Dore will absolut grüßen: richtet schon alles ein; und ist ganz außer sich: ich auch. Adieu!
Freitag, den 20. März.
Vormittag. Feiertag, still, Sonnenschein: warmes März- wetter: alles schlägt aus, und will ausschlagen: doch ist es windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer schlaflosen Nacht, wegen Nervenirritation melancholischer als je. Eine Lust, eine Sehnsucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht. Wem könnt' ich alles sagen, und vertrauen, als dir: und heute möchte ich das so gern! -- -- Ich bitte euch, laßt mich keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du früh kommst. Der An- fang des Sommers, der Frühling soll uns vereinigen. Ich kann nichts mehr schreiben; ich ward von einem albernen Besuch vom Lande gestört: wo mir Einer ellenlange dumme Sa- chen vorerzählte. Also! Günstige Antwort! Du Rose! Äng- stige dich nicht dabei, wenn sie ungünstig sein muß!
Sie, liebe Freundin, werden mein Federverstummen nicht an meinem Herzen für Sie abmessen wollen! Ich hatte Sie, während er lebte, über Ihren Freund gesprochen, ich habe sie mit einander leben sehn. Ein Todtschlag, auch aller Gefühle und Worte darüber, aller Äußerungen, war dieser Sterbefall für mich, weil ich Sie kannte; da ist nichts zu sagen, das ist wie unser eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu fas-
Dore will abſolut grüßen: richtet ſchon alles ein; und iſt ganz außer ſich: ich auch. Adieu!
Freitag, den 20. März.
Vormittag. Feiertag, ſtill, Sonnenſchein: warmes März- wetter: alles ſchlägt aus, und will ausſchlagen: doch iſt es windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer ſchlafloſen Nacht, wegen Nervenirritation melancholiſcher als je. Eine Luſt, eine Sehnſucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht. Wem könnt’ ich alles ſagen, und vertrauen, als dir: und heute möchte ich das ſo gern! — — Ich bitte euch, laßt mich keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du früh kommſt. Der An- fang des Sommers, der Frühling ſoll uns vereinigen. Ich kann nichts mehr ſchreiben; ich ward von einem albernen Beſuch vom Lande geſtört: wo mir Einer ellenlange dumme Sa- chen vorerzählte. Alſo! Günſtige Antwort! Du Roſe! Äng- ſtige dich nicht dabei, wenn ſie ungünſtig ſein muß!
Sie, liebe Freundin, werden mein Federverſtummen nicht an meinem Herzen für Sie abmeſſen wollen! Ich hatte Sie, während er lebte, über Ihren Freund geſprochen, ich habe ſie mit einander leben ſehn. Ein Todtſchlag, auch aller Gefühle und Worte darüber, aller Äußerungen, war dieſer Sterbefall für mich, weil ich Sie kannte; da iſt nichts zu ſagen, das iſt wie unſer eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu faſ-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0534"n="526"/><p>Dore will abſolut grüßen: richtet ſchon alles ein; und iſt<lb/>
ganz außer ſich: ich auch. Adieu!</p></div><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Freitag, den 20. März.</hi></dateline><lb/><p>Vormittag. Feiertag, ſtill, Sonnenſchein: warmes März-<lb/>
wetter: alles ſchlägt aus, und will ausſchlagen: doch iſt es<lb/>
windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer ſchlafloſen<lb/>
Nacht, wegen Nervenirritation melancholiſcher als <hirendition="#g">je</hi>. Eine<lb/>
Luſt, eine Sehnſucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht.<lb/>
Wem könnt’ ich <hirendition="#g">alles</hi>ſagen, und vertrauen, als dir: und<lb/>
heute möchte ich das ſo gern! —— Ich bitte euch, laßt mich<lb/>
keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du <hirendition="#g">früh</hi> kommſt. Der An-<lb/>
fang des Sommers, der Frühling ſoll uns vereinigen. Ich kann<lb/>
nichts mehr ſchreiben; ich ward von einem albernen Beſuch<lb/>
vom Lande <hirendition="#g">geſtört</hi>: wo mir Einer <hirendition="#g">ellenl</hi>ange dumme Sa-<lb/>
chen vorerzählte. Alſo! Günſtige Antwort! <hirendition="#g">Du</hi> Roſe! Äng-<lb/>ſtige dich nicht dabei, wenn ſie ungünſtig ſein muß!</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Karoline von Woltmann, in Prag.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Karlsruhe, den 26. März 1818.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#et">Widriges, unſtätes, unbrauchbares Frühlingswetter.</hi></p><lb/><p>Sie, liebe Freundin, werden mein Federverſtummen nicht<lb/>
an meinem Herzen für Sie abmeſſen wollen! Ich hatte Sie,<lb/>
während er lebte, über Ihren Freund geſprochen, ich habe ſie<lb/>
mit einander leben ſehn. Ein Todtſchlag, auch aller Gefühle<lb/>
und Worte darüber, aller Äußerungen, war dieſer Sterbefall<lb/>
für mich, weil ich Sie kannte; da iſt nichts zu ſagen, das<lb/>
iſt wie unſer eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu faſ-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[526/0534]
Dore will abſolut grüßen: richtet ſchon alles ein; und iſt
ganz außer ſich: ich auch. Adieu!
Freitag, den 20. März.
Vormittag. Feiertag, ſtill, Sonnenſchein: warmes März-
wetter: alles ſchlägt aus, und will ausſchlagen: doch iſt es
windig, wenn auch lauer Wind. Ich, nach einer ſchlafloſen
Nacht, wegen Nervenirritation melancholiſcher als je. Eine
Luſt, eine Sehnſucht zu dir, die in peinliche Unruh übergeht.
Wem könnt’ ich alles ſagen, und vertrauen, als dir: und
heute möchte ich das ſo gern! — — Ich bitte euch, laßt mich
keine Fehlbitte thun: nämlich, daß du früh kommſt. Der An-
fang des Sommers, der Frühling ſoll uns vereinigen. Ich kann
nichts mehr ſchreiben; ich ward von einem albernen Beſuch
vom Lande geſtört: wo mir Einer ellenlange dumme Sa-
chen vorerzählte. Alſo! Günſtige Antwort! Du Roſe! Äng-
ſtige dich nicht dabei, wenn ſie ungünſtig ſein muß!
An Karoline von Woltmann, in Prag.
Karlsruhe, den 26. März 1818.
Widriges, unſtätes, unbrauchbares Frühlingswetter.
Sie, liebe Freundin, werden mein Federverſtummen nicht
an meinem Herzen für Sie abmeſſen wollen! Ich hatte Sie,
während er lebte, über Ihren Freund geſprochen, ich habe ſie
mit einander leben ſehn. Ein Todtſchlag, auch aller Gefühle
und Worte darüber, aller Äußerungen, war dieſer Sterbefall
für mich, weil ich Sie kannte; da iſt nichts zu ſagen, das
iſt wie unſer eigener Tod, wie alles Elend hier, nicht zu faſ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/534>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.