nun wohl auch dort halten; jedoch haben sie noch während dem Ständewesen Statt, und geniren bloß. -- Du schreibst mir doch noch, ob ich dich zu Sonntag sehe! -- Börne's Ankündigung ist prächtig! Ach! wie lebendig noch: sie rei- ben's einem ab! Der Milder will ich gleich nach diesem Brief antworten. Oelsners Brief ist auch sehr schön. Ach! wär' ich nur bei dir! Du taugst dir nicht allein! Hätten wir nur unsere Prinzen mit einander gesehen! Schreiben mag ich nichts. Die Empfindungen eines Bruders hat er mir gemacht. Nur Geschwister können einen auf die Art freuen und ärgern. --
Die Schriften, die du mir geschickt hast, gefielen mir sehr. -- Wann werden die Altfränkschen gewahr werden, daß sie kein Mensch mehr für geputzt und schön angezogen hält? Dieses Wann meine ich ohne alle hergebrachte Ironie: ich kann mir den Augenblick nicht denken, der es ihnen evi- dent machen wird, daß dergleichen dumme Worte, wie sie gebrauchen, keinen Sinn haben, und von niemand für eine Gegenrede oder Vorschlag gehalten werden: welch Ereigniß muß sich dazu einstellen, losbrechen, oder auseinanderlegen? Ich frage dies? Ich glaube, viele vornehme deutsche Beamte lesen alles dies nicht; und denken: "Dummes, gedrucktes Zeug! wir werden das schon besprechen!" Sonst müßte ihre Auf- merksamkeit mit Bürsten wach gerieben werden! Es ist unbe- greiflich, den Feuerlärm nicht zu hören, wenn man auch keine Gluth sieht, und fühlt. Es antwortet ihnen ja die ganze Welt! in allen Sprachen, auf jede dumme, oder Ausrede!
nun wohl auch dort halten; jedoch haben ſie noch während dem Ständeweſen Statt, und geniren bloß. — Du ſchreibſt mir doch noch, ob ich dich zu Sonntag ſehe! — Börne’s Ankündigung iſt prächtig! Ach! wie lebendig noch: ſie rei- ben’s einem ab! Der Milder will ich gleich nach dieſem Brief antworten. Oelsners Brief iſt auch ſehr ſchön. Ach! wär’ ich nur bei dir! Du taugſt dir nicht allein! Hätten wir nur unſere Prinzen mit einander geſehen! Schreiben mag ich nichts. Die Empfindungen eines Bruders hat er mir gemacht. Nur Geſchwiſter können einen auf die Art freuen und ärgern. —
Die Schriften, die du mir geſchickt haſt, gefielen mir ſehr. — Wann werden die Altfränkſchen gewahr werden, daß ſie kein Menſch mehr für geputzt und ſchön angezogen hält? Dieſes Wann meine ich ohne alle hergebrachte Ironie: ich kann mir den Augenblick nicht denken, der es ihnen evi- dent machen wird, daß dergleichen dumme Worte, wie ſie gebrauchen, keinen Sinn haben, und von niemand für eine Gegenrede oder Vorſchlag gehalten werden: welch Ereigniß muß ſich dazu einſtellen, losbrechen, oder auseinanderlegen? Ich frage dies? Ich glaube, viele vornehme deutſche Beamte leſen alles dies nicht; und denken: „Dummes, gedrucktes Zeug! wir werden das ſchon beſprechen!“ Sonſt müßte ihre Auf- merkſamkeit mit Bürſten wach gerieben werden! Es iſt unbe- greiflich, den Feuerlärm nicht zu hören, wenn man auch keine Gluth ſieht, und fühlt. Es antwortet ihnen ja die ganze Welt! in allen Sprachen, auf jede dumme, oder Ausrede!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0590"n="582"/>
nun wohl auch dort halten; jedoch haben ſie noch während<lb/>
dem Ständeweſen Statt, und geniren bloß. — Du ſchreibſt<lb/>
mir doch noch, ob ich dich zu Sonntag ſehe! — Börne’s<lb/>
Ankündigung iſt prächtig! Ach! wie lebendig noch: ſie rei-<lb/>
ben’s einem ab! Der Milder will ich gleich nach dieſem<lb/>
Brief antworten. Oelsners Brief iſt auch ſehr ſchön. Ach!<lb/>
wär’ ich nur bei dir! Du taugſt dir nicht allein! Hätten<lb/>
wir nur unſere Prinzen mit einander geſehen! Schreiben mag<lb/>
ich nichts. Die Empfindungen eines <hirendition="#g">Bruders</hi> hat er mir<lb/>
gemacht. Nur Geſchwiſter können einen auf die Art freuen<lb/>
und ärgern. —</p><lb/><p>Die Schriften, die du mir geſchickt haſt, gefielen mir ſehr.<lb/>—<hirendition="#g">Wann</hi> werden die Altfränkſchen gewahr werden, daß ſie<lb/>
kein Menſch mehr für geputzt und ſchön angezogen hält?<lb/>
Dieſes <hirendition="#g">Wann</hi> meine ich ohne alle hergebrachte Ironie:<lb/>
ich kann mir den Augenblick nicht denken, der es ihnen evi-<lb/>
dent machen wird, daß dergleichen dumme Worte, wie ſie<lb/>
gebrauchen, keinen Sinn haben, und von niemand für eine<lb/>
Gegenrede oder Vorſchlag gehalten werden: welch Ereigniß<lb/>
muß ſich dazu einſtellen, losbrechen, oder auseinanderlegen?<lb/>
Ich frage dies? Ich glaube, viele vornehme deutſche Beamte<lb/>
leſen alles dies nicht; und denken: „Dummes, gedrucktes Zeug!<lb/>
wir werden das ſchon beſprechen!“ Sonſt <hirendition="#g">müßte</hi> ihre Auf-<lb/>
merkſamkeit mit Bürſten wach gerieben werden! Es iſt unbe-<lb/>
greiflich, den Feuerlärm nicht zu hören, wenn man auch keine<lb/>
Gluth ſieht, und fühlt. Es antwortet ihnen ja die <hirendition="#g">ganze<lb/>
Welt!</hi> in allen Sprachen, auf jede dumme, oder Ausrede!<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[582/0590]
nun wohl auch dort halten; jedoch haben ſie noch während
dem Ständeweſen Statt, und geniren bloß. — Du ſchreibſt
mir doch noch, ob ich dich zu Sonntag ſehe! — Börne’s
Ankündigung iſt prächtig! Ach! wie lebendig noch: ſie rei-
ben’s einem ab! Der Milder will ich gleich nach dieſem
Brief antworten. Oelsners Brief iſt auch ſehr ſchön. Ach!
wär’ ich nur bei dir! Du taugſt dir nicht allein! Hätten
wir nur unſere Prinzen mit einander geſehen! Schreiben mag
ich nichts. Die Empfindungen eines Bruders hat er mir
gemacht. Nur Geſchwiſter können einen auf die Art freuen
und ärgern. —
Die Schriften, die du mir geſchickt haſt, gefielen mir ſehr.
— Wann werden die Altfränkſchen gewahr werden, daß ſie
kein Menſch mehr für geputzt und ſchön angezogen hält?
Dieſes Wann meine ich ohne alle hergebrachte Ironie:
ich kann mir den Augenblick nicht denken, der es ihnen evi-
dent machen wird, daß dergleichen dumme Worte, wie ſie
gebrauchen, keinen Sinn haben, und von niemand für eine
Gegenrede oder Vorſchlag gehalten werden: welch Ereigniß
muß ſich dazu einſtellen, losbrechen, oder auseinanderlegen?
Ich frage dies? Ich glaube, viele vornehme deutſche Beamte
leſen alles dies nicht; und denken: „Dummes, gedrucktes Zeug!
wir werden das ſchon beſprechen!“ Sonſt müßte ihre Auf-
merkſamkeit mit Bürſten wach gerieben werden! Es iſt unbe-
greiflich, den Feuerlärm nicht zu hören, wenn man auch keine
Gluth ſieht, und fühlt. Es antwortet ihnen ja die ganze
Welt! in allen Sprachen, auf jede dumme, oder Ausrede!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/590>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.