den beiden Thoren seines Lebens. Einer ein König, der seines Gleichen bekriegte, und die Untern mit und ohne Absicht er- hob. Der zweite ein Emporkömmling, Usurpator genannt, der die über ihm standen erniedrigte, auch dadurch, daß er neue schuf; der erste, die Deutschen nicht achtend, und durch sich selbst hebend: die Franzosen liebend, und sie dadurch grade uns am meisten entbehrlich machen helfend; der andere, die Deutschen verachtend, und dadurch am Ende die Deutschen erhebend. Beide wie alle Eroberer gehaßt, weil immer ein solcher einen neuen, heftigeren Krieg erfinden und üben muß. Der König, als solcher geduldet; durch Geist, Gesetz- und Kunstliebe sein Land, und dadurch sich erhaltend: der Empor- gekommene nicht geduldet, weil er nicht Geist genug hatte, seine mitlebende Welt zu ahnden, und sprungweise über sie hinausgriff; kurz nicht ganz für den Augenblick vom Schick- sal erwählt und passend gebraucht wurde; welches jedem Gro- ßen nöthig ist.
S. 248. Äußerst scharfsinnig und sehr schön, als er eben über Lessings Laokoon zu sprechen anfängt. Der war auch ein Fund für mich. Ich fand ihn in der Jugend in einem Zimmer, und ich war ganz beglückt.
S. 252. Es ist gar keine Schwäche, die Wirthshäuser so zu hassen. Sie sind mir ein Abscheu! und ich freue mich, daß Goethe sie wenigstens in der Jugend auch haßte. Die in kleineren Städten sind lange nicht so hassenswerth und schlecht, in aller Art.
S. 254. Goethe spricht von dem Verwandten seines Leip- ziger Stubenkammeraden, einem Schuster. Er liebte den Mann
den beiden Thoren ſeines Lebens. Einer ein König, der ſeines Gleichen bekriegte, und die Untern mit und ohne Abſicht er- hob. Der zweite ein Emporkömmling, Uſurpator genannt, der die über ihm ſtanden erniedrigte, auch dadurch, daß er neue ſchuf; der erſte, die Deutſchen nicht achtend, und durch ſich ſelbſt hebend: die Franzoſen liebend, und ſie dadurch grade uns am meiſten entbehrlich machen helfend; der andere, die Deutſchen verachtend, und dadurch am Ende die Deutſchen erhebend. Beide wie alle Eroberer gehaßt, weil immer ein ſolcher einen neuen, heftigeren Krieg erfinden und üben muß. Der König, als ſolcher geduldet; durch Geiſt, Geſetz- und Kunſtliebe ſein Land, und dadurch ſich erhaltend: der Empor- gekommene nicht geduldet, weil er nicht Geiſt genug hatte, ſeine mitlebende Welt zu ahnden, und ſprungweiſe über ſie hinausgriff; kurz nicht ganz für den Augenblick vom Schick- ſal erwählt und paſſend gebraucht wurde; welches jedem Gro- ßen nöthig iſt.
S. 248. Äußerſt ſcharfſinnig und ſehr ſchön, als er eben über Leſſings Laokoon zu ſprechen anfängt. Der war auch ein Fund für mich. Ich fand ihn in der Jugend in einem Zimmer, und ich war ganz beglückt.
S. 252. Es iſt gar keine Schwäche, die Wirthshäuſer ſo zu haſſen. Sie ſind mir ein Abſcheu! und ich freue mich, daß Goethe ſie wenigſtens in der Jugend auch haßte. Die in kleineren Städten ſind lange nicht ſo haſſenswerth und ſchlecht, in aller Art.
S. 254. Goethe ſpricht von dem Verwandten ſeines Leip- ziger Stubenkammeraden, einem Schuſter. Er liebte den Mann
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den beiden Thoren ſeines Lebens. Einer ein König, der ſeines
Gleichen bekriegte, und die Untern mit und ohne Abſicht er-
hob. Der zweite ein Emporkömmling, Uſurpator genannt,
der die über ihm ſtanden erniedrigte, auch dadurch, daß er
neue ſchuf; der erſte, die Deutſchen nicht achtend, und durch
ſich ſelbſt hebend: die Franzoſen liebend, und ſie dadurch grade
uns am meiſten entbehrlich machen helfend; der andere, die
Deutſchen verachtend, und dadurch am Ende die Deutſchen
erhebend. Beide wie alle Eroberer gehaßt, weil immer ein
ſolcher einen neuen, heftigeren Krieg erfinden und üben muß.
Der König, als ſolcher geduldet; durch Geiſt, Geſetz- und
Kunſtliebe ſein Land, und dadurch ſich erhaltend: der Empor-
gekommene nicht geduldet, weil er nicht Geiſt genug hatte,
ſeine mitlebende Welt zu ahnden, und ſprungweiſe über ſie
hinausgriff; kurz nicht ganz für den Augenblick vom Schick-
ſal erwählt und paſſend gebraucht wurde; welches jedem Gro-
ßen nöthig iſt.
S. 248. Äußerſt ſcharfſinnig und ſehr ſchön, als er eben
über Leſſings Laokoon zu ſprechen anfängt. Der war auch
ein Fund für mich. Ich fand ihn in der Jugend in einem
Zimmer, und ich war ganz beglückt.
S. 252. Es iſt gar keine Schwäche, die Wirthshäuſer
ſo zu haſſen. Sie ſind mir ein Abſcheu! und ich freue mich,
daß Goethe ſie wenigſtens in der Jugend auch haßte. Die
in kleineren Städten ſind lange nicht ſo haſſenswerth und
ſchlecht, in aller Art.
S. 254. Goethe ſpricht von dem Verwandten ſeines Leip-
ziger Stubenkammeraden, einem Schuſter. Er liebte den Mann
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/353>, abgerufen am 22.11.2024.
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