wo und wie es nur ist. Nicht den entferntesten Neid habe ich auf Gaben, die ich nicht habe. Aber meine verdorren zu lassen, ist hart: und das, was ich vormöchte, schlecht ausüben zu sehen, Höllenspeise. Lebe wohl! Sei bedankt für alle schöne Geschenke! Grüße Gen. Tettenborn. Ich werde ihm schreiben, wie ich gar nicht wußte, daß die Generalin in Mün- chen war, sondern sie bei Pyrmont auf den Gütern meinte, und hier erfuhr, sie sei in Mannheim. Seine Art freut mich sehr. Barnekow ist auch der Alte, will von keinem als mir wissen. -- Heute bin ich bei Otterstedt's zum Thee mit Gräfin Pappenheim-Hardenberg. -- Ich freue mich auf dich. Adieu!
Deine R.
An Lucie Gräfin von Pappenheim, in Frankfurt a. M.
Frankfurt a. M., den 1. November 1815.
Auch gestern ging es mir wie mit Goethen; bei vielleicht zu großer Redseligkeit, bei gewiß anscheinender Dreistigkeit, war ich doch zu befangen gegen Sie, um grade das zu sagen, was mir eigentliches Bedürfniß war: nämlich, Ihnen, Frau Gräfin, für Ihre holde Antwort auf mein erstes Billet zu danken, und Ihnen zu sagen, wie sehr ich sie gefühlt, wie hoch ich sie in jedem Sinne aufgenommen habe. Möge Sie dies Geständniß aber nicht bewegen, mir zu huldvoll jedesmal schriftlich zu antworten, wenn ich schriftlich anrede. Heute fühl' ich mich dazu bewogen, um mich wegen angestrichener Stellen im Fichtenschen Buche zu entschuldigen! Ich glaubte
wo und wie es nur iſt. Nicht den entfernteſten Neid habe ich auf Gaben, die ich nicht habe. Aber meine verdorren zu laſſen, iſt hart: und das, was ich vormöchte, ſchlecht ausüben zu ſehen, Höllenſpeiſe. Lebe wohl! Sei bedankt für alle ſchöne Geſchenke! Grüße Gen. Tettenborn. Ich werde ihm ſchreiben, wie ich gar nicht wußte, daß die Generalin in Mün- chen war, ſondern ſie bei Pyrmont auf den Gütern meinte, und hier erfuhr, ſie ſei in Mannheim. Seine Art freut mich ſehr. Barnekow iſt auch der Alte, will von keinem als mir wiſſen. — Heute bin ich bei Otterſtedt’s zum Thee mit Gräfin Pappenheim-Hardenberg. — Ich freue mich auf dich. Adieu!
Deine R.
An Lucie Gräfin von Pappenheim, in Frankfurt a. M.
Frankfurt a. M., den 1. November 1815.
Auch geſtern ging es mir wie mit Goethen; bei vielleicht zu großer Redſeligkeit, bei gewiß anſcheinender Dreiſtigkeit, war ich doch zu befangen gegen Sie, um grade das zu ſagen, was mir eigentliches Bedürfniß war: nämlich, Ihnen, Frau Gräfin, für Ihre holde Antwort auf mein erſtes Billet zu danken, und Ihnen zu ſagen, wie ſehr ich ſie gefühlt, wie hoch ich ſie in jedem Sinne aufgenommen habe. Möge Sie dies Geſtändniß aber nicht bewegen, mir zu huldvoll jedesmal ſchriftlich zu antworten, wenn ich ſchriftlich anrede. Heute fühl’ ich mich dazu bewogen, um mich wegen angeſtrichener Stellen im Fichtenſchen Buche zu entſchuldigen! Ich glaubte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0364"n="356"/>
wo und wie es nur iſt. Nicht den entfernteſten Neid habe<lb/>
ich auf Gaben, die ich nicht habe. Aber meine verdorren zu<lb/>
laſſen, iſt hart: und das, was ich vormöchte, ſchlecht ausüben<lb/>
zu ſehen, Höllenſpeiſe. Lebe wohl! Sei bedankt für alle<lb/>ſchöne Geſchenke! Grüße Gen. Tettenborn. Ich werde ihm<lb/>ſchreiben, wie ich gar nicht wußte, daß die Generalin in Mün-<lb/>
chen war, ſondern ſie bei Pyrmont auf den Gütern meinte,<lb/>
und hier erfuhr, ſie ſei in Mannheim. Seine Art freut mich<lb/>ſehr. Barnekow iſt auch der Alte, will von keinem als mir<lb/>
wiſſen. — Heute bin ich bei Otterſtedt’s zum Thee mit Gräfin<lb/>
Pappenheim-Hardenberg. — Ich freue mich auf dich. Adieu!</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Deine R.</hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Lucie Gräfin von Pappenheim, in Frankfurt a. M.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Frankfurt a. M., den 1. November 1815.</hi></dateline><lb/><p>Auch geſtern ging es mir wie mit Goethen; bei vielleicht<lb/>
zu großer Redſeligkeit, bei gewiß anſcheinender Dreiſtigkeit,<lb/>
war ich doch zu befangen gegen Sie, um grade das zu ſagen,<lb/>
was mir eigentliches Bedürfniß war: nämlich, Ihnen, Frau<lb/>
Gräfin, für Ihre holde Antwort auf mein erſtes Billet zu<lb/>
danken, und Ihnen zu ſagen, wie ſehr ich ſie gefühlt, wie<lb/>
hoch ich ſie in jedem Sinne aufgenommen habe. Möge Sie<lb/>
dies Geſtändniß aber nicht bewegen, mir zu huldvoll jedesmal<lb/>ſchriftlich zu antworten, wenn ich ſchriftlich anrede. Heute<lb/>
fühl’ ich mich dazu bewogen, um mich wegen angeſtrichener<lb/>
Stellen im Fichtenſchen Buche zu entſchuldigen! Ich glaubte<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[356/0364]
wo und wie es nur iſt. Nicht den entfernteſten Neid habe
ich auf Gaben, die ich nicht habe. Aber meine verdorren zu
laſſen, iſt hart: und das, was ich vormöchte, ſchlecht ausüben
zu ſehen, Höllenſpeiſe. Lebe wohl! Sei bedankt für alle
ſchöne Geſchenke! Grüße Gen. Tettenborn. Ich werde ihm
ſchreiben, wie ich gar nicht wußte, daß die Generalin in Mün-
chen war, ſondern ſie bei Pyrmont auf den Gütern meinte,
und hier erfuhr, ſie ſei in Mannheim. Seine Art freut mich
ſehr. Barnekow iſt auch der Alte, will von keinem als mir
wiſſen. — Heute bin ich bei Otterſtedt’s zum Thee mit Gräfin
Pappenheim-Hardenberg. — Ich freue mich auf dich. Adieu!
Deine R.
An Lucie Gräfin von Pappenheim, in Frankfurt a. M.
Frankfurt a. M., den 1. November 1815.
Auch geſtern ging es mir wie mit Goethen; bei vielleicht
zu großer Redſeligkeit, bei gewiß anſcheinender Dreiſtigkeit,
war ich doch zu befangen gegen Sie, um grade das zu ſagen,
was mir eigentliches Bedürfniß war: nämlich, Ihnen, Frau
Gräfin, für Ihre holde Antwort auf mein erſtes Billet zu
danken, und Ihnen zu ſagen, wie ſehr ich ſie gefühlt, wie
hoch ich ſie in jedem Sinne aufgenommen habe. Möge Sie
dies Geſtändniß aber nicht bewegen, mir zu huldvoll jedesmal
ſchriftlich zu antworten, wenn ich ſchriftlich anrede. Heute
fühl’ ich mich dazu bewogen, um mich wegen angeſtrichener
Stellen im Fichtenſchen Buche zu entſchuldigen! Ich glaubte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/364>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.