begriff ich nicht, nach solch einem Spiel, wie in Ubaldo??!! Das frag' ich sie aber.
Rebenstein ist ein Exempel. Ein Exempel, wie die mensch- liche Natur in einem Menschen ausgerottet werden kann; wel- ches man sonst nur bei mißhandelten Sklaven sehen soll. -- Unser geliebter Tieck behauptet, alle Menschen haben mimi- sches Talent in sich; ja, sogar die Thiere: und er hat Recht. Wo käme sonst alle National-Gebärde, Ton, und Benehmen her? Wie so sänge der Sachse, schnarrten und schnaufelten wir, drückte der Schlesier u. s. w. In Rebenstein ist der Quell alles Nachahmungsvermögens rein verschüttet, durch lauter Lehren von dem, was nicht existirt: er sah die ganze lichte Welt nicht mehr, und nur seinen Lehrer, und auch den in völlig blindem Glauben bei ganz geschlossenen Sinnen: nun ist er auch vollkommen Marionnette, trotz Fleisch und Blut; wenige Gebärden, wenige Töne, ohne alles Leben. So et- was ist mir nie vorgekommen: dies konnte nur Iffland ge- lingen; und diesem nur bei Rebenstein. Alles ist Negation bei ihm; zum Glück hat er die Knochen erhalten, daß die wohlgemachten Mäntel haften. Ein Wunder ist der! Ich bin ganz entzückt, daß er sich außer Berlin zeigt, der Lieb- lingslehrling seines verstockten Meisters. Verstockt war Iff- land in seinem Direktions-Glück, unter dem Götzendienst, ge- worden. Und nun ruhe er selig! Ich bin ihm nur in Andrer Seele böse, wo sie ihm so Unrecht thaten; und den armen Rebenstein bedaure ich wahrhaft. Der arme hübsche Mensch war ein Opfer. Die Catalani hab' ich gehört; davon mündlich! Ihr Enthusiasmus freute mich! -- Adieu, Liebe! Ihre Rahel.
begriff ich nicht, nach ſolch einem Spiel, wie in Ubaldo??!! Das frag’ ich ſie aber.
Rebenſtein iſt ein Exempel. Ein Exempel, wie die menſch- liche Natur in einem Menſchen ausgerottet werden kann; wel- ches man ſonſt nur bei mißhandelten Sklaven ſehen ſoll. — Unſer geliebter Tieck behauptet, alle Menſchen haben mimi- ſches Talent in ſich; ja, ſogar die Thiere: und er hat Recht. Wo käme ſonſt alle National-Gebärde, Ton, und Benehmen her? Wie ſo ſänge der Sachſe, ſchnarrten und ſchnaufelten wir, drückte der Schleſier u. ſ. w. In Rebenſtein iſt der Quell alles Nachahmungsvermögens rein verſchüttet, durch lauter Lehren von dem, was nicht exiſtirt: er ſah die ganze lichte Welt nicht mehr, und nur ſeinen Lehrer, und auch den in völlig blindem Glauben bei ganz geſchloſſenen Sinnen: nun iſt er auch vollkommen Marionnette, trotz Fleiſch und Blut; wenige Gebärden, wenige Töne, ohne alles Leben. So et- was iſt mir nie vorgekommen: dies konnte nur Iffland ge- lingen; und dieſem nur bei Rebenſtein. Alles iſt Negation bei ihm; zum Glück hat er die Knochen erhalten, daß die wohlgemachten Mäntel haften. Ein Wunder iſt der! Ich bin ganz entzückt, daß er ſich außer Berlin zeigt, der Lieb- lingslehrling ſeines verſtockten Meiſters. Verſtockt war Iff- land in ſeinem Direktions-Glück, unter dem Götzendienſt, ge- worden. Und nun ruhe er ſelig! Ich bin ihm nur in Andrer Seele böſe, wo ſie ihm ſo Unrecht thaten; und den armen Rebenſtein bedaure ich wahrhaft. Der arme hübſche Menſch war ein Opfer. Die Catalani hab’ ich gehört; davon mündlich! Ihr Enthuſiasmus freute mich! — Adieu, Liebe! Ihre Rahel.
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begriff ich nicht, nach ſolch einem Spiel, wie in Ubaldo??!!
Das frag’ ich ſie aber.
Rebenſtein iſt ein Exempel. Ein Exempel, wie die menſch-
liche Natur in einem Menſchen ausgerottet werden kann; wel-
ches man ſonſt nur bei mißhandelten Sklaven ſehen ſoll. —
Unſer geliebter Tieck behauptet, alle Menſchen haben mimi-
ſches Talent in ſich; ja, ſogar die Thiere: und er hat Recht.
Wo käme ſonſt alle National-Gebärde, Ton, und Benehmen
her? Wie ſo ſänge der Sachſe, ſchnarrten und ſchnaufelten
wir, drückte der Schleſier u. ſ. w. In Rebenſtein iſt der Quell
alles Nachahmungsvermögens rein verſchüttet, durch lauter
Lehren von dem, was nicht exiſtirt: er ſah die ganze lichte
Welt nicht mehr, und nur ſeinen Lehrer, und auch den in
völlig blindem Glauben bei ganz geſchloſſenen Sinnen: nun
iſt er auch vollkommen Marionnette, trotz Fleiſch und Blut;
wenige Gebärden, wenige Töne, ohne alles Leben. So et-
was iſt mir nie vorgekommen: dies konnte nur Iffland ge-
lingen; und dieſem nur bei Rebenſtein. Alles iſt Negation
bei ihm; zum Glück hat er die Knochen erhalten, daß die
wohlgemachten Mäntel haften. Ein Wunder iſt der! Ich
bin ganz entzückt, daß er ſich außer Berlin zeigt, der Lieb-
lingslehrling ſeines verſtockten Meiſters. Verſtockt war Iff-
land in ſeinem Direktions-Glück, unter dem Götzendienſt, ge-
worden. Und nun ruhe er ſelig! Ich bin ihm nur in Andrer
Seele böſe, wo ſie ihm ſo Unrecht thaten; und den armen
Rebenſtein bedaure ich wahrhaft. Der arme hübſche Menſch
war ein Opfer. Die Catalani hab’ ich gehört; davon mündlich!
Ihr Enthuſiasmus freute mich! — Adieu, Liebe! Ihre Rahel.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/433>, abgerufen am 22.12.2024.
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