sung, wo ihnen das viel sein muß; Beruhigung, Genuß; Raum zu angenehmem Fleiß! Ich kann Ihnen aber nicht aus einer Art Villa schreiben; auch nicht aus einem Sommer- Sonnen-Thal; auch nichts von Kunst, oder deren Genüssen: drum fängt mein Brief grüblend an über mich selbst; grau in grau. Doch bin ich in guter; alter, ruhiger Seelensphäre, mit junger, reger Genußfähigkeit; und zufrieden, wenn kein Unglück, keine Angst kömmt; mit Einsicht für das, was ich besitze. Hier, und da, gut berührt: und nur durch großen Zwang beachtend, wenn ich schlecht berührt werde. Ich kann nicht, wie Sie, sagen: ich verachte die Welt: aber ich kenne sie ganz; und ihre eigene Klemme; was kann ich von ihr wollen, als Frieden; auch dazu muß man ihr Gutes thun, und schmeichlen. Faire des ingrats, ist die friedlichste Beschäf- tigung; wenn man schon agiren muß; hin und wieder. Halten Sie das nicht für Prahlerei.
Mad. Lindner hat mir einen so allerliebsten Brief ge- schrieben, den ich durchaus goutirt habe, und der mir großes Vergnügen gemacht hat. -- Es freut mich sehr, daß ihr die Bekanntschaft der Mad. Brede konvenirt. Sie könnte keine bessere, ehrlichere, gütigere Frau kennen lernen. Grüßen Sie sie tausendmal! Ich liebe sie sehr! und immer. -- Ich lese die Minerve, Dohms Denkwürdigkeiten, und "Über das Ver- hältniß des Christenthums und der christlichen Kirche zur Ver- nunftreligion" von Muth. Dies letzte gab mir Robert, der von Mannheim zur Ankunft des Kaisers Alexander hier ist. Heute Abend kommt der; man verschont ihn nicht mit der Il- lumination. Gentz hat mich von Aachen grüßen lassen, und
ſung, wo ihnen das viel ſein muß; Beruhigung, Genuß; Raum zu angenehmem Fleiß! Ich kann Ihnen aber nicht aus einer Art Villa ſchreiben; auch nicht aus einem Sommer- Sonnen-Thal; auch nichts von Kunſt, oder deren Genüſſen: drum fängt mein Brief grüblend an über mich ſelbſt; grau in grau. Doch bin ich in guter; alter, ruhiger Seelenſphäre, mit junger, reger Genußfähigkeit; und zufrieden, wenn kein Unglück, keine Angſt kömmt; mit Einſicht für das, was ich beſitze. Hier, und da, gut berührt: und nur durch großen Zwang beachtend, wenn ich ſchlecht berührt werde. Ich kann nicht, wie Sie, ſagen: ich verachte die Welt: aber ich kenne ſie ganz; und ihre eigene Klemme; was kann ich von ihr wollen, als Frieden; auch dazu muß man ihr Gutes thun, und ſchmeichlen. Faire des ingrats, iſt die friedlichſte Beſchäf- tigung; wenn man ſchon agiren muß; hin und wieder. Halten Sie das nicht für Prahlerei.
Mad. Lindner hat mir einen ſo allerliebſten Brief ge- ſchrieben, den ich durchaus goutirt habe, und der mir großes Vergnügen gemacht hat. — Es freut mich ſehr, daß ihr die Bekanntſchaft der Mad. Brede konvenirt. Sie könnte keine beſſere, ehrlichere, gütigere Frau kennen lernen. Grüßen Sie ſie tauſendmal! Ich liebe ſie ſehr! und immer. — Ich leſe die Minerve, Dohms Denkwürdigkeiten, und „Über das Ver- hältniß des Chriſtenthums und der chriſtlichen Kirche zur Ver- nunftreligion“ von Muth. Dies letzte gab mir Robert, der von Mannheim zur Ankunft des Kaiſers Alexander hier iſt. Heute Abend kommt der; man verſchont ihn nicht mit der Il- lumination. Gentz hat mich von Aachen grüßen laſſen, und
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ſung, wo ihnen das viel ſein muß; Beruhigung, Genuß;
Raum zu angenehmem Fleiß! Ich kann Ihnen aber nicht
aus einer Art Villa ſchreiben; auch nicht aus einem Sommer-
Sonnen-Thal; auch nichts von Kunſt, oder deren Genüſſen:
drum fängt mein Brief grüblend an über mich ſelbſt; grau
in grau. Doch bin ich in guter; alter, ruhiger Seelenſphäre,
mit junger, reger Genußfähigkeit; und zufrieden, wenn kein
Unglück, keine Angſt kömmt; mit Einſicht für das, was ich
beſitze. Hier, und da, gut berührt: und nur durch großen
Zwang beachtend, wenn ich ſchlecht berührt werde. Ich kann
nicht, wie Sie, ſagen: ich verachte die Welt: aber ich kenne
ſie ganz; und ihre eigene Klemme; was kann ich von ihr
wollen, als Frieden; auch dazu muß man ihr Gutes thun,
und ſchmeichlen. Faire des ingrats, iſt die friedlichſte Beſchäf-
tigung; wenn man ſchon agiren muß; hin und wieder. Halten
Sie das nicht für Prahlerei.
Mad. Lindner hat mir einen ſo allerliebſten Brief ge-
ſchrieben, den ich durchaus goutirt habe, und der mir großes
Vergnügen gemacht hat. — Es freut mich ſehr, daß ihr die
Bekanntſchaft der Mad. Brede konvenirt. Sie könnte keine
beſſere, ehrlichere, gütigere Frau kennen lernen. Grüßen Sie
ſie tauſendmal! Ich liebe ſie ſehr! und immer. — Ich leſe
die Minerve, Dohms Denkwürdigkeiten, und „Über das Ver-
hältniß des Chriſtenthums und der chriſtlichen Kirche zur Ver-
nunftreligion“ von Muth. Dies letzte gab mir Robert, der
von Mannheim zur Ankunft des Kaiſers Alexander hier iſt.
Heute Abend kommt der; man verſchont ihn nicht mit der Il-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/561>, abgerufen am 22.11.2024.
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