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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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Laß dir unterdeß erzählen, was ich heute Mittag um 3 Uhr,
wo ich bei unserm Minister Graf Golz speise, anziehe. Es
ist ein klein Diner. Ich ziehe an: den strohgelben Überrock
mit kornblauen Bändchen, solche Schuh von Hrn. Drousart,
den kornblauen Hut, strohgelbes Band drunter gebunden;
einen Stehkragen von Blonden-Tüll, einen weißen langen
englischen Schal, den ich mir gestern doch endlich hier kaufte,
er hat keine Palmen; ich wollte sie nicht: nur eine vier Fin-
ger breite Borte; sieht sehr distinguirt aus: kostet 57 Gulden,
der Gulden 14 Groschen. Ich mußte ihn haben: es kam alle
Augenblick vor, daß ich ihn brauchte, Der, den ich von dir
habe, hat gestern den größten Effekt und Nachfrage in einem
Konzert gemacht, wo ich mit einer Tochter Klärchens, Adel-
heid, und ihrer Gouvernante war. Voll, viel Bekannte, Mu-
sik schlecht: Mlle. Böheim, jetzt Mad. Graf, sang sehr gut,
ganz italiänisch. Nachher war ich noch bei Schlegels zum
Theetrinken. Ich sehe viel diese -- viele Grüße, -- Herz'ens,
öfters Golz'ens, dann und wann Scholz und seine sehr nied-
liche lebhafte Frau -- sie wohnen mir ganz nah -- eine Ju-
gendfreundin Dr. Veits; eine kluge Rathsfamilie Schlosser
hier. Will die Damen Guaita und de Ron noch sehen, und
eine Mad. Klee. Lauter Bekannte: Herren besuchen mich: ich
gehe mit Dore spaziren, welches hier herrlich ist; du siehst,
ich habe kaum Zeit: und habe noch viel Bekannte hier, Mi-
nisterleute, allerhand. Nun grüße ich Karl tausendmal! Sag'
ihm, welchen innigen Antheil ich an seinem Übelbefinden
nehme. Auch ich habe mich in Brüssel besser befunden, als
hier: ich fühle schon allerlei Ungemach, von welchem ich dort

Laß dir unterdeß erzählen, was ich heute Mittag um 3 Uhr,
wo ich bei unſerm Miniſter Graf Golz ſpeiſe, anziehe. Es
iſt ein klein Diner. Ich ziehe an: den ſtrohgelben Überrock
mit kornblauen Bändchen, ſolche Schuh von Hrn. Drouſart,
den kornblauen Hut, ſtrohgelbes Band drunter gebunden;
einen Stehkragen von Blonden-Tüll, einen weißen langen
engliſchen Schal, den ich mir geſtern doch endlich hier kaufte,
er hat keine Palmen; ich wollte ſie nicht: nur eine vier Fin-
ger breite Borte; ſieht ſehr diſtinguirt aus: koſtet 57 Gulden,
der Gulden 14 Groſchen. Ich mußte ihn haben: es kam alle
Augenblick vor, daß ich ihn brauchte, Der, den ich von dir
habe, hat geſtern den größten Effekt und Nachfrage in einem
Konzert gemacht, wo ich mit einer Tochter Klärchens, Adel-
heid, und ihrer Gouvernante war. Voll, viel Bekannte, Mu-
ſik ſchlecht: Mlle. Böheim, jetzt Mad. Graf, ſang ſehr gut,
ganz italiäniſch. Nachher war ich noch bei Schlegels zum
Theetrinken. Ich ſehe viel dieſe — viele Grüße, — Herz’ens,
öfters Golz’ens, dann und wann Scholz und ſeine ſehr nied-
liche lebhafte Frau — ſie wohnen mir ganz nah — eine Ju-
gendfreundin Dr. Veits; eine kluge Rathsfamilie Schloſſer
hier. Will die Damen Guaita und de Ron noch ſehen, und
eine Mad. Klee. Lauter Bekannte: Herren beſuchen mich: ich
gehe mit Dore ſpaziren, welches hier herrlich iſt; du ſiehſt,
ich habe kaum Zeit: und habe noch viel Bekannte hier, Mi-
niſterleute, allerhand. Nun grüße ich Karl tauſendmal! Sag’
ihm, welchen innigen Antheil ich an ſeinem Übelbefinden
nehme. Auch ich habe mich in Brüſſel beſſer befunden, als
hier: ich fühle ſchon allerlei Ungemach, von welchem ich dort

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[486/0494] Laß dir unterdeß erzählen, was ich heute Mittag um 3 Uhr, wo ich bei unſerm Miniſter Graf Golz ſpeiſe, anziehe. Es iſt ein klein Diner. Ich ziehe an: den ſtrohgelben Überrock mit kornblauen Bändchen, ſolche Schuh von Hrn. Drouſart, den kornblauen Hut, ſtrohgelbes Band drunter gebunden; einen Stehkragen von Blonden-Tüll, einen weißen langen engliſchen Schal, den ich mir geſtern doch endlich hier kaufte, er hat keine Palmen; ich wollte ſie nicht: nur eine vier Fin- ger breite Borte; ſieht ſehr diſtinguirt aus: koſtet 57 Gulden, der Gulden 14 Groſchen. Ich mußte ihn haben: es kam alle Augenblick vor, daß ich ihn brauchte, Der, den ich von dir habe, hat geſtern den größten Effekt und Nachfrage in einem Konzert gemacht, wo ich mit einer Tochter Klärchens, Adel- heid, und ihrer Gouvernante war. Voll, viel Bekannte, Mu- ſik ſchlecht: Mlle. Böheim, jetzt Mad. Graf, ſang ſehr gut, ganz italiäniſch. Nachher war ich noch bei Schlegels zum Theetrinken. Ich ſehe viel dieſe — viele Grüße, — Herz’ens, öfters Golz’ens, dann und wann Scholz und ſeine ſehr nied- liche lebhafte Frau — ſie wohnen mir ganz nah — eine Ju- gendfreundin Dr. Veits; eine kluge Rathsfamilie Schloſſer hier. Will die Damen Guaita und de Ron noch ſehen, und eine Mad. Klee. Lauter Bekannte: Herren beſuchen mich: ich gehe mit Dore ſpaziren, welches hier herrlich iſt; du ſiehſt, ich habe kaum Zeit: und habe noch viel Bekannte hier, Mi- niſterleute, allerhand. Nun grüße ich Karl tauſendmal! Sag’ ihm, welchen innigen Antheil ich an ſeinem Übelbefinden nehme. Auch ich habe mich in Brüſſel beſſer befunden, als hier: ich fühle ſchon allerlei Ungemach, von welchem ich dort

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/494>, abgerufen am 25.11.2024.