chen und verzehren muß. Sie, und wen ich nur berühre, muß das mit erfahren! Mit meinem Geiste ist das wirklich sehr anders; der ist sehr flott: und begreift leicht, auch viel; und geschwind Anderer Persönlichkeit; diese im weitesten Sinn, wie ich sie auch hier meine. So auch wirkt das Wetter auf mei- nen Sinn: nicht allein auf meine Nerven, wie auf wirk- lichste Saiten. Kommt mitten im Sommer kühles trübes Wet- ter: so mein' ich, er ist vorbei: und kann das nachfolgende schöne nicht fassen, weil ich es unter keiner Jahreszeit alsdann mehr zu fassen vermag! -- dies alles wirkt jetzt zusammen auf mich: und verwirrt mich ganz. Dabei ohne gewohnten Umgang, Wirkung, Geselligkeit, noch Gegenstände, noch Ge- spräch in Scherz oder Ernst. Dies alles nur zu meiner Ent- schuldigung! Über Ihren Aufsatz künftig; nur so viel heute. Ich habe die vortrefflichen Treffer darin mit dem wahrsten Enthusiasmus gefunden. Mich wohl in Ihre Stimmung und Ansicht versetzen lassen. Aber ich glaube, dieser Aufsatz ist nur für die Hochstehendsten im Verständniß eingänglich! Und ich habe keine Geduld mehr! Übersetzen Sie ihn auch den Andern in derben Wortprüglen: wie er im Museum als Don- ner und Blitz, Strömen und Wetterleuchten sich darthut. Wenn doch erst der Rest meiner Briefauszüge auch dastände! -- mir zum Trost! das was jetzt dasteht, mißfiel mir zu sehr: außer das über das Lügen. Adieu, lieber Dr. Troxler, leben Sie wohl! hier werde ich wohl ein wenig schreiben und lesen: das Beste, was mir einfallen will, sollen Sie haben. Ich umarme Mad. Troxler und die lieben kleinen Plauderer. Die
chen und verzehren muß. Sie, und wen ich nur berühre, muß das mit erfahren! Mit meinem Geiſte iſt das wirklich ſehr anders; der iſt ſehr flott: und begreift leicht, auch viel; und geſchwind Anderer Perſönlichkeit; dieſe im weiteſten Sinn, wie ich ſie auch hier meine. So auch wirkt das Wetter auf mei- nen Sinn: nicht allein auf meine Nerven, wie auf wirk- lichſte Saiten. Kommt mitten im Sommer kühles trübes Wet- ter: ſo mein’ ich, er iſt vorbei: und kann das nachfolgende ſchöne nicht faſſen, weil ich es unter keiner Jahreszeit alsdann mehr zu faſſen vermag! — dies alles wirkt jetzt zuſammen auf mich: und verwirrt mich ganz. Dabei ohne gewohnten Umgang, Wirkung, Geſelligkeit, noch Gegenſtände, noch Ge- ſpräch in Scherz oder Ernſt. Dies alles nur zu meiner Ent- ſchuldigung! Über Ihren Aufſatz künftig; nur ſo viel heute. Ich habe die vortrefflichen Treffer darin mit dem wahrſten Enthuſiasmus gefunden. Mich wohl in Ihre Stimmung und Anſicht verſetzen laſſen. Aber ich glaube, dieſer Aufſatz iſt nur für die Hochſtehendſten im Verſtändniß eingänglich! Und ich habe keine Geduld mehr! Überſetzen Sie ihn auch den Andern in derben Wortprüglen: wie er im Muſeum als Don- ner und Blitz, Strömen und Wetterleuchten ſich darthut. Wenn doch erſt der Reſt meiner Briefauszüge auch daſtände! — mir zum Troſt! das was jetzt daſteht, mißfiel mir zu ſehr: außer das über das Lügen. Adieu, lieber Dr. Troxler, leben Sie wohl! hier werde ich wohl ein wenig ſchreiben und leſen: das Beſte, was mir einfallen will, ſollen Sie haben. Ich umarme Mad. Troxler und die lieben kleinen Plauderer. Die
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chen und verzehren muß. Sie, und wen ich nur berühre, muß
das mit erfahren! Mit meinem Geiſte iſt das wirklich ſehr
anders; der iſt ſehr flott: und begreift leicht, auch viel; und
geſchwind Anderer Perſönlichkeit; dieſe im weiteſten Sinn, wie
ich ſie auch hier meine. So auch wirkt das Wetter auf mei-
nen Sinn: nicht allein auf meine Nerven, wie auf wirk-
lichſte Saiten. Kommt mitten im Sommer kühles trübes Wet-
ter: ſo mein’ ich, er iſt vorbei: und kann das nachfolgende
ſchöne nicht faſſen, weil ich es unter keiner Jahreszeit alsdann
mehr zu faſſen vermag! — dies alles wirkt jetzt zuſammen
auf mich: und verwirrt mich ganz. Dabei ohne gewohnten
Umgang, Wirkung, Geſelligkeit, noch Gegenſtände, noch Ge-
ſpräch in Scherz oder Ernſt. Dies alles nur zu meiner Ent-
ſchuldigung! Über Ihren Aufſatz künftig; nur ſo viel heute.
Ich habe die vortrefflichen Treffer darin mit dem wahrſten
Enthuſiasmus gefunden. Mich wohl in Ihre Stimmung und
Anſicht verſetzen laſſen. Aber ich glaube, dieſer Aufſatz iſt
nur für die Hochſtehendſten im Verſtändniß eingänglich! Und
ich habe keine Geduld mehr! Überſetzen Sie ihn auch den
Andern in derben Wortprüglen: wie er im Muſeum als Don-
ner und Blitz, Strömen und Wetterleuchten ſich darthut.
Wenn doch erſt der Reſt meiner Briefauszüge auch daſtände!
— mir zum Troſt! das was jetzt daſteht, mißfiel mir zu ſehr:
außer das über das Lügen. Adieu, lieber Dr. Troxler, leben
Sie wohl! hier werde ich wohl ein wenig ſchreiben und leſen:
das Beſte, was mir einfallen will, ſollen Sie haben. Ich
umarme Mad. Troxler und die lieben kleinen Plauderer. Die
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/421>, abgerufen am 29.11.2024.
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