zu bringen. Was wird sie bringen? Ich schlief nicht; der Abend war hübsch. Ich aber nicht.
An Varnhagen, in Berlin.
Baden bei Wien, den 20. Juni 1815. Morgeno halb 11. Heißes Wetter.
Gestern, als wir aus dem Helenenthal nach Hause kamen, fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don- nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag warst du in Töplitz. Du dachtest bei allem an mich. Ich gestern, in dem barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen seinen Augen- spielen, an dich! O! eine solche Wohnung, wie es da ganz städtisch und bequem giebt, in Ruhe und Beschäftigung, muß eine Seligkeit sein. Doch bin ich sehr zufrieden, dies alles hier auf so eine heitere bequeme Art zu genießen. -- Wir gingen gleich nach dem Ankommen in den Götterstegen umher, wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein- bäche schritt, Dudelsäcke spielten, Sängerinnen zu Harfen jo- delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshause Kaffee, Ich sah nur die Gegenstände. Die Gesellschaft gut und un- befangen, und ihre ganze Prätension nur an das Thal. Die Damen außer sich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von Arnstein noch tausendmal besser, als in der Stadt; auch nicht der entfernteste Gedanke von Prätension an ihre hausgenössi- schen Gäste, die die völligste Freiheit und nur das Gute ge- nießen, was das bequeme Haus mit sich bringt mit seinen
zu bringen. Was wird ſie bringen? Ich ſchlief nicht; der Abend war hübſch. Ich aber nicht.
An Varnhagen, in Berlin.
Baden bei Wien, den 20. Juni 1815. Morgeno halb 11. Heißes Wetter.
Geſtern, als wir aus dem Helenenthal nach Hauſe kamen, fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don- nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag warſt du in Töplitz. Du dachteſt bei allem an mich. Ich geſtern, in dem barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen ſeinen Augen- ſpielen, an dich! O! eine ſolche Wohnung, wie es da ganz ſtädtiſch und bequem giebt, in Ruhe und Beſchäftigung, muß eine Seligkeit ſein. Doch bin ich ſehr zufrieden, dies alles hier auf ſo eine heitere bequeme Art zu genießen. — Wir gingen gleich nach dem Ankommen in den Götterſtegen umher, wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein- bäche ſchritt, Dudelſäcke ſpielten, Sängerinnen zu Harfen jo- delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshauſe Kaffee, Ich ſah nur die Gegenſtände. Die Geſellſchaft gut und un- befangen, und ihre ganze Prätenſion nur an das Thal. Die Damen außer ſich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von Arnſtein noch tauſendmal beſſer, als in der Stadt; auch nicht der entfernteſte Gedanke von Prätenſion an ihre hausgenöſſi- ſchen Gäſte, die die völligſte Freiheit und nur das Gute ge- nießen, was das bequeme Haus mit ſich bringt mit ſeinen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0303"n="295"/>
zu bringen. Was wird <hirendition="#g">ſie</hi> bringen? Ich ſchlief nicht; der<lb/>
Abend war hübſch. Ich aber nicht.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Varnhagen, in Berlin.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Baden bei Wien, den 20. Juni 1815.<lb/>
Morgeno halb 11. Heißes Wetter.</hi></dateline><lb/><p>Geſtern, als wir aus dem Helenenthal nach Hauſe kamen,<lb/>
fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don-<lb/>
nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag warſt du in<lb/>
Töplitz. Du dachteſt bei allem an mich. Ich geſtern, in dem<lb/>
barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen ſeinen Augen-<lb/>ſpielen, an <hirendition="#g">dich</hi>! O! eine ſolche Wohnung, wie es da ganz<lb/>ſtädtiſch und bequem giebt, in Ruhe und Beſchäftigung, muß<lb/>
eine Seligkeit ſein. Doch bin ich ſehr zufrieden, dies alles<lb/>
hier auf ſo eine heitere bequeme Art zu genießen. — Wir<lb/>
gingen gleich nach dem Ankommen in den Götterſtegen umher,<lb/>
wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein-<lb/>
bäche ſchritt, Dudelſäcke ſpielten, Sängerinnen zu Harfen jo-<lb/>
delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge<lb/>
zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshauſe Kaffee,<lb/>
Ich ſah nur die Gegenſtände. Die Geſellſchaft gut und un-<lb/>
befangen, und ihre ganze Prätenſion nur an das Thal. Die<lb/>
Damen außer ſich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von<lb/>
Arnſtein noch tauſendmal beſſer, als in der Stadt; auch nicht<lb/>
der entfernteſte Gedanke von Prätenſion an ihre hausgenöſſi-<lb/>ſchen Gäſte, die die völligſte Freiheit und nur das Gute ge-<lb/>
nießen, was das bequeme Haus mit ſich bringt mit ſeinen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[295/0303]
zu bringen. Was wird ſie bringen? Ich ſchlief nicht; der
Abend war hübſch. Ich aber nicht.
An Varnhagen, in Berlin.
Baden bei Wien, den 20. Juni 1815.
Morgeno halb 11. Heißes Wetter.
Geſtern, als wir aus dem Helenenthal nach Hauſe kamen,
fand ich deinen lieben, liebenden Brief aus Prag vom Don-
nerstag. Freitag bin ich hierher gezogen, Freitag warſt du in
Töplitz. Du dachteſt bei allem an mich. Ich geſtern, in dem
barocken und doch wohnigen Felsthal, mit allen ſeinen Augen-
ſpielen, an dich! O! eine ſolche Wohnung, wie es da ganz
ſtädtiſch und bequem giebt, in Ruhe und Beſchäftigung, muß
eine Seligkeit ſein. Doch bin ich ſehr zufrieden, dies alles
hier auf ſo eine heitere bequeme Art zu genießen. — Wir
gingen gleich nach dem Ankommen in den Götterſtegen umher,
wo viele Leute waren, Ziegen klimmten, Hornvieh durch Stein-
bäche ſchritt, Dudelſäcke ſpielten, Sängerinnen zu Harfen jo-
delten, Griechen umherzogen; dicht am Bach, der die Berge
zum Thale trennt, tranken wir in einem Wirthshauſe Kaffee,
Ich ſah nur die Gegenſtände. Die Geſellſchaft gut und un-
befangen, und ihre ganze Prätenſion nur an das Thal. Die
Damen außer ſich, mir die Schönheiten zu zeigen! Frau von
Arnſtein noch tauſendmal beſſer, als in der Stadt; auch nicht
der entfernteſte Gedanke von Prätenſion an ihre hausgenöſſi-
ſchen Gäſte, die die völligſte Freiheit und nur das Gute ge-
nießen, was das bequeme Haus mit ſich bringt mit ſeinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/303>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.