dienten, wozu jener als empfohlener Rathgeber dastand, es aber gar nicht besprechen mochte, und immer lachend ober- flächlich versichernd absprach, es sei kein Bedenken, es gäbe kein Stehlen, man habe nichts Wichtiges mit sich, es sei nichts zu besorgen für einen Begleiter und von einem Begleiter: dies alles in der beleidigendsten Verachtung, und nicht enthaltenem Lachen, und höchster Langenweile. --
Auch nun möchte ich schon fort! Aber allein, mit den deutschen Domestiken, die noch weniger vom Gelde u. a. ver- stehen, als ich, mag ich nicht. Die mindeste Unpäßlichkeit, und es kann kein Mensch mehr sprechen. Ich werde schon kommen. --
Frankfurt a. M. 1815.
Mit den freien Städten wird es nun auch immer deut- licher; das Ganze ist wie eine Familie, die häuslich und glücklich lebt; das ist gut für sie, läßt aber keinen großen Verkehr, oder vielmehr keinen großartigen, bezugreichen zu, noch irgend eine solche exempelgebende Anstalt, die um sich griffe, weit und allgemein wirkte. Dies kann nur ein großer Staat, bis jetzt, mit allen seinen Mißbräuchen und Häßlich- keiten. Soviel ist bei mir ausgemacht, die freien Reichsstädte dauern auch nicht mehr lange, die Fürsten mögen auch noch so human sie sich selbst wiederschenken! Sie waren, meines Bedünkens, künstliche und natürliche Inseln des Freiheits- Erdreichs, welche aus jenem wühlenden, wüthenden Meere der erobernden Adelwelt empor sahen, und strebten, die aber bald mit dem ganzen Erdreich zusammengehören werden, je
dienten, wozu jener als empfohlener Rathgeber daſtand, es aber gar nicht beſprechen mochte, und immer lachend ober- flächlich verſichernd abſprach, es ſei kein Bedenken, es gäbe kein Stehlen, man habe nichts Wichtiges mit ſich, es ſei nichts zu beſorgen für einen Begleiter und von einem Begleiter: dies alles in der beleidigendſten Verachtung, und nicht enthaltenem Lachen, und höchſter Langenweile. —
Auch nun möchte ich ſchon fort! Aber allein, mit den deutſchen Domeſtiken, die noch weniger vom Gelde u. a. ver- ſtehen, als ich, mag ich nicht. Die mindeſte Unpäßlichkeit, und es kann kein Menſch mehr ſprechen. Ich werde ſchon kommen. —
Frankfurt a. M. 1815.
Mit den freien Städten wird es nun auch immer deut- licher; das Ganze iſt wie eine Familie, die häuslich und glücklich lebt; das iſt gut für ſie, läßt aber keinen großen Verkehr, oder vielmehr keinen großartigen, bezugreichen zu, noch irgend eine ſolche exempelgebende Anſtalt, die um ſich griffe, weit und allgemein wirkte. Dies kann nur ein großer Staat, bis jetzt, mit allen ſeinen Mißbräuchen und Häßlich- keiten. Soviel iſt bei mir ausgemacht, die freien Reichsſtädte dauern auch nicht mehr lange, die Fürſten mögen auch noch ſo human ſie ſich ſelbſt wiederſchenken! Sie waren, meines Bedünkens, künſtliche und natürliche Inſeln des Freiheits- Erdreichs, welche aus jenem wühlenden, wüthenden Meere der erobernden Adelwelt empor ſahen, und ſtrebten, die aber bald mit dem ganzen Erdreich zuſammengehören werden, je
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0332"n="324"/>
dienten, wozu jener als empfohlener Rathgeber daſtand, es<lb/>
aber gar nicht beſprechen mochte, und immer lachend ober-<lb/>
flächlich verſichernd abſprach, es ſei kein Bedenken, es gäbe<lb/>
kein Stehlen, man habe nichts Wichtiges mit ſich, es ſei nichts<lb/>
zu beſorgen für einen Begleiter und von einem Begleiter: dies<lb/>
alles in der beleidigendſten Verachtung, und nicht enthaltenem<lb/>
Lachen, und höchſter Langenweile. —</p><lb/><p>Auch nun möchte ich ſchon fort! Aber allein, mit den<lb/>
deutſchen Domeſtiken, die noch weniger vom Gelde u. a. ver-<lb/>ſtehen, als ich, mag ich nicht. Die mindeſte Unpäßlichkeit,<lb/>
und es kann kein Menſch mehr ſprechen. Ich werde ſchon<lb/>
kommen. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Frankfurt a. M. 1815.</hi></dateline><lb/><p>Mit den freien Städten wird es nun auch immer deut-<lb/>
licher; das Ganze iſt wie eine Familie, die häuslich und<lb/>
glücklich lebt; das iſt gut für ſie, läßt aber keinen großen<lb/>
Verkehr, oder vielmehr keinen großartigen, bezugreichen zu,<lb/>
noch irgend eine ſolche exempelgebende Anſtalt, die um ſich<lb/>
griffe, weit und allgemein wirkte. Dies kann nur ein großer<lb/>
Staat, bis jetzt, mit allen ſeinen Mißbräuchen und Häßlich-<lb/>
keiten. Soviel iſt bei mir ausgemacht, die freien Reichsſtädte<lb/>
dauern auch nicht mehr lange, die Fürſten mögen auch noch<lb/>ſo human ſie ſich ſelbſt wiederſchenken! Sie waren, meines<lb/>
Bedünkens, künſtliche und natürliche Inſeln des Freiheits-<lb/>
Erdreichs, welche aus jenem wühlenden, wüthenden Meere<lb/>
der erobernden Adelwelt empor ſahen, und ſtrebten, die aber<lb/>
bald mit dem ganzen Erdreich zuſammengehören werden, je<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[324/0332]
dienten, wozu jener als empfohlener Rathgeber daſtand, es
aber gar nicht beſprechen mochte, und immer lachend ober-
flächlich verſichernd abſprach, es ſei kein Bedenken, es gäbe
kein Stehlen, man habe nichts Wichtiges mit ſich, es ſei nichts
zu beſorgen für einen Begleiter und von einem Begleiter: dies
alles in der beleidigendſten Verachtung, und nicht enthaltenem
Lachen, und höchſter Langenweile. —
Auch nun möchte ich ſchon fort! Aber allein, mit den
deutſchen Domeſtiken, die noch weniger vom Gelde u. a. ver-
ſtehen, als ich, mag ich nicht. Die mindeſte Unpäßlichkeit,
und es kann kein Menſch mehr ſprechen. Ich werde ſchon
kommen. —
Frankfurt a. M. 1815.
Mit den freien Städten wird es nun auch immer deut-
licher; das Ganze iſt wie eine Familie, die häuslich und
glücklich lebt; das iſt gut für ſie, läßt aber keinen großen
Verkehr, oder vielmehr keinen großartigen, bezugreichen zu,
noch irgend eine ſolche exempelgebende Anſtalt, die um ſich
griffe, weit und allgemein wirkte. Dies kann nur ein großer
Staat, bis jetzt, mit allen ſeinen Mißbräuchen und Häßlich-
keiten. Soviel iſt bei mir ausgemacht, die freien Reichsſtädte
dauern auch nicht mehr lange, die Fürſten mögen auch noch
ſo human ſie ſich ſelbſt wiederſchenken! Sie waren, meines
Bedünkens, künſtliche und natürliche Inſeln des Freiheits-
Erdreichs, welche aus jenem wühlenden, wüthenden Meere
der erobernden Adelwelt empor ſahen, und ſtrebten, die aber
bald mit dem ganzen Erdreich zuſammengehören werden, je
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/332>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.