also einfach, war, sich von fremdem Wollen hatte berühren lassen. (Das ist das Eine Haar, bei dem einen der Teufel, nach Lessing in Emilia Galotti, nicht mehr losläßt.) In die- sem Büchelchen wollte er etwas leisten, was nicht ursprünglich seines war; und noch dazu in einer Form, die ihm durch seine Talente nicht zu Gebote stand, und in welcher er es nur sei- nen Liebhabern angenehm genießbar machen wollte. Auch der Kunstform nach ist das Ding meines Bedünkens ganz mißlun- gen. Gewiß wurde er zuerst in Halle aus Geselligkeitskreisen zuerst sanft berührt, angeregt, und etwas verstanden. Er hat ein feines Gemüth, von einem lichteindringenden Geiste em- pfindlicher gemacht; also fühlte er dies stark; doch entging ihm nicht, daß die wohlthuenden Freunde ihn nur in einer ihnen gemäßen Hülle, -- die ihn selbst als Neues reizte, wie ihn die Geschicklichkeit sie zu gebrauchen unterhielt und freute, -- zu verstehen vermochten, und auch nur manches von ihm. Der Süßigkeit widerstand er nicht; mit herabgestiegener Freude machte er ihnen gern dies "Geschenk." Das Talent aber, in und für die gesellige Welt sich zu bewegen, mangelt ihm am meisten, und auch im Buche gelang's ihm nicht. Der große Beifall blieb aber nicht aus: und so vermeinte er auch für die gesellige Welt leben, wirken und dasein zu können auf unmittelbare Weise; gab sich dem edel und eitel hin, achtete Unbehagen aus dem tiefsten großen Innern her nicht. Ward von Verbindungen und deren Meinungen und Absichten um- schlungen; erwarb das vermeinte Talent nicht; ließ das hohe, wahre, einsam in sich, denn dies war ohne Freunde, er selbst war ihm nicht mehr der einsame Freund, verließ sich aber dar-
alſo einfach, war, ſich von fremdem Wollen hatte berühren laſſen. (Das iſt das Eine Haar, bei dem einen der Teufel, nach Leſſing in Emilia Galotti, nicht mehr losläßt.) In die- ſem Büchelchen wollte er etwas leiſten, was nicht urſprünglich ſeines war; und noch dazu in einer Form, die ihm durch ſeine Talente nicht zu Gebote ſtand, und in welcher er es nur ſei- nen Liebhabern angenehm genießbar machen wollte. Auch der Kunſtform nach iſt das Ding meines Bedünkens ganz mißlun- gen. Gewiß wurde er zuerſt in Halle aus Geſelligkeitskreiſen zuerſt ſanft berührt, angeregt, und etwas verſtanden. Er hat ein feines Gemüth, von einem lichteindringenden Geiſte em- pfindlicher gemacht; alſo fühlte er dies ſtark; doch entging ihm nicht, daß die wohlthuenden Freunde ihn nur in einer ihnen gemäßen Hülle, — die ihn ſelbſt als Neues reizte, wie ihn die Geſchicklichkeit ſie zu gebrauchen unterhielt und freute, — zu verſtehen vermochten, und auch nur manches von ihm. Der Süßigkeit widerſtand er nicht; mit herabgeſtiegener Freude machte er ihnen gern dies „Geſchenk.“ Das Talent aber, in und für die geſellige Welt ſich zu bewegen, mangelt ihm am meiſten, und auch im Buche gelang’s ihm nicht. Der große Beifall blieb aber nicht aus: und ſo vermeinte er auch für die geſellige Welt leben, wirken und daſein zu können auf unmittelbare Weiſe; gab ſich dem edel und eitel hin, achtete Unbehagen aus dem tiefſten großen Innern her nicht. Ward von Verbindungen und deren Meinungen und Abſichten um- ſchlungen; erwarb das vermeinte Talent nicht; ließ das hohe, wahre, einſam in ſich, denn dies war ohne Freunde, er ſelbſt war ihm nicht mehr der einſame Freund, verließ ſich aber dar-
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alſo einfach, war, ſich von fremdem Wollen hatte berühren
laſſen. (Das iſt das Eine Haar, bei dem einen der Teufel,
nach Leſſing in Emilia Galotti, nicht mehr losläßt.) In die-
ſem Büchelchen wollte er etwas leiſten, was nicht urſprünglich
ſeines war; und noch dazu in einer Form, die ihm durch ſeine
Talente nicht zu Gebote ſtand, und in welcher er es nur ſei-
nen Liebhabern angenehm genießbar machen wollte. Auch der
Kunſtform nach iſt das Ding meines Bedünkens ganz mißlun-
gen. Gewiß wurde er zuerſt in Halle aus Geſelligkeitskreiſen
zuerſt ſanft berührt, angeregt, und etwas verſtanden. Er hat
ein feines Gemüth, von einem lichteindringenden Geiſte em-
pfindlicher gemacht; alſo fühlte er dies ſtark; doch entging
ihm nicht, daß die wohlthuenden Freunde ihn nur in einer
ihnen gemäßen Hülle, — die ihn ſelbſt als Neues reizte, wie
ihn die Geſchicklichkeit ſie zu gebrauchen unterhielt und freute,
— zu verſtehen vermochten, und auch nur manches von ihm.
Der Süßigkeit widerſtand er nicht; mit herabgeſtiegener Freude
machte er ihnen gern dies „Geſchenk.“ Das Talent aber, in
und für die geſellige Welt ſich zu bewegen, mangelt ihm am
meiſten, und auch im Buche gelang’s ihm nicht. Der große
Beifall blieb aber nicht aus: und ſo vermeinte er auch für
die geſellige Welt leben, wirken und daſein zu können auf
unmittelbare Weiſe; gab ſich dem edel und eitel hin, achtete
Unbehagen aus dem tiefſten großen Innern her nicht. Ward
von Verbindungen und deren Meinungen und Abſichten um-
ſchlungen; erwarb das vermeinte Talent nicht; ließ das hohe,
wahre, einſam in ſich, denn dies war ohne Freunde, er ſelbſt
war ihm nicht mehr der einſame Freund, verließ ſich aber dar-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/388>, abgerufen am 26.11.2024.
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