Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Thun Sie mir den einzigen Gefallen, Herzensguste, wenn
Sie diesen Brief gelesen haben, ihn gleich an Markus nach
Berlin zu schicken. Schreiben wird mir so schwer; man läßt
mich von des Morgens im Bette so wenig allein, daß ich
Gott danke, wenn ich einen Brief fertig habe. Markus amü-
sirt das Theater, mein Leben, und alles was hier steht. Ich
grüße Alle. Robert ist sehr fleißig neben mir an (nicht eben
jetzt): wir Alle eigentlich vergnügt hier bei den besten Wirthen,
die uns gar nicht weglassen wollen. Mit Koch, Pferden,
Loge. Gott segn' es ferner. Adieu. Eure R. Der ältesten
Schwägrin ihr Leiden kränkt mich sehr, da mein physique
mir ihr Leiden deutlich macht. Künftig mehr.



An Astolf Grafen von Custine, in Fervaques.


Gestern, lieber Astolf, in der größten Einsamkeit, Mor-
gens war Mad. Brede abgereist, es stürmte wie auf dem Meere,
kein Mensch öffnete meine Thür, von jeder Seite sind zwei
Zimmer bis zu meinem leer, alle sehen nur über Dächer weg;
meines geht nach unserm Hof, wo ich über Seitengebäude
nach einem Wald, Fasanerie genannt, sehe; aber vorher mit
meinen Augen erst vor einem kleinen Nachbarsgarten vorbei
muß, der bis jetzt allem frühen Schnee, dem ungebührlichsten
tobendsten Sturm, und allen Sorten von wüthendem Regen,
Reif, und Frost widerstanden hat, und unbefangen seinen grü-
nen Boden zeigt, in der größten Sommerordnung, in gradge-

Thun Sie mir den einzigen Gefallen, Herzensguſte, wenn
Sie dieſen Brief geleſen haben, ihn gleich an Markus nach
Berlin zu ſchicken. Schreiben wird mir ſo ſchwer; man läßt
mich von des Morgens im Bette ſo wenig allein, daß ich
Gott danke, wenn ich einen Brief fertig habe. Markus amü-
ſirt das Theater, mein Leben, und alles was hier ſteht. Ich
grüße Alle. Robert iſt ſehr fleißig neben mir an (nicht eben
jetzt): wir Alle eigentlich vergnügt hier bei den beſten Wirthen,
die uns gar nicht weglaſſen wollen. Mit Koch, Pferden,
Loge. Gott ſegn’ es ferner. Adieu. Eure R. Der älteſten
Schwägrin ihr Leiden kränkt mich ſehr, da mein physique
mir ihr Leiden deutlich macht. Künftig mehr.



An Aſtolf Grafen von Cuſtine, in Fervaques.


Geſtern, lieber Aſtolf, in der größten Einſamkeit, Mor-
gens war Mad. Brede abgereiſt, es ſtürmte wie auf dem Meere,
kein Menſch öffnete meine Thür, von jeder Seite ſind zwei
Zimmer bis zu meinem leer, alle ſehen nur über Dächer weg;
meines geht nach unſerm Hof, wo ich über Seitengebäude
nach einem Wald, Faſanerie genannt, ſehe; aber vorher mit
meinen Augen erſt vor einem kleinen Nachbarsgarten vorbei
muß, der bis jetzt allem frühen Schnee, dem ungebührlichſten
tobendſten Sturm, und allen Sorten von wüthendem Regen,
Reif, und Froſt widerſtanden hat, und unbefangen ſeinen grü-
nen Boden zeigt, in der größten Sommerordnung, in gradge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0434" n="426"/>
          <p>Thun Sie mir den einzigen Gefallen, Herzensgu&#x017F;te, wenn<lb/>
Sie die&#x017F;en Brief gele&#x017F;en haben, ihn <hi rendition="#g">gleich</hi> an Markus nach<lb/>
Berlin zu &#x017F;chicken. Schreiben wird mir <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> &#x017F;chwer; man läßt<lb/>
mich von des Morgens im Bette &#x017F;o wenig allein, daß ich<lb/>
Gott danke, wenn ich einen Brief fertig habe. Markus amü-<lb/>
&#x017F;irt das Theater, mein Leben, und alles was hier &#x017F;teht. Ich<lb/>
grüße Alle. Robert i&#x017F;t &#x017F;ehr fleißig neben mir an (nicht eben<lb/>
jetzt): wir Alle eigentlich vergnügt hier bei den be&#x017F;ten Wirthen,<lb/>
die uns <hi rendition="#g">gar</hi> nicht wegla&#x017F;&#x017F;en wollen. Mit Koch, Pferden,<lb/>
Loge. Gott &#x017F;egn&#x2019; es ferner. Adieu. Eure R. Der älte&#x017F;ten<lb/>
Schwägrin ihr Leiden kränkt mich &#x017F;ehr, da mein <hi rendition="#aq">physique</hi><lb/>
mir ihr Leiden deutlich macht. Künftig mehr.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An A&#x017F;tolf Grafen von Cu&#x017F;tine, in Fervaques.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Mon-endroit,</hi> Dienstag, den 17. December 1816.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern, lieber A&#x017F;tolf, in der größten Ein&#x017F;amkeit, Mor-<lb/>
gens war Mad. Brede abgerei&#x017F;t, es &#x017F;türmte wie auf dem Meere,<lb/>
kein Men&#x017F;ch öffnete meine Thür, von jeder Seite &#x017F;ind zwei<lb/>
Zimmer bis zu meinem leer, alle &#x017F;ehen nur über Dächer weg;<lb/>
meines geht nach un&#x017F;erm Hof, wo ich über Seitengebäude<lb/>
nach einem Wald, Fa&#x017F;anerie genannt, &#x017F;ehe; aber vorher mit<lb/>
meinen Augen er&#x017F;t vor einem kleinen Nachbarsgarten vorbei<lb/>
muß, der bis jetzt allem frühen Schnee, dem ungebührlich&#x017F;ten<lb/>
tobend&#x017F;ten Sturm, und allen Sorten von wüthendem Regen,<lb/>
Reif, und Fro&#x017F;t wider&#x017F;tanden hat, und unbefangen &#x017F;einen grü-<lb/>
nen Boden zeigt, in der größten Sommerordnung, in gradge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0434] Thun Sie mir den einzigen Gefallen, Herzensguſte, wenn Sie dieſen Brief geleſen haben, ihn gleich an Markus nach Berlin zu ſchicken. Schreiben wird mir ſo ſchwer; man läßt mich von des Morgens im Bette ſo wenig allein, daß ich Gott danke, wenn ich einen Brief fertig habe. Markus amü- ſirt das Theater, mein Leben, und alles was hier ſteht. Ich grüße Alle. Robert iſt ſehr fleißig neben mir an (nicht eben jetzt): wir Alle eigentlich vergnügt hier bei den beſten Wirthen, die uns gar nicht weglaſſen wollen. Mit Koch, Pferden, Loge. Gott ſegn’ es ferner. Adieu. Eure R. Der älteſten Schwägrin ihr Leiden kränkt mich ſehr, da mein physique mir ihr Leiden deutlich macht. Künftig mehr. An Aſtolf Grafen von Cuſtine, in Fervaques. Mon-endroit, Dienstag, den 17. December 1816. Geſtern, lieber Aſtolf, in der größten Einſamkeit, Mor- gens war Mad. Brede abgereiſt, es ſtürmte wie auf dem Meere, kein Menſch öffnete meine Thür, von jeder Seite ſind zwei Zimmer bis zu meinem leer, alle ſehen nur über Dächer weg; meines geht nach unſerm Hof, wo ich über Seitengebäude nach einem Wald, Faſanerie genannt, ſehe; aber vorher mit meinen Augen erſt vor einem kleinen Nachbarsgarten vorbei muß, der bis jetzt allem frühen Schnee, dem ungebührlichſten tobendſten Sturm, und allen Sorten von wüthendem Regen, Reif, und Froſt widerſtanden hat, und unbefangen ſeinen grü- nen Boden zeigt, in der größten Sommerordnung, in gradge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/434
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/434>, abgerufen am 22.12.2024.