hat auch ſchon gegen Robert die Karlsruher Stände gelobt: und findet ſie wunder mäßig und anſtändig in Vergleich der Pariſer, die er kennt. Das iſt hübſch!
Es regnet noch, wird aber ein wenig heller. Adieu, mein Liebſter!
An Varnhagen, in Karlsruhe.
Baden, Donnerstag Mittag halb 2. den 22. Juli 1819.
Helle ſchwüle Sonne auf naſſem Boden.
Ich machte mir das graue Wetter zu Nutze, und ging zu den Damen, die ich beſuchen mußte. Dann ging ich einen Augenblick zur Mutter Müllinen, um zu ſehen, was die Arme macht, die ganz beglückt iſt, wenn man nach ihr ſieht: ſie kann ſich nicht regen, und leidet nun noch an den Augen, ſo daß ſie nicht leſen kann. — Geſtern ſtrömte es den ganzen Tag. Um 7 fuhr ich zur Gräfin Müllinon, bis gegen 9. Ich las ihr etwas von Sappho und etwas zerſtreute Sachen von Goethe. Dann ging ich noch zu Lady Caledon, die mich par billet eingeladen hatte, mich immerweg beſucht, und wo ich
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mir ſchon auf das Konverſationshaus mitgenommen. Wir
tranken noch Thee, zu Hauſe. Recht ruhig, an dich nur den-
kend! — Iſt es nicht einzig, daß ich dir ſo große Briefe von
hier ſchreiben kann? Und dabei noch nicht, wie ich dich liebe,
dich miſſe, dich wünſche! Lieber Auguſt! Sei geduldig, ich
bin’s auch; bald biſt du hier! Morgen iſt der 22ſte; willſt
du wohl dem Wirth ‒ ‒ Gulden ſchicken? Ich gebe ſie dir
wieder, theurer Sohn! Lieber! Potemkin hat auch ſchon
gegen Robert die Karlsruher Stände gelobt: und findet ſie
wunder mäßig und anſtändig in Vergleich der Pariſer, die
er kennt. Das iſt hübſch!
Es regnet noch, wird aber ein wenig heller. Adieu,
mein Liebſter!
An Varnhagen, in Karlsruhe.
Baden, Donnerstag Mittag halb 2. den 22. Juli 1819.
Helle ſchwüle Sonne auf naſſem Boden.
Ich machte mir das graue Wetter zu Nutze, und ging zu
den Damen, die ich beſuchen mußte. Dann ging ich einen
Augenblick zur Mutter Müllinen, um zu ſehen, was die Arme
macht, die ganz beglückt iſt, wenn man nach ihr ſieht: ſie
kann ſich nicht regen, und leidet nun noch an den Augen, ſo
daß ſie nicht leſen kann. — Geſtern ſtrömte es den ganzen
Tag. Um 7 fuhr ich zur Gräfin Müllinon, bis gegen 9. Ich
las ihr etwas von Sappho und etwas zerſtreute Sachen von
Goethe. Dann ging ich noch zu Lady Caledon, die mich par
billet eingeladen hatte, mich immerweg beſucht, und wo ich
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/594>, abgerufen am 22.12.2024.
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