hemmen die Begränzten die seltenen schönen Schwingen unse- rer Vornehmsten! -- Neulich las ich in zwei Abenden wie- der Phedre, Esther, Iphigenie und Athalie mit Leidenschaft, Ehrfurcht und Entzücken! Mit höchster Liebe. Je mehr ich verstehe, je mehr bewundre ich den englischen, süßen, starken Racine. Adieu!
Ihre R.
Fürst Hardenberg soll nach Italien gehen; sagt man? Ich habe Koreff gefragt, ob's wahr ist. Mit einem Kourier.
An Oelsner, in Paris.
Karlsruhe, Freitag den 12. März 1819.
Dies wird nur ein Freundesgruß, der Ihnen einen künf- tigen Brief ankündigen soll. Schreiben Sie nur hübsch wei- ter! Auch ich werde Ihnen melden, was ich weiß, d. h. was ich denke über alles Altfränkische: mir kommen die Tages- dummheiten durchaus als solches vor. Kopfungelenkigkeit; Herzenskälte, Stagnation darin; und Dünkel, da man Ein- mal nicht hinter dem Pfluge steht und hinter dem Spinnrad sitzt; das irrt Gemeine, und täuscht sie bei Schlepprock, und Manschette! Adieu! Viele Grüße für Sie und Mad. Oels- ner! Wenn Sie schöne Pariser Frühlingsbouquette sehen, ge- denken Sie meiner! An solche Sachen denk' ich. Haben Sie die Custine'sche Familie gesehen? Sind die schon oder noch in Paris? Ist Gräfin Schlabrendorf noch dort? Ant- worten Sie gütigst auf diese Fragen! Leben Sie wohl!
Ihre R.
hemmen die Begränzten die ſeltenen ſchönen Schwingen unſe- rer Vornehmſten! — Neulich las ich in zwei Abenden wie- der Phedre, Eſther, Iphigenie und Athalie mit Leidenſchaft, Ehrfurcht und Entzücken! Mit höchſter Liebe. Je mehr ich verſtehe, je mehr bewundre ich den engliſchen, ſüßen, ſtarken Racine. Adieu!
Ihre R.
Fürſt Hardenberg ſoll nach Italien gehen; ſagt man? Ich habe Koreff gefragt, ob’s wahr iſt. Mit einem Kourier.
An Oelsner, in Paris.
Karlsruhe, Freitag den 12. März 1819.
Dies wird nur ein Freundesgruß, der Ihnen einen künf- tigen Brief ankündigen ſoll. Schreiben Sie nur hübſch wei- ter! Auch ich werde Ihnen melden, was ich weiß, d. h. was ich denke über alles Altfränkiſche: mir kommen die Tages- dummheiten durchaus als ſolches vor. Kopfungelenkigkeit; Herzenskälte, Stagnation darin; und Dünkel, da man Ein- mal nicht hinter dem Pfluge ſteht und hinter dem Spinnrad ſitzt; das irrt Gemeine, und täuſcht ſie bei Schlepprock, und Manſchette! Adieu! Viele Grüße für Sie und Mad. Oels- ner! Wenn Sie ſchöne Pariſer Frühlingsbouquette ſehen, ge- denken Sie meiner! An ſolche Sachen denk’ ich. Haben Sie die Cuſtine’ſche Familie geſehen? Sind die ſchon oder noch in Paris? Iſt Gräfin Schlabrendorf noch dort? Ant- worten Sie gütigſt auf dieſe Fragen! Leben Sie wohl!
Ihre R.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0579"n="571"/>
hemmen die Begränzten die ſeltenen ſchönen Schwingen unſe-<lb/>
rer <hirendition="#g">Vornehmſten</hi>! — Neulich las ich in zwei Abenden wie-<lb/>
der Phedre, Eſther, Iphigenie und Athalie mit Leidenſchaft,<lb/>
Ehrfurcht und Entzücken! Mit höchſter Liebe. Je mehr ich<lb/>
verſtehe, je mehr bewundre ich den engliſchen, ſüßen, <hirendition="#g">ſtarken</hi><lb/>
Racine. Adieu!</p><closer><salute><hirendition="#et">Ihre R.</hi></salute></closer><lb/><postscript><p>Fürſt Hardenberg ſoll nach Italien gehen; ſagt man?<lb/>
Ich habe Koreff gefragt, ob’s wahr iſt. Mit einem Kourier.</p></postscript></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Oelsner, in Paris.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Karlsruhe, Freitag den 12. März 1819.</hi></dateline><lb/><p>Dies wird nur ein Freundesgruß, der Ihnen einen künf-<lb/>
tigen Brief ankündigen ſoll. Schreiben <hirendition="#g">Sie</hi> nur hübſch wei-<lb/>
ter! Auch ich werde Ihnen melden, was ich weiß, d. h. was<lb/>
ich denke über alles Altfränkiſche: mir kommen die Tages-<lb/>
dummheiten durchaus als ſolches vor. Kopfungelenkigkeit;<lb/>
Herzenskälte, Stagnation darin; und <hirendition="#g">Dünkel</hi>, da man Ein-<lb/>
mal <hirendition="#g">nicht</hi> hinter dem Pfluge ſteht und hinter dem Spinnrad<lb/>ſitzt; das irrt Gemeine, und täuſcht ſie bei Schlepprock, und<lb/>
Manſchette! Adieu! Viele Grüße für Sie und Mad. Oels-<lb/>
ner! Wenn Sie ſchöne Pariſer Frühlingsbouquette ſehen, ge-<lb/>
denken Sie meiner! An <hirendition="#g">ſolche</hi> Sachen denk’ ich. Haben<lb/>
Sie die Cuſtine’ſche Familie geſehen? Sind die ſchon oder<lb/>
noch in Paris? Iſt Gräfin Schlabrendorf noch dort? Ant-<lb/>
worten Sie gütigſt auf dieſe Fragen! Leben Sie wohl!</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Ihre R.</hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[571/0579]
hemmen die Begränzten die ſeltenen ſchönen Schwingen unſe-
rer Vornehmſten! — Neulich las ich in zwei Abenden wie-
der Phedre, Eſther, Iphigenie und Athalie mit Leidenſchaft,
Ehrfurcht und Entzücken! Mit höchſter Liebe. Je mehr ich
verſtehe, je mehr bewundre ich den engliſchen, ſüßen, ſtarken
Racine. Adieu!
Ihre R.
Fürſt Hardenberg ſoll nach Italien gehen; ſagt man?
Ich habe Koreff gefragt, ob’s wahr iſt. Mit einem Kourier.
An Oelsner, in Paris.
Karlsruhe, Freitag den 12. März 1819.
Dies wird nur ein Freundesgruß, der Ihnen einen künf-
tigen Brief ankündigen ſoll. Schreiben Sie nur hübſch wei-
ter! Auch ich werde Ihnen melden, was ich weiß, d. h. was
ich denke über alles Altfränkiſche: mir kommen die Tages-
dummheiten durchaus als ſolches vor. Kopfungelenkigkeit;
Herzenskälte, Stagnation darin; und Dünkel, da man Ein-
mal nicht hinter dem Pfluge ſteht und hinter dem Spinnrad
ſitzt; das irrt Gemeine, und täuſcht ſie bei Schlepprock, und
Manſchette! Adieu! Viele Grüße für Sie und Mad. Oels-
ner! Wenn Sie ſchöne Pariſer Frühlingsbouquette ſehen, ge-
denken Sie meiner! An ſolche Sachen denk’ ich. Haben
Sie die Cuſtine’ſche Familie geſehen? Sind die ſchon oder
noch in Paris? Iſt Gräfin Schlabrendorf noch dort? Ant-
worten Sie gütigſt auf dieſe Fragen! Leben Sie wohl!
Ihre R.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/579>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.