mit Einem Wort, auf Wunder der Erfindung, der Gemüths- kraft, der Entdeckung, Offenbarung, Entwickelung. Mit Ge- faßtsein meine ich nicht, daß ich es zu sehen erwarte; aber ich bin dessen Kommen gewiß, und alle Verwirrung ist Gäh- rung da zu. "Erfrischend" ist sie wahrlich nicht, die man sich mit allem Geistesnachdenken erst zu Gutem zu erklären ver- mag! Wir sind aber verwiesen auf der Erde; und welch Glück hat der, der sich's noch gut erklärt, und wohlwollend an- und hinnimmt, und es ausführt; und so ziemlich noch begün- stigt ist. Es giebt ja Martern; wissen wir auch. Herz- stärkend ist es aber, wenn man sich menschlich seine Ge- danken, der ganz guten Aufnahme gewiß, mittheilt; gewiß, ehrlich Recht zu bekommen, oder ehrlich bestritten zu werden. -- Mir wirst du ohne Schwur glauben, daß ich alles zu Hause kenne, als ob ich dort wäre, kenne, wie Margaretha von Parma Madrid auf ihren Tapeten in Brüssel vor sich sieht, in Goethens Egmont. Niederdrücken konnte mich unser Fall, unser Leid: rühren unser Erheben, durchbeben der glück- liche Sieg. Gefreut aber habe ich mich nie mit jenen. Weil ich sie insgesammt kannte, und sie nicht um ein Jota ver- ändert wußte. Mir entgingen sie, der treuen, miterzogenen Landsmännin, nie. Andern hielt ich sie wohl lobend ent- gegen; mir nie getrost an's Herz! Wessen Herz ist Dünkel, Lüge, Prahlerei mehr verhaßt, als meinem! Prahlerei in Ge- bieten, wo sie nicht hin kann! Muth, Frömmigkeit, Menschen- liebe. Da schlagen sie in stattlichen Schwelgerzelten der Lüge breites Verheerungslager auf. Ekel ist es nur, was es erregt, aber wenn man davon spricht, so muß es empören. So schei-
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mit Einem Wort, auf Wunder der Erfindung, der Gemüths- kraft, der Entdeckung, Offenbarung, Entwickelung. Mit Ge- faßtſein meine ich nicht, daß ich es zu ſehen erwarte; aber ich bin deſſen Kommen gewiß, und alle Verwirrung iſt Gäh- rung da zu. „Erfriſchend“ iſt ſie wahrlich nicht, die man ſich mit allem Geiſtesnachdenken erſt zu Gutem zu erklären ver- mag! Wir ſind aber verwieſen auf der Erde; und welch Glück hat der, der ſich’s noch gut erklärt, und wohlwollend an- und hinnimmt, und es ausführt; und ſo ziemlich noch begün- ſtigt iſt. Es giebt ja Martern; wiſſen wir auch. Herz- ſtärkend iſt es aber, wenn man ſich menſchlich ſeine Ge- danken, der ganz guten Aufnahme gewiß, mittheilt; gewiß, ehrlich Recht zu bekommen, oder ehrlich beſtritten zu werden. — Mir wirſt du ohne Schwur glauben, daß ich alles zu Hauſe kenne, als ob ich dort wäre, kenne, wie Margaretha von Parma Madrid auf ihren Tapeten in Brüſſel vor ſich ſieht, in Goethens Egmont. Niederdrücken konnte mich unſer Fall, unſer Leid: rühren unſer Erheben, durchbeben der glück- liche Sieg. Gefreut aber habe ich mich nie mit jenen. Weil ich ſie insgeſammt kannte, und ſie nicht um ein Jota ver- ändert wußte. Mir entgingen ſie, der treuen, miterzogenen Landsmännin, nie. Andern hielt ich ſie wohl lobend ent- gegen; mir nie getroſt an’s Herz! Weſſen Herz iſt Dünkel, Lüge, Prahlerei mehr verhaßt, als meinem! Prahlerei in Ge- bieten, wo ſie nicht hin kann! Muth, Frömmigkeit, Menſchen- liebe. Da ſchlagen ſie in ſtattlichen Schwelgerzelten der Lüge breites Verheerungslager auf. Ekel iſt es nur, was es erregt, aber wenn man davon ſpricht, ſo muß es empören. So ſchei-
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mit Einem Wort, auf Wunder der Erfindung, der Gemüths-
kraft, der Entdeckung, Offenbarung, Entwickelung. Mit Ge-
faßtſein meine ich nicht, daß ich es zu ſehen erwarte; aber
ich bin deſſen Kommen gewiß, und alle Verwirrung iſt Gäh-
rung da zu. „Erfriſchend“ iſt ſie wahrlich nicht, die man ſich
mit allem Geiſtesnachdenken erſt zu Gutem zu erklären ver-
mag! Wir ſind aber verwieſen auf der Erde; und welch Glück
hat der, der ſich’s noch gut erklärt, und wohlwollend an-
und hinnimmt, und es ausführt; und ſo ziemlich noch begün-
ſtigt iſt. Es giebt ja Martern; wiſſen wir auch. Herz-
ſtärkend iſt es aber, wenn man ſich menſchlich ſeine Ge-
danken, der ganz guten Aufnahme gewiß, mittheilt; gewiß,
ehrlich Recht zu bekommen, oder ehrlich beſtritten zu werden.
— Mir wirſt du ohne Schwur glauben, daß ich alles zu
Hauſe kenne, als ob ich dort wäre, kenne, wie Margaretha
von Parma Madrid auf ihren Tapeten in Brüſſel vor ſich
ſieht, in Goethens Egmont. Niederdrücken konnte mich unſer
Fall, unſer Leid: rühren unſer Erheben, durchbeben der glück-
liche Sieg. Gefreut aber habe ich mich nie mit jenen. Weil
ich ſie insgeſammt kannte, und ſie nicht um ein Jota ver-
ändert wußte. Mir entgingen ſie, der treuen, miterzogenen
Landsmännin, nie. Andern hielt ich ſie wohl lobend ent-
gegen; mir nie getroſt an’s Herz! Weſſen Herz iſt Dünkel,
Lüge, Prahlerei mehr verhaßt, als meinem! Prahlerei in Ge-
bieten, wo ſie nicht hin kann! Muth, Frömmigkeit, Menſchen-
liebe. Da ſchlagen ſie in ſtattlichen Schwelgerzelten der Lüge
breites Verheerungslager auf. Ekel iſt es nur, was es erregt,
aber wenn man davon ſpricht, ſo muß es empören. So ſchei-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/392>, abgerufen am 26.11.2024.
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