besuchten, und mitsaßen. Als Tettenborn ging, wollte er uns mit Gewalt mithaben, versichernd in's Unendliche, sie kämen nicht, was er gar nicht wissen konnte: um 10 ließ er uns end- lich mit dem Jäger, der Laterne und der Ausrede, wir sollten tanzen kommen, holen, und wir gingen richtig noch hin. Vom Tanzen war nicht mit einem Worte die Rede: wir sollten bloß nicht fehlen. Nur Demidoff's ohne Rostopschin, und Schönburg waren da. Musik vor der Thür.
Es ist mir sehr angenehm, daß Hebel bei dir war: und auch der Grund. Du weißt wie ich das Volk liebe: bloß weil es die Meisten sind, und die Ärmsten; es muß ohn' Unterlaß für die Menge, für's Ganze geschehen. An mir ist ein Gesetz- geber, ein Pestalozzi, ein Moses untergegangen: ich bin sehr erfreut, daß man der Königin von Würtemberg diesen Sinn öffnen, oder offen finden kann: auch weil sie eine Königin ist, und auf Viele wirken kann. Besonders freut's mich auch, daß man dich für einen Menschen hält, der in so etwas mitar- beiten soll. Ich kann keine andere Ambition leiden, als die sich auf unsere tiefste Meinung bezieht! -- Deine Papierver- schwendung hilft dir nichts! Ich schreibe auf deine leeren Pa- pierhälften. Ich hatte kein dünnes mehr. Adieu, theuerster Herzensfreund. Ich schreibe dir morgen noch Einmal: und will immer bei dir bleiben!
Deine. Ganz deine R.
beſuchten, und mitſaßen. Als Tettenborn ging, wollte er uns mit Gewalt mithaben, verſichernd in’s Unendliche, ſie kämen nicht, was er gar nicht wiſſen konnte: um 10 ließ er uns end- lich mit dem Jäger, der Laterne und der Ausrede, wir ſollten tanzen kommen, holen, und wir gingen richtig noch hin. Vom Tanzen war nicht mit einem Worte die Rede: wir ſollten bloß nicht fehlen. Nur Demidoff’s ohne Roſtopſchin, und Schönburg waren da. Muſik vor der Thür.
Es iſt mir ſehr angenehm, daß Hebel bei dir war: und auch der Grund. Du weißt wie ich das Volk liebe: bloß weil es die Meiſten ſind, und die Ärmſten; es muß ohn’ Unterlaß für die Menge, für’s Ganze geſchehen. An mir iſt ein Geſetz- geber, ein Peſtalozzi, ein Moſes untergegangen: ich bin ſehr erfreut, daß man der Königin von Würtemberg dieſen Sinn öffnen, oder offen finden kann: auch weil ſie eine Königin iſt, und auf Viele wirken kann. Beſonders freut’s mich auch, daß man dich für einen Menſchen hält, der in ſo etwas mitar- beiten ſoll. Ich kann keine andere Ambition leiden, als die ſich auf unſere tiefſte Meinung bezieht! — Deine Papierver- ſchwendung hilft dir nichts! Ich ſchreibe auf deine leeren Pa- pierhälften. Ich hatte kein dünnes mehr. Adieu, theuerſter Herzensfreund. Ich ſchreibe dir morgen noch Einmal: und will immer bei dir bleiben!
Deine. Ganz deine R.
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beſuchten, und mitſaßen. Als Tettenborn ging, wollte er uns
mit Gewalt mithaben, verſichernd in’s Unendliche, ſie kämen
nicht, was er gar nicht wiſſen konnte: um 10 ließ er uns end-
lich mit dem Jäger, der Laterne und der Ausrede, wir ſollten
tanzen kommen, holen, und wir gingen richtig noch hin. Vom
Tanzen war nicht mit einem Worte die Rede: wir ſollten
bloß nicht fehlen. Nur Demidoff’s ohne Roſtopſchin, und
Schönburg waren da. Muſik vor der Thür.
Es iſt mir ſehr angenehm, daß Hebel bei dir war: und
auch der Grund. Du weißt wie ich das Volk liebe: bloß weil
es die Meiſten ſind, und die Ärmſten; es muß ohn’ Unterlaß
für die Menge, für’s Ganze geſchehen. An mir iſt ein Geſetz-
geber, ein Peſtalozzi, ein Moſes untergegangen: ich bin ſehr
erfreut, daß man der Königin von Würtemberg dieſen Sinn
öffnen, oder offen finden kann: auch weil ſie eine Königin iſt,
und auf Viele wirken kann. Beſonders freut’s mich auch, daß
man dich für einen Menſchen hält, der in ſo etwas mitar-
beiten ſoll. Ich kann keine andere Ambition leiden, als die
ſich auf unſere tiefſte Meinung bezieht! — Deine Papierver-
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Herzensfreund. Ich ſchreibe dir morgen noch Einmal: und
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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