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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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Unterhaltendes für mich erhalten. Es ist mir nämlich ganz
klar geworden, daß wir doch plötzlich aus diesem Lebensver-
hältniß mit all seinen Klemmungen herauskommen und in
dieser Hinsicht uns ganz nobel befinden werden. Das Klem-
men, Drängen, Rucken, Zurechtschieben dauert meiner expediti-
ven Geistesart zu lang: ist eigentlich ganz unwürdig, und
das eigentlich Unedle; der Quell alles Unedlen; es sei nun
That oder Leiden. Unsere Einsicht darin müßte uns lösen!
Verstehen Sie mich? Was soll ich Ihnen also von meinem
Leben sagen? Ich sitze und warte: und wenn mir ein gutes
Korn zufällt, verzehr' ich es: noch gestimmt, und appetitlich
genug! -- und das ist, wie ich mich und mein Leben, was
mir geboten wurde, kenne, sehr genug! Lassen Sie mich also
nach Ihrem fragen, von Ihrem sprechen. Sie haben Komödie
gespielt. Auf dem Lande, grade im Sommer, ein großes Ver-
gnügen: wenn die Personen nur ziemlich hübsch und angenehm
sind. Spielte Ihre Mutter, Bärstecher mit? Ihre Provinz,
Ihr Aufenthalt wird, muß Ihnen bekannter werden: und dies
ganz allein faßt das Lieberwerden in sich. Die Stücke Leben,
die wir vor uns haben, sind nichts Einfaches, ein Zusammen-
gesetztes; gehen wir nun damit genauer um, so finden wir
Passendes und Verwerfliches, und da bei dem vorigen Stück
Leben, welches das Letzte war, mit dem wir uns balgten, auch
eine Menge Unannehmbares war, so müssen wir finden, die
Stücke seien fast vom selben Werth; bis wir wieder Einmal
zu einem kommen, welches uns Kunst- Natur- oder den Ge-
nuß unseres eigenen Herzens gewährt. Dieser allein ist Le-
ben: das andere lauter Anstalt zum Leben. Dies nun bringt

35 *

Unterhaltendes für mich erhalten. Es iſt mir nämlich ganz
klar geworden, daß wir doch plötzlich aus dieſem Lebensver-
hältniß mit all ſeinen Klemmungen herauskommen und in
dieſer Hinſicht uns ganz nobel befinden werden. Das Klem-
men, Drängen, Rucken, Zurechtſchieben dauert meiner expediti-
ven Geiſtesart zu lang: iſt eigentlich ganz unwürdig, und
das eigentlich Unedle; der Quell alles Unedlen; es ſei nun
That oder Leiden. Unſere Einſicht darin müßte uns löſen!
Verſtehen Sie mich? Was ſoll ich Ihnen alſo von meinem
Leben ſagen? Ich ſitze und warte: und wenn mir ein gutes
Korn zufällt, verzehr’ ich es: noch geſtimmt, und appetitlich
genug! — und das iſt, wie ich mich und mein Leben, was
mir geboten wurde, kenne, ſehr genug! Laſſen Sie mich alſo
nach Ihrem fragen, von Ihrem ſprechen. Sie haben Komödie
geſpielt. Auf dem Lande, grade im Sommer, ein großes Ver-
gnügen: wenn die Perſonen nur ziemlich hübſch und angenehm
ſind. Spielte Ihre Mutter, Bärſtecher mit? Ihre Provinz,
Ihr Aufenthalt wird, muß Ihnen bekannter werden: und dies
ganz allein faßt das Lieberwerden in ſich. Die Stücke Leben,
die wir vor uns haben, ſind nichts Einfaches, ein Zuſammen-
geſetztes; gehen wir nun damit genauer um, ſo finden wir
Paſſendes und Verwerfliches, und da bei dem vorigen Stück
Leben, welches das Letzte war, mit dem wir uns balgten, auch
eine Menge Unannehmbares war, ſo müſſen wir finden, die
Stücke ſeien faſt vom ſelben Werth; bis wir wieder Einmal
zu einem kommen, welches uns Kunſt- Natur- oder den Ge-
nuß unſeres eigenen Herzens gewährt. Dieſer allein iſt Le-
ben: das andere lauter Anſtalt zum Leben. Dies nun bringt

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[547/0555] Unterhaltendes für mich erhalten. Es iſt mir nämlich ganz klar geworden, daß wir doch plötzlich aus dieſem Lebensver- hältniß mit all ſeinen Klemmungen herauskommen und in dieſer Hinſicht uns ganz nobel befinden werden. Das Klem- men, Drängen, Rucken, Zurechtſchieben dauert meiner expediti- ven Geiſtesart zu lang: iſt eigentlich ganz unwürdig, und das eigentlich Unedle; der Quell alles Unedlen; es ſei nun That oder Leiden. Unſere Einſicht darin müßte uns löſen! Verſtehen Sie mich? Was ſoll ich Ihnen alſo von meinem Leben ſagen? Ich ſitze und warte: und wenn mir ein gutes Korn zufällt, verzehr’ ich es: noch geſtimmt, und appetitlich genug! — und das iſt, wie ich mich und mein Leben, was mir geboten wurde, kenne, ſehr genug! Laſſen Sie mich alſo nach Ihrem fragen, von Ihrem ſprechen. Sie haben Komödie geſpielt. Auf dem Lande, grade im Sommer, ein großes Ver- gnügen: wenn die Perſonen nur ziemlich hübſch und angenehm ſind. Spielte Ihre Mutter, Bärſtecher mit? Ihre Provinz, Ihr Aufenthalt wird, muß Ihnen bekannter werden: und dies ganz allein faßt das Lieberwerden in ſich. Die Stücke Leben, die wir vor uns haben, ſind nichts Einfaches, ein Zuſammen- geſetztes; gehen wir nun damit genauer um, ſo finden wir Paſſendes und Verwerfliches, und da bei dem vorigen Stück Leben, welches das Letzte war, mit dem wir uns balgten, auch eine Menge Unannehmbares war, ſo müſſen wir finden, die Stücke ſeien faſt vom ſelben Werth; bis wir wieder Einmal zu einem kommen, welches uns Kunſt- Natur- oder den Ge- nuß unſeres eigenen Herzens gewährt. Dieſer allein iſt Le- ben: das andere lauter Anſtalt zum Leben. Dies nun bringt 35 *

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/555>, abgerufen am 25.11.2024.