Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm abgelassen hatten. Den sah ich mit seiner ganzen Fami-
lie lange und deutlich. -- Die Relation von allem mündlich.
Zum Gegenstück deines Ärgers wegen der Vernachlässigung,
den ich ganz mitempfand, wie ich auch das Leid, der unge-
wissen Lage
, und ihrer Ursachen, ganz ausgekostet habe:
(aber nun ist's auch vorbei, und freuen wir uns nur, uns wie-
der zu sehen; und zu denken wie wir denken, zufrieden mit
uns zu sein, wir behalten immer Ressourcen, wenn nur Friede
bleibt und das Unheil aufhört! Kurz wir wollen uns ärgern,
wenn wir müssen, und uns freuen, so oft wir können). Das
Gegenstück ist nämlich, daß ich gestern das Glück hatte, wenig-
stens nach meiner Überzeugung sehr gut für unser Land gewirkt
zu haben. (Jetzt muß ein Deutscher sein Land nennen; ich
meine Preußen.) Ich war so glücklich, Dummheiten für das-
selbe abzuwenden. Wie das geschah, kann ich dir nur münd-
lich erzählen; und wenn du alle Partheilichkeit für mich aus
der Seele schaffst, so wirst du doch sagen müssen: ja, es ist
dir gelungen. Mir war Reineke's Beichte lebhaft vor dem
Geiste; und so ging's. Gott! was ist es für ein Glück, für
eine Wonne, wenn einen das Schicksal auf den Ort stellt,
wo man die Gaben, die einem einmal die Natur ertheilte,
anwenden kann. Dann ist das Glück fertig. Stünd' ich hoch
in der Gesellschaft, wo zu übersehen, zu wählen, und rasch zu
handlen ist! Ich macht' es richtig, stark, und zart. Ich weiß
es. Ich fühl's, ich beweise es oft. Ambition habe ich gar
nicht. Das ist ganz gewiß. Denn, so wie ich nur ahnden
kann, ein Anderer weiß etwas, macht etwas besser, so lieb'
ich's den machen zu sehen; und mit Wonne, mit Entzücken,

23 *

ihm abgelaſſen hatten. Den ſah ich mit ſeiner ganzen Fami-
lie lange und deutlich. — Die Relation von allem mündlich.
Zum Gegenſtück deines Ärgers wegen der Vernachläſſigung,
den ich ganz mitempfand, wie ich auch das Leid, der unge-
wiſſen Lage
, und ihrer Urſachen, ganz ausgekoſtet habe:
(aber nun iſt’s auch vorbei, und freuen wir uns nur, uns wie-
der zu ſehen; und zu denken wie wir denken, zufrieden mit
uns zu ſein, wir behalten immer Reſſourcen, wenn nur Friede
bleibt und das Unheil aufhört! Kurz wir wollen uns ärgern,
wenn wir müſſen, und uns freuen, ſo oft wir können). Das
Gegenſtück iſt nämlich, daß ich geſtern das Glück hatte, wenig-
ſtens nach meiner Überzeugung ſehr gut für unſer Land gewirkt
zu haben. (Jetzt muß ein Deutſcher ſein Land nennen; ich
meine Preußen.) Ich war ſo glücklich, Dummheiten für daſ-
ſelbe abzuwenden. Wie das geſchah, kann ich dir nur münd-
lich erzählen; und wenn du alle Partheilichkeit für mich aus
der Seele ſchaffſt, ſo wirſt du doch ſagen müſſen: ja, es iſt
dir gelungen. Mir war Reineke’s Beichte lebhaft vor dem
Geiſte; und ſo ging’s. Gott! was iſt es für ein Glück, für
eine Wonne, wenn einen das Schickſal auf den Ort ſtellt,
wo man die Gaben, die einem einmal die Natur ertheilte,
anwenden kann. Dann iſt das Glück fertig. Stünd’ ich hoch
in der Geſellſchaft, wo zu überſehen, zu wählen, und raſch zu
handlen iſt! Ich macht’ es richtig, ſtark, und zart. Ich weiß
es. Ich fühl’s, ich beweiſe es oft. Ambition habe ich gar
nicht. Das iſt ganz gewiß. Denn, ſo wie ich nur ahnden
kann, ein Anderer weiß etwas, macht etwas beſſer, ſo lieb’
ich’s den machen zu ſehen; und mit Wonne, mit Entzücken,

23 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0363" n="355"/>
ihm abgela&#x017F;&#x017F;en hatten. Den &#x017F;ah ich mit &#x017F;einer ganzen Fami-<lb/>
lie lange und deutlich. &#x2014; Die Relation von allem mündlich.<lb/>
Zum Gegen&#x017F;tück deines Ärgers wegen der Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung,<lb/>
den ich <hi rendition="#g">ganz</hi> mitempfand, wie ich auch <hi rendition="#g">das</hi> Leid, der <hi rendition="#g">unge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Lage</hi>, und ihrer Ur&#x017F;achen, ganz <hi rendition="#g">ausg</hi>eko&#x017F;tet habe:<lb/>
(aber nun i&#x017F;t&#x2019;s auch vorbei, und freuen wir uns nur, uns wie-<lb/>
der zu &#x017F;ehen; und zu denken <hi rendition="#g">wie</hi> wir denken, zufrieden mit<lb/><hi rendition="#g">uns</hi> zu &#x017F;ein, wir behalten immer Re&#x017F;&#x017F;ourcen, wenn nur Friede<lb/>
bleibt und das Unheil aufhört! Kurz wir wollen uns ärgern,<lb/>
wenn wir mü&#x017F;&#x017F;en, und uns freuen, &#x017F;o oft wir können). Das<lb/>
Gegen&#x017F;tück i&#x017F;t nämlich, daß ich ge&#x017F;tern das Glück hatte, wenig-<lb/>
&#x017F;tens nach meiner Überzeugung &#x017F;ehr gut für un&#x017F;er Land gewirkt<lb/>
zu haben. (Jetzt muß ein Deut&#x017F;cher &#x017F;ein Land nennen; ich<lb/>
meine Preußen.) Ich war &#x017F;o glücklich, Dummheiten für da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe abzuwenden. Wie das ge&#x017F;chah, kann ich dir nur münd-<lb/>
lich erzählen; und wenn du alle Partheilichkeit für mich aus<lb/>
der Seele &#x017F;chaff&#x017F;t, &#x017F;o wir&#x017F;t du doch &#x017F;agen mü&#x017F;&#x017F;en: ja, es i&#x017F;t<lb/>
dir gelungen. Mir war Reineke&#x2019;s Beichte lebhaft vor dem<lb/>
Gei&#x017F;te; und &#x017F;o ging&#x2019;s. Gott! was i&#x017F;t es für ein <hi rendition="#g">Glück</hi>, für<lb/>
eine Wonne, wenn einen das Schick&#x017F;al auf den Ort &#x017F;tellt,<lb/>
wo man die Gaben, die einem einmal die Natur ertheilte,<lb/>
anwenden kann. Dann i&#x017F;t das Glück fertig. Stünd&#x2019; ich hoch<lb/>
in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, wo zu über&#x017F;ehen, zu wählen, und ra&#x017F;ch zu<lb/>
handlen i&#x017F;t! Ich macht&#x2019; es richtig, &#x017F;tark, und zart. Ich weiß<lb/>
es. Ich fühl&#x2019;s, ich bewei&#x017F;e es oft. <hi rendition="#g">Ambition</hi> habe ich <hi rendition="#g">gar</hi><lb/>
nicht. Das i&#x017F;t <hi rendition="#g">ganz</hi> gewiß. Denn, &#x017F;o wie ich nur <hi rendition="#g">ahnden</hi><lb/>
kann, ein Anderer weiß etwas, macht etwas be&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;o lieb&#x2019;<lb/>
ich&#x2019;s den machen zu &#x017F;ehen; und mit Wonne, mit Entzücken,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">23 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0363] ihm abgelaſſen hatten. Den ſah ich mit ſeiner ganzen Fami- lie lange und deutlich. — Die Relation von allem mündlich. Zum Gegenſtück deines Ärgers wegen der Vernachläſſigung, den ich ganz mitempfand, wie ich auch das Leid, der unge- wiſſen Lage, und ihrer Urſachen, ganz ausgekoſtet habe: (aber nun iſt’s auch vorbei, und freuen wir uns nur, uns wie- der zu ſehen; und zu denken wie wir denken, zufrieden mit uns zu ſein, wir behalten immer Reſſourcen, wenn nur Friede bleibt und das Unheil aufhört! Kurz wir wollen uns ärgern, wenn wir müſſen, und uns freuen, ſo oft wir können). Das Gegenſtück iſt nämlich, daß ich geſtern das Glück hatte, wenig- ſtens nach meiner Überzeugung ſehr gut für unſer Land gewirkt zu haben. (Jetzt muß ein Deutſcher ſein Land nennen; ich meine Preußen.) Ich war ſo glücklich, Dummheiten für daſ- ſelbe abzuwenden. Wie das geſchah, kann ich dir nur münd- lich erzählen; und wenn du alle Partheilichkeit für mich aus der Seele ſchaffſt, ſo wirſt du doch ſagen müſſen: ja, es iſt dir gelungen. Mir war Reineke’s Beichte lebhaft vor dem Geiſte; und ſo ging’s. Gott! was iſt es für ein Glück, für eine Wonne, wenn einen das Schickſal auf den Ort ſtellt, wo man die Gaben, die einem einmal die Natur ertheilte, anwenden kann. Dann iſt das Glück fertig. Stünd’ ich hoch in der Geſellſchaft, wo zu überſehen, zu wählen, und raſch zu handlen iſt! Ich macht’ es richtig, ſtark, und zart. Ich weiß es. Ich fühl’s, ich beweiſe es oft. Ambition habe ich gar nicht. Das iſt ganz gewiß. Denn, ſo wie ich nur ahnden kann, ein Anderer weiß etwas, macht etwas beſſer, ſo lieb’ ich’s den machen zu ſehen; und mit Wonne, mit Entzücken, 23 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/363
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/363>, abgerufen am 24.11.2024.