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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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dann wäre jede Ehe, schon bloß als solche, der höchste mensch-
liche Zustand: so aber ist es nicht: und man liebt, hegt,
pflegt wohl die Wünsche der Seinigen; fügt sich ihnen; macht
sie sich zur höchsten Sorge, und dringendsten Beschäftigung:
aber erfüllen, erholen, uns ausruhen, zu fernerer Thätigkeit,
und Tragen, können die uns nicht; oder auf unser ganzes
Leben hinaus stärken und kräftigen. Dies ist der Grund des
vielen Frivolen, was man bei Weibren sieht, und zu sehen
glaubt: sie haben der beklatschten Regel nach gar keinen
Raum für ihre eigene Füße, müssen sie nur immer dahin
setzen, wo der Mann eben stand, und stehen will; und sehen
mit ihren Augen die ganze bewegte Welt, wie etwa Einer,
der wie ein Baum mit Wurzlen in der Erde verzaubert wäre,
jeder Versuch, jeder Wunsch, den unnatürlichen Zustand zu
lösen, wird Frivolität genannt; oder noch für strafwürdiges
Benehmen gehalten. Darum mußt du und ich ein wenig an-
gefrischt werden! Varnh., gleich nachdem wir deinen Brief
gelesen hatten, vergaß alle Verabredungen mit manchen Freun-
den für künftigen Sommer, und schlug mir gleich vor, zu dir
zu gehen -- nach Gesundheit und Jahreszeit. Ich stellte ihm
die Sache vor, wie sie ist: und er sah es gleich ein. Mit dir
aber, theure liebe Rose! mag ich jetzt noch von keiner Reise
reden: wozu dies im Januar, da es bis Juni Zeit hat. --

-- Auch ich thue nichts Unsinniges und Verschwendrisches:
bei der größten Freiheit: und bin ein untergehender Sklave
der Vernunft, so nennt man mit Recht das, was man für's
Ersprießlichste erkennt: nur beurtheilt man dies zu oft aus
nicht hohem Gesichtspunkt genug, und zu untergeordnet: das

dann wäre jede Ehe, ſchon bloß als ſolche, der höchſte menſch-
liche Zuſtand: ſo aber iſt es nicht: und man liebt, hegt,
pflegt wohl die Wünſche der Seinigen; fügt ſich ihnen; macht
ſie ſich zur höchſten Sorge, und dringendſten Beſchäftigung:
aber erfüllen, erholen, uns ausruhen, zu fernerer Thätigkeit,
und Tragen, können die uns nicht; oder auf unſer ganzes
Leben hinaus ſtärken und kräftigen. Dies iſt der Grund des
vielen Frivolen, was man bei Weibren ſieht, und zu ſehen
glaubt: ſie haben der beklatſchten Regel nach gar keinen
Raum für ihre eigene Füße, müſſen ſie nur immer dahin
ſetzen, wo der Mann eben ſtand, und ſtehen will; und ſehen
mit ihren Augen die ganze bewegte Welt, wie etwa Einer,
der wie ein Baum mit Wurzlen in der Erde verzaubert wäre,
jeder Verſuch, jeder Wunſch, den unnatürlichen Zuſtand zu
löſen, wird Frivolität genannt; oder noch für ſtrafwürdiges
Benehmen gehalten. Darum mußt du und ich ein wenig an-
gefriſcht werden! Varnh., gleich nachdem wir deinen Brief
geleſen hatten, vergaß alle Verabredungen mit manchen Freun-
den für künftigen Sommer, und ſchlug mir gleich vor, zu dir
zu gehen — nach Geſundheit und Jahreszeit. Ich ſtellte ihm
die Sache vor, wie ſie iſt: und er ſah es gleich ein. Mit dir
aber, theure liebe Roſe! mag ich jetzt noch von keiner Reiſe
reden: wozu dies im Januar, da es bis Juni Zeit hat. —

— Auch ich thue nichts Unſinniges und Verſchwendriſches:
bei der größten Freiheit: und bin ein untergehender Sklave
der Vernunft, ſo nennt man mit Recht das, was man für’s
Erſprießlichſte erkennt: nur beurtheilt man dies zu oft aus
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[565/0573] dann wäre jede Ehe, ſchon bloß als ſolche, der höchſte menſch- liche Zuſtand: ſo aber iſt es nicht: und man liebt, hegt, pflegt wohl die Wünſche der Seinigen; fügt ſich ihnen; macht ſie ſich zur höchſten Sorge, und dringendſten Beſchäftigung: aber erfüllen, erholen, uns ausruhen, zu fernerer Thätigkeit, und Tragen, können die uns nicht; oder auf unſer ganzes Leben hinaus ſtärken und kräftigen. Dies iſt der Grund des vielen Frivolen, was man bei Weibren ſieht, und zu ſehen glaubt: ſie haben der beklatſchten Regel nach gar keinen Raum für ihre eigene Füße, müſſen ſie nur immer dahin ſetzen, wo der Mann eben ſtand, und ſtehen will; und ſehen mit ihren Augen die ganze bewegte Welt, wie etwa Einer, der wie ein Baum mit Wurzlen in der Erde verzaubert wäre, jeder Verſuch, jeder Wunſch, den unnatürlichen Zuſtand zu löſen, wird Frivolität genannt; oder noch für ſtrafwürdiges Benehmen gehalten. Darum mußt du und ich ein wenig an- gefriſcht werden! Varnh., gleich nachdem wir deinen Brief geleſen hatten, vergaß alle Verabredungen mit manchen Freun- den für künftigen Sommer, und ſchlug mir gleich vor, zu dir zu gehen — nach Geſundheit und Jahreszeit. Ich ſtellte ihm die Sache vor, wie ſie iſt: und er ſah es gleich ein. Mit dir aber, theure liebe Roſe! mag ich jetzt noch von keiner Reiſe reden: wozu dies im Januar, da es bis Juni Zeit hat. — — Auch ich thue nichts Unſinniges und Verſchwendriſches: bei der größten Freiheit: und bin ein untergehender Sklave der Vernunft, ſo nennt man mit Recht das, was man für’s Erſprießlichſte erkennt: nur beurtheilt man dies zu oft aus nicht hohem Geſichtspunkt genug, und zu untergeordnet: das

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/573>, abgerufen am 22.11.2024.