Schreiben Sie mir auch von den Kindern Ihrer Schwester; wir bekommen von Magdeburg keine Nachricht. Glauben Sie nicht, liebe Kousine, daß wenn ich etwas für Sie hätte, ich mich erst würde anreden lassen um es Ihnen zu schicken. Aber Sie haben doch Recht, mich angesprochen zu haben, und ich danke Ihnen aus Herzensgrunde für Ihr schönes Zutrauen! Weil ich mir in Jahren kein Zeug machen lasse, so habe ich auch im Augenblick nichts, was ich Ihnen schicken kann: auch keine Mittel, daß Sie sich etwas anschaffen könnten. Aber es schadet doch nichts! ich will schon sorgen und allerlei An- stalt treffen, daß Sie nächstens etwas erhalten! Leben Sie wohl, schreiben Sie mir, wann die Lust Ihnen ankommt: und verlassen Sie sich wenigstens auf meine Gesinnung, wenn mir auch die Mittel fehlen, sie Ihnen thätlich zu bezeigen! Ihre treue Kousine Rahel. Meine Addresse ist: Mlle. Rahel Ro- bert, Behrenstraße No. 48. Weiter nichts.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Berlin, den 29. Juni 1812. Montag Abend um 7 Uhr.
Um fünf Uhr, lieber Freund, erhielt ich Ihren Brief von Sonnabend. -- Ich zog mich grade an; lief gleich nach der Stadt -- wo ich bis jetzt bleiben mußte -- übermorgen soll ich Bescheid haben: da nichts gleich geht, und immer einige Bedingungen obwalten. -- Gott! was habe ich heute schon für Menschen gesprochen, für Verhältnisse berührt, für drük- kendes, klemmendes, darbendes Unglück nahe gesehn! Was
Schreiben Sie mir auch von den Kindern Ihrer Schweſter; wir bekommen von Magdeburg keine Nachricht. Glauben Sie nicht, liebe Kouſine, daß wenn ich etwas für Sie hätte, ich mich erſt würde anreden laſſen um es Ihnen zu ſchicken. Aber Sie haben doch Recht, mich angeſprochen zu haben, und ich danke Ihnen aus Herzensgrunde für Ihr ſchönes Zutrauen! Weil ich mir in Jahren kein Zeug machen laſſe, ſo habe ich auch im Augenblick nichts, was ich Ihnen ſchicken kann: auch keine Mittel, daß Sie ſich etwas anſchaffen könnten. Aber es ſchadet doch nichts! ich will ſchon ſorgen und allerlei An- ſtalt treffen, daß Sie nächſtens etwas erhalten! Leben Sie wohl, ſchreiben Sie mir, wann die Luſt Ihnen ankommt: und verlaſſen Sie ſich wenigſtens auf meine Geſinnung, wenn mir auch die Mittel fehlen, ſie Ihnen thätlich zu bezeigen! Ihre treue Kouſine Rahel. Meine Addreſſe iſt: Mlle. Rahel Ro- bert, Behrenſtraße No. 48. Weiter nichts.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Berlin, den 29. Juni 1812. Montag Abend um 7 Uhr.
Um fünf Uhr, lieber Freund, erhielt ich Ihren Brief von Sonnabend. — Ich zog mich grade an; lief gleich nach der Stadt — wo ich bis jetzt bleiben mußte — übermorgen ſoll ich Beſcheid haben: da nichts gleich geht, und immer einige Bedingungen obwalten. — Gott! was habe ich heute ſchon für Menſchen geſprochen, für Verhältniſſe berührt, für drük- kendes, klemmendes, darbendes Unglück nahe geſehn! Was
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Schreiben Sie mir auch von den Kindern Ihrer Schweſter;
wir bekommen von Magdeburg keine Nachricht. Glauben
Sie nicht, liebe Kouſine, daß wenn ich etwas für Sie hätte,
ich mich erſt würde anreden laſſen um es Ihnen zu ſchicken.
Aber Sie haben doch Recht, mich angeſprochen zu haben, und
ich danke Ihnen aus Herzensgrunde für Ihr ſchönes Zutrauen!
Weil ich mir in Jahren kein Zeug machen laſſe, ſo habe ich
auch im Augenblick nichts, was ich Ihnen ſchicken kann: auch
keine Mittel, daß Sie ſich etwas anſchaffen könnten. Aber
es ſchadet doch nichts! ich will ſchon ſorgen und allerlei An-
ſtalt treffen, daß Sie nächſtens etwas erhalten! Leben Sie
wohl, ſchreiben Sie mir, wann die Luſt Ihnen ankommt: und
verlaſſen Sie ſich wenigſtens auf meine Geſinnung, wenn mir
auch die Mittel fehlen, ſie Ihnen thätlich zu bezeigen! Ihre
treue Kouſine Rahel. Meine Addreſſe iſt: Mlle. Rahel Ro-
bert, Behrenſtraße No. 48. Weiter nichts.
An Alexander von der Marwitz, in Potsdam.
Berlin, den 29. Juni 1812.
Montag Abend um 7 Uhr.
Um fünf Uhr, lieber Freund, erhielt ich Ihren Brief von
Sonnabend. — Ich zog mich grade an; lief gleich nach der
Stadt — wo ich bis jetzt bleiben mußte — übermorgen ſoll
ich Beſcheid haben: da nichts gleich geht, und immer einige
Bedingungen obwalten. — Gott! was habe ich heute ſchon
für Menſchen geſprochen, für Verhältniſſe berührt, für drük-
kendes, klemmendes, darbendes Unglück nahe geſehn! Was
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/54>, abgerufen am 09.11.2024.
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