Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

müsse wissen wofür! daß er kam. Entschuldige mich nicht;
denn ich meine, er muß wissen, daß ich ganz schwinde, und
nur er berücksichtigt wird. Dies -- leider!! -- war die erste
Bewegung meines Herzens. Nun denk' ich in heftigster, ja
komischer, quälender Reue anders! Er sagte mir, mit einer
etwas sächsischen, sehr aiseen Sprache, er bedaure nicht gewußt
zu haben, daß ich bei ihm war. "Wir wollten nur wissen,
ob Sie das Paket erhalten hätten. Wir hatten es einem
Wiener Kaufmann gegeben, der es mit bis nach Leipzig nahm."
Ich danke Ihrem Herrn Gemahl, sehr grüßen Sie ihn von
mir; ich habe auch gleich antworten wollen, und legte es deß-
halb zurück, aber mit den interessantesten Sachen geht's einem
am meisten so, man kommt nicht dazu. Ich danke Ihnen
sehr! "O! das glaub' ich wohl, es geht mir ja sogar so.
Ich wollte auch nur wissen, ob es in Ihren Händen sei." Er
ließ dich wieder grüßen, wohl dreimal, fragte, wo du bist. Ich
sagte ihm meinen Fall mit dem Nachkommen; wie der Kon-
greß auf mich gewirkt habe: dessen war er, ganz weise, und
abgethan und zweihundert Jahr alt, einverstanden; und meinte
auch, es sei nicht zum Nacherzählen, weil es keine Gestalt
habe; ich sagte ihm, ich hätte erfahren, daß der Krieg um-
bringe, aber nicht zerstöre, und gestand ihm zu, daß man
dies an Frankfurt sähe, dessen Umgebungen wir um die Wette
lobten, und er meinte, es würde ja dort bald aus sein, und
wir auch noch etwas Gutes davon erfahren. So glimpf! so
hoffnungsreich auf die Natur; so gelassen, freundlich, und un-
sicher, so vague, und fest. Daß es mir eine Lust war! Er
überredete mich zu Bieberich, Wiesbaden, und dieser Reise;

müſſe wiſſen wofür! daß er kam. Entſchuldige mich nicht;
denn ich meine, er muß wiſſen, daß ich ganz ſchwinde, und
nur er berückſichtigt wird. Dies — leider!! — war die erſte
Bewegung meines Herzens. Nun denk’ ich in heftigſter, ja
komiſcher, quälender Reue anders! Er ſagte mir, mit einer
etwas ſächſiſchen, ſehr aiſéen Sprache, er bedaure nicht gewußt
zu haben, daß ich bei ihm war. „Wir wollten nur wiſſen,
ob Sie das Paket erhalten hätten. Wir hatten es einem
Wiener Kaufmann gegeben, der es mit bis nach Leipzig nahm.“
Ich danke Ihrem Herrn Gemahl, ſehr grüßen Sie ihn von
mir; ich habe auch gleich antworten wollen, und legte es deß-
halb zurück, aber mit den intereſſanteſten Sachen geht’s einem
am meiſten ſo, man kommt nicht dazu. Ich danke Ihnen
ſehr! „O! das glaub’ ich wohl, es geht mir ja ſogar ſo.
Ich wollte auch nur wiſſen, ob es in Ihren Händen ſei.“ Er
ließ dich wieder grüßen, wohl dreimal, fragte, wo du biſt. Ich
ſagte ihm meinen Fall mit dem Nachkommen; wie der Kon-
greß auf mich gewirkt habe: deſſen war er, ganz weiſe, und
abgethan und zweihundert Jahr alt, einverſtanden; und meinte
auch, es ſei nicht zum Nacherzählen, weil es keine Geſtalt
habe; ich ſagte ihm, ich hätte erfahren, daß der Krieg um-
bringe, aber nicht zerſtöre, und geſtand ihm zu, daß man
dies an Frankfurt ſähe, deſſen Umgebungen wir um die Wette
lobten, und er meinte, es würde ja dort bald aus ſein, und
wir auch noch etwas Gutes davon erfahren. So glimpf! ſo
hoffnungsreich auf die Natur; ſo gelaſſen, freundlich, und un-
ſicher, ſo vague, und feſt. Daß es mir eine Luſt war! Er
überredete mich zu Bieberich, Wiesbaden, und dieſer Reiſe;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0339" n="331"/>&#x017F;&#x017F;e wi&#x017F;&#x017F;en wofür! daß er kam. Ent&#x017F;chuldige mich nicht;<lb/>
denn ich meine, er muß wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich <hi rendition="#g">ganz</hi> &#x017F;chwinde, und<lb/>
nur er berück&#x017F;ichtigt wird. Dies &#x2014; leider!! &#x2014; war die <hi rendition="#g">er&#x017F;te</hi><lb/>
Bewegung meines Herzens. Nun denk&#x2019; ich in heftig&#x017F;ter, ja<lb/>
komi&#x017F;cher, quälender Reue <hi rendition="#g">anders</hi>! Er &#x017F;agte mir, mit einer<lb/>
etwas &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen, &#x017F;ehr ai&#x017F;<hi rendition="#aq">é</hi>en Sprache, er bedaure nicht gewußt<lb/>
zu haben, daß ich bei ihm war. &#x201E;Wir wollten <hi rendition="#g">nur</hi> wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ob Sie das Paket erhalten hätten. Wir hatten es einem<lb/>
Wiener Kaufmann gegeben, der es mit bis nach Leipzig nahm.&#x201C;<lb/>
Ich danke Ihrem Herrn Gemahl, &#x017F;ehr grüßen Sie ihn von<lb/>
mir; ich habe auch gleich antworten wollen, und legte es deß-<lb/>
halb zurück, aber mit den intere&#x017F;&#x017F;ante&#x017F;ten Sachen geht&#x2019;s einem<lb/>
am mei&#x017F;ten &#x017F;o, man kommt nicht dazu. Ich danke Ihnen<lb/>
&#x017F;ehr! &#x201E;O! das glaub&#x2019; ich wohl, es geht mir ja &#x017F;ogar &#x017F;o.<lb/>
Ich wollte auch nur wi&#x017F;&#x017F;en, ob es in Ihren Händen &#x017F;ei.&#x201C; Er<lb/>
ließ dich wieder grüßen, wohl dreimal, fragte, wo du bi&#x017F;t. Ich<lb/>
&#x017F;agte ihm meinen Fall mit dem Nachkommen; wie der Kon-<lb/>
greß auf mich gewirkt habe: de&#x017F;&#x017F;en war er, <hi rendition="#g">ganz wei&#x017F;e</hi>, und<lb/>
abgethan und zweihundert Jahr alt, einver&#x017F;tanden; und meinte<lb/>
auch, es &#x017F;ei nicht zum Nacherzählen, <hi rendition="#g">weil</hi> es keine Ge&#x017F;talt<lb/>
habe; ich &#x017F;agte ihm, ich hätte erfahren, daß der Krieg um-<lb/>
bringe, aber nicht zer&#x017F;töre, und ge&#x017F;tand <hi rendition="#g">ihm</hi> zu, daß man<lb/>
dies an Frankfurt &#x017F;ähe, de&#x017F;&#x017F;en Umgebungen wir um die Wette<lb/>
lobten, und er meinte, es würde ja dort bald aus &#x017F;ein, und<lb/>
wir auch noch etwas Gutes davon erfahren. So glimpf! &#x017F;o<lb/>
hoffnungsreich auf die Natur; &#x017F;o gela&#x017F;&#x017F;en, freundlich, und un-<lb/>
&#x017F;icher, &#x017F;o vague, und fe&#x017F;t. Daß es <hi rendition="#g">mir</hi> eine Lu&#x017F;t war! Er<lb/>
überredete mich zu Bieberich, Wiesbaden, und die&#x017F;er Rei&#x017F;e;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0339] müſſe wiſſen wofür! daß er kam. Entſchuldige mich nicht; denn ich meine, er muß wiſſen, daß ich ganz ſchwinde, und nur er berückſichtigt wird. Dies — leider!! — war die erſte Bewegung meines Herzens. Nun denk’ ich in heftigſter, ja komiſcher, quälender Reue anders! Er ſagte mir, mit einer etwas ſächſiſchen, ſehr aiſéen Sprache, er bedaure nicht gewußt zu haben, daß ich bei ihm war. „Wir wollten nur wiſſen, ob Sie das Paket erhalten hätten. Wir hatten es einem Wiener Kaufmann gegeben, der es mit bis nach Leipzig nahm.“ Ich danke Ihrem Herrn Gemahl, ſehr grüßen Sie ihn von mir; ich habe auch gleich antworten wollen, und legte es deß- halb zurück, aber mit den intereſſanteſten Sachen geht’s einem am meiſten ſo, man kommt nicht dazu. Ich danke Ihnen ſehr! „O! das glaub’ ich wohl, es geht mir ja ſogar ſo. Ich wollte auch nur wiſſen, ob es in Ihren Händen ſei.“ Er ließ dich wieder grüßen, wohl dreimal, fragte, wo du biſt. Ich ſagte ihm meinen Fall mit dem Nachkommen; wie der Kon- greß auf mich gewirkt habe: deſſen war er, ganz weiſe, und abgethan und zweihundert Jahr alt, einverſtanden; und meinte auch, es ſei nicht zum Nacherzählen, weil es keine Geſtalt habe; ich ſagte ihm, ich hätte erfahren, daß der Krieg um- bringe, aber nicht zerſtöre, und geſtand ihm zu, daß man dies an Frankfurt ſähe, deſſen Umgebungen wir um die Wette lobten, und er meinte, es würde ja dort bald aus ſein, und wir auch noch etwas Gutes davon erfahren. So glimpf! ſo hoffnungsreich auf die Natur; ſo gelaſſen, freundlich, und un- ſicher, ſo vague, und feſt. Daß es mir eine Luſt war! Er überredete mich zu Bieberich, Wiesbaden, und dieſer Reiſe;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/339
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/339>, abgerufen am 25.11.2024.