Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Wie es kommt, ist es beinah immer besser, als wenn es kommt
wie wir es wünschen; im ersten Fall halten wir uns, mit der
Zeit, an dem, was er noch Gutes mit sich führt und entwik-
kelt; im andern müssen wir das Üble, welches unvermeidlich
daran erwächst, später verschlucken, und mißkennen und miß-
deuten dann unsern natürlichen Wunsch selbst. Wir Menschen
haben das Nachsehen und das Nachdenken; die Welt geht
ihren Gang. Mit diesem Gedanken kann ich ich Sie nicht
verschonen, lieber Troxler; er verfolgt mich selbst seit einiger
Zeit, als ein Riesenresultat, welches mir immer wieder vortritt,
ich mag den Weg gesucht haben, wie ich will. Im Winter
kauert man über sich selbst und denkt nach, weil man nichts
sieht als die unnatürlichen hemmenden Wände; da wünscht
man sich gütige eifrige Diskutir-Freunde, lustige einfallreiche
Gesellen: Varnhagen hat Recht, Ihnen zu sagen, daß Sie
mir eine erwünschte Gesellschaft wären, nachsichtig sind Sie
obenein, und widersprechen doch hübsch, Ich hoffe der Som-
mer führt uns zusammen! Was machen die kleinen Schwei-
zerchen? Sie wissen wohl nichts mehr von Varnhagens? Für
die Kinder ist mir jetzt Ihre Heimath lieber. Mit den herz-
lichsten Grüßen empfehle ich mich Mad. Troxler; leben Sie
wohl!

Ihre Fr. V.


An Auguste Brede, in Stuttgart.

Da übermorgen Heiligabend ist, so hoffe ich soll dieser
Brief grade eintreffen, und Sie schön von mir grüßen! Mir

Wie es kommt, iſt es beinah immer beſſer, als wenn es kommt
wie wir es wünſchen; im erſten Fall halten wir uns, mit der
Zeit, an dem, was er noch Gutes mit ſich führt und entwik-
kelt; im andern müſſen wir das Üble, welches unvermeidlich
daran erwächſt, ſpäter verſchlucken, und mißkennen und miß-
deuten dann unſern natürlichen Wunſch ſelbſt. Wir Menſchen
haben das Nachſehen und das Nachdenken; die Welt geht
ihren Gang. Mit dieſem Gedanken kann ich ich Sie nicht
verſchonen, lieber Troxler; er verfolgt mich ſelbſt ſeit einiger
Zeit, als ein Rieſenreſultat, welches mir immer wieder vortritt,
ich mag den Weg geſucht haben, wie ich will. Im Winter
kauert man über ſich ſelbſt und denkt nach, weil man nichts
ſieht als die unnatürlichen hemmenden Wände; da wünſcht
man ſich gütige eifrige Diskutir-Freunde, luſtige einfallreiche
Geſellen: Varnhagen hat Recht, Ihnen zu ſagen, daß Sie
mir eine erwünſchte Geſellſchaft wären, nachſichtig ſind Sie
obenein, und widerſprechen doch hübſch, Ich hoffe der Som-
mer führt uns zuſammen! Was machen die kleinen Schwei-
zerchen? Sie wiſſen wohl nichts mehr von Varnhagens? Für
die Kinder iſt mir jetzt Ihre Heimath lieber. Mit den herz-
lichſten Grüßen empfehle ich mich Mad. Troxler; leben Sie
wohl!

Ihre Fr. V.


An Auguſte Brede, in Stuttgart.

Da übermorgen Heiligabend iſt, ſo hoffe ich ſoll dieſer
Brief grade eintreffen, und Sie ſchön von mir grüßen! Mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0367" n="359"/>
Wie es kommt, i&#x017F;t es beinah immer be&#x017F;&#x017F;er, als wenn es kommt<lb/>
wie wir es wün&#x017F;chen; im er&#x017F;ten Fall halten wir uns, mit der<lb/>
Zeit, an dem, was er noch Gutes mit &#x017F;ich führt und entwik-<lb/>
kelt; im andern mü&#x017F;&#x017F;en wir das Üble, welches unvermeidlich<lb/>
daran erwäch&#x017F;t, &#x017F;päter ver&#x017F;chlucken, und mißkennen und miß-<lb/>
deuten dann un&#x017F;ern natürlichen Wun&#x017F;ch &#x017F;elb&#x017F;t. Wir Men&#x017F;chen<lb/>
haben das Nach&#x017F;ehen und das Nachdenken; die Welt geht<lb/>
ihren Gang. Mit die&#x017F;em Gedanken kann ich ich Sie nicht<lb/>
ver&#x017F;chonen, lieber Troxler; er verfolgt mich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eit einiger<lb/>
Zeit, als ein Rie&#x017F;enre&#x017F;ultat, welches mir immer wieder vortritt,<lb/>
ich mag den Weg ge&#x017F;ucht haben, wie ich will. Im Winter<lb/>
kauert man über &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und denkt nach, weil man nichts<lb/>
&#x017F;ieht als die unnatürlichen hemmenden Wände; da wün&#x017F;cht<lb/>
man &#x017F;ich gütige eifrige Diskutir-Freunde, lu&#x017F;tige einfallreiche<lb/>
Ge&#x017F;ellen: Varnhagen hat Recht, Ihnen zu &#x017F;agen, daß Sie<lb/>
mir eine erwün&#x017F;chte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft wären, nach&#x017F;ichtig &#x017F;ind Sie<lb/>
obenein, und wider&#x017F;prechen doch hüb&#x017F;ch, Ich hoffe der Som-<lb/>
mer führt uns zu&#x017F;ammen! Was machen die kleinen Schwei-<lb/>
zerchen? Sie wi&#x017F;&#x017F;en wohl nichts mehr von Varnhagens? Für<lb/>
die Kinder i&#x017F;t mir jetzt Ihre Heimath lieber. Mit den herz-<lb/>
lich&#x017F;ten Grüßen empfehle ich mich Mad. Troxler; leben Sie<lb/>
wohl!</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Ihre Fr. V.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Augu&#x017F;te Brede, in Stuttgart.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Frankfurt a. M., den 22. December 1815.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Da übermorgen Heiligabend i&#x017F;t, &#x017F;o hoffe ich &#x017F;oll die&#x017F;er<lb/>
Brief grade eintreffen, und Sie &#x017F;chön von mir grüßen! Mir<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0367] Wie es kommt, iſt es beinah immer beſſer, als wenn es kommt wie wir es wünſchen; im erſten Fall halten wir uns, mit der Zeit, an dem, was er noch Gutes mit ſich führt und entwik- kelt; im andern müſſen wir das Üble, welches unvermeidlich daran erwächſt, ſpäter verſchlucken, und mißkennen und miß- deuten dann unſern natürlichen Wunſch ſelbſt. Wir Menſchen haben das Nachſehen und das Nachdenken; die Welt geht ihren Gang. Mit dieſem Gedanken kann ich ich Sie nicht verſchonen, lieber Troxler; er verfolgt mich ſelbſt ſeit einiger Zeit, als ein Rieſenreſultat, welches mir immer wieder vortritt, ich mag den Weg geſucht haben, wie ich will. Im Winter kauert man über ſich ſelbſt und denkt nach, weil man nichts ſieht als die unnatürlichen hemmenden Wände; da wünſcht man ſich gütige eifrige Diskutir-Freunde, luſtige einfallreiche Geſellen: Varnhagen hat Recht, Ihnen zu ſagen, daß Sie mir eine erwünſchte Geſellſchaft wären, nachſichtig ſind Sie obenein, und widerſprechen doch hübſch, Ich hoffe der Som- mer führt uns zuſammen! Was machen die kleinen Schwei- zerchen? Sie wiſſen wohl nichts mehr von Varnhagens? Für die Kinder iſt mir jetzt Ihre Heimath lieber. Mit den herz- lichſten Grüßen empfehle ich mich Mad. Troxler; leben Sie wohl! Ihre Fr. V. An Auguſte Brede, in Stuttgart. Frankfurt a. M., den 22. December 1815. Da übermorgen Heiligabend iſt, ſo hoffe ich ſoll dieſer Brief grade eintreffen, und Sie ſchön von mir grüßen! Mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/367
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/367>, abgerufen am 22.12.2024.