habe, werd' ich auch fröhlich und amüsant schreiben. "Schließ' ihn in deine Seele!" und in keines Andern Seele! Du kannst dir den namenlosen Genuß nicht vorstellen, den mir dein Brief gewährte. Alles was wir je erlebten war mir mit einemmale hell in der Seele. Paulinens Hof, die Linden in der Nacht, unser Ärger. Unser Lachen. Alles! Alles! Ich umarme dich! schreibe mir von Allem, von Louis Robert. Ich hasse alles was jetzt vorgeht, am meisten den Dünkel; bin wie sonst!
Dieses Blatt ist dankbarlichst an meine liebe kleine dünn- leibige Ernestine. Ich umarme Sie nämlich jetzt, also denke ich mir Sie gleich, und fühle Sie ganz schlank. Doch noch ein Wort an Moritz. Du hast Recht, man ärgert sich schänd- lich, wenn sie einem nichts von zu Hause schreiben, und nicht antworten. Drum will ich, daß du meine letzten Briefe liest, darin ist vieles berührt, worüber sie mir doch schrieben; als: Juden, Akteurs, Roberts Stück und sonstiges Moden-Elend. O! wie hass' ich die forcirte Religion und Vaterlandsliebe. -- -- Eure beiden Briefe haben ein wahres Glück in unserm kleinen Hause bereitet. Aber Ihr, liebe Kinder, machtet aus meinem zu viel. Wir wollen uns aber fleißig schreiben. Heute speist Varnhagen bei dem Minister Barkhaus, wo ich expreß um zu schreiben absagen ließ. Ein Diner: um 2 Uhr. Ein Gräuel! An Ihren Geschenken nehme ich rechtschaffenen An- theil: auch ich habe vieles bekommen. Gern theilt' ich mit, Varnhagen ist aber so versessen, daß ich behalte, was er mir giebt, daß ich mich's nicht gleich unterstand, obgleich beständig daran dachte. Besonders bestimmte ich den Schleier, welcher ein enorm viereckig Tuch -- die größte Mode -- ist. Noch
habe, werd’ ich auch fröhlich und amüſant ſchreiben. „Schließ’ ihn in deine Seele!“ und in keines Andern Seele! Du kannſt dir den namenloſen Genuß nicht vorſtellen, den mir dein Brief gewährte. Alles was wir je erlebten war mir mit einemmale hell in der Seele. Paulinens Hof, die Linden in der Nacht, unſer Ärger. Unſer Lachen. Alles! Alles! Ich umarme dich! ſchreibe mir von Allem, von Louis Robert. Ich haſſe alles was jetzt vorgeht, am meiſten den Dünkel; bin wie ſonſt!
Dieſes Blatt iſt dankbarlichſt an meine liebe kleine dünn- leibige Erneſtine. Ich umarme Sie nämlich jetzt, alſo denke ich mir Sie gleich, und fühle Sie ganz ſchlank. Doch noch ein Wort an Moritz. Du haſt Recht, man ärgert ſich ſchänd- lich, wenn ſie einem nichts von zu Hauſe ſchreiben, und nicht antworten. Drum will ich, daß du meine letzten Briefe lieſt, darin iſt vieles berührt, worüber ſie mir doch ſchrieben; als: Juden, Akteurs, Roberts Stück und ſonſtiges Moden-Elend. O! wie haſſ’ ich die forcirte Religion und Vaterlandsliebe. — — Eure beiden Briefe haben ein wahres Glück in unſerm kleinen Hauſe bereitet. Aber Ihr, liebe Kinder, machtet aus meinem zu viel. Wir wollen uns aber fleißig ſchreiben. Heute ſpeiſt Varnhagen bei dem Miniſter Barkhaus, wo ich expreß um zu ſchreiben abſagen ließ. Ein Diner: um 2 Uhr. Ein Gräuel! An Ihren Geſchenken nehme ich rechtſchaffenen An- theil: auch ich habe vieles bekommen. Gern theilt’ ich mit, Varnhagen iſt aber ſo verſeſſen, daß ich behalte, was er mir giebt, daß ich mich’s nicht gleich unterſtand, obgleich beſtändig daran dachte. Beſonders beſtimmte ich den Schleier, welcher ein enorm viereckig Tuch — die größte Mode — iſt. Noch
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habe, werd’ ich auch fröhlich und amüſant ſchreiben. „Schließ’
ihn in deine Seele!“ und in keines Andern Seele! Du kannſt
dir den namenloſen Genuß nicht vorſtellen, den mir dein Brief
gewährte. Alles was wir je erlebten war mir mit einemmale
hell in der Seele. Paulinens Hof, die Linden in der Nacht,
unſer Ärger. Unſer Lachen. Alles! Alles! Ich umarme dich!
ſchreibe mir von Allem, von Louis Robert. Ich haſſe alles
was jetzt vorgeht, am meiſten den Dünkel; bin wie ſonſt!
Dieſes Blatt iſt dankbarlichſt an meine liebe kleine dünn-
leibige Erneſtine. Ich umarme Sie nämlich jetzt, alſo denke
ich mir Sie gleich, und fühle Sie ganz ſchlank. Doch noch
ein Wort an Moritz. Du haſt Recht, man ärgert ſich ſchänd-
lich, wenn ſie einem nichts von zu Hauſe ſchreiben, und nicht
antworten. Drum will ich, daß du meine letzten Briefe lieſt,
darin iſt vieles berührt, worüber ſie mir doch ſchrieben; als:
Juden, Akteurs, Roberts Stück und ſonſtiges Moden-Elend.
O! wie haſſ’ ich die forcirte Religion und Vaterlandsliebe.
— — Eure beiden Briefe haben ein wahres Glück in unſerm
kleinen Hauſe bereitet. Aber Ihr, liebe Kinder, machtet aus
meinem zu viel. Wir wollen uns aber fleißig ſchreiben. Heute
ſpeiſt Varnhagen bei dem Miniſter Barkhaus, wo ich expreß
um zu ſchreiben abſagen ließ. Ein Diner: um 2 Uhr. Ein
Gräuel! An Ihren Geſchenken nehme ich rechtſchaffenen An-
theil: auch ich habe vieles bekommen. Gern theilt’ ich mit,
Varnhagen iſt aber ſo verſeſſen, daß ich behalte, was er mir
giebt, daß ich mich’s nicht gleich unterſtand, obgleich beſtändig
daran dachte. Beſonders beſtimmte ich den Schleier, welcher
ein enorm viereckig Tuch — die größte Mode — iſt. Noch
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/384>, abgerufen am 26.11.2024.
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